Erfolgreiche Aktionswoche: Allein in deutschen Häfen 100 Schiffe kontrolliert, 22 neue Tarifverträge erzwungen
Eine Woche lang haben die der Internationalen Transportarbeiterföderation (ITF) angeschlossenen Gewerkschaften aus 15 Staaten Nordeuropas sogenannten Billigflaggen-Reedereien die Stirn geboten. Vom 4. bis 8. Juni wurden dabei allein in deutschen Häfen über 100 Schiffe durch ITF-Inspekteure kontrolliert. Wo keine gültigen Tarifverträge durch die Kapitäne vorgewiesen werden konnten, wurden die Containerriesen und Frachtschiffe so lange von den Hafenarbeitern boykottiert, bis die Reeder zum Abschluß eines Tarifvertrages bereit waren.
»Die Erfolge dieser Woche können sich sehen lassen«, so ITF-Sekretärin Barbara Ruthmann gegenüber jW. Allein in Bremen konnten zwölf neue Tarifverträge abgeschlossen.werden. Besonders erfreulich sei auch gewesen, daß häufig schon die Boykottwarnung reichte, um die Reeder zum Einlenken zu bewegen. So etwa beim Großfrachter SCAV »Libra Copacabana«. Der deutsche Eigner zeichntete bereits einen Tarifvertrag ab, als sich sein Schiff selbst noch auf hoher See und erst in der Anfahrt auf Rotterdam, Hamburg und Antwerpen befand.
Schwieriger war es hingegen mit der »CMA CGM Iguacu«. Wie ernst es den Hafenarbeitern mit ihrer Solidarität gegenüber den Seeleuten ist, konnte der Reeder erst begreifen, nachdem das Schiff sowohl in Rotterdam als auch in Hamburg nicht abgefertigt und stundenlang boykottiert wurde. Lehrgeld dieser Art mußte auch die deutsche Großreederei Leonhardt & Blumberg (L&B) zahlen. Ihr Schiff, die »Hansa Augustenburg«, wurde weder durch polnische noch durch die Rostocker Hafenarbeiter abgefertigt. So aber konnte L&B gezwungen werden, bereits den 22. Tarifvertrag für ein einzelnes Schiff abzuschließen.
Das ist für die Seeleute, die häufig sonst nur 200, 300 oder 400 Dollar an Heuer erhalten, ein großer Erfolg. Denn mit dem ITF-Tarfvertrag in der Tasche müssen künftig durch die Reeder nicht nur Mindeststandards (wie etwa die Vergütung von Überstunden) eingehalten werden – die Seeleute erhalten auch einen Mindestlohn von 1550 Dollar im Monat.
Ein weiterer Schwerpunkt der Aktionen lag auf der Kontrolle bestehender Tarifverträge. »Wir prüfen zum Beispiel, ob die vereinbarten Heuern auch wirklich gezahlt werden«, sagte Ruthmann. Kontrolliert wurde das u.a. B. bei der »Smaragd«. Dieses unter der Flagge Antiguas laufende Schiff wurde in Wismar so lange nicht entladen, bis der Kapitän die Nachzahlung der Heuer schriftlich versicherte.
Die Aktionen der ITF sind ein Beispiel dafür, wie sich Gewerkschafter durch internationale Zusammenarbeit und die Solidarität verschiedener Branchen wehren können. Denn in keinem anderen Bereich waren die Auswirkungen der Globalisierung bereits so frühzeitig erkennbar wie in der Seeschiffahrt. Neue Aktionswochen sind bereits in Vorbereitung, so Ruthmann.
Verwendung: Junge Welt 12. Juni 2007
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