Datenschützer in Schleswig-Holstein kritisieren »unkontrollierte Datenerhebung« durch Hartz-IV-Behörden
In Schleswig-Holstein hat das »Unabhängige Landeszentrum für den Datenschutz« (ULD) heftige Kritik an den Arbeitsgemeinschaften nach SGB II (ARGE) geübt. Diese aus Mitarbeitern der Bundesanstalt für Arbeit und der kommunalen Sozialämter gebildeten Einrichtungen sind seit Einführung der Hartz-Gesetze in vielen Kommunen für die Leistungsgewährung und Förderung der Arbeitslosengeld-II-Bezieher zuständig. Doch die damit verbundene Datenerhebung sei unkontrolliert und von zahlreichen Mißbräuchen gegenüber den Erwerbslosen gekennzeichnet, heißt es in einem jetzt vorliegenden ULD-Bericht. Handlungsbedarf sehen die Datenschützer vor allem bei den Hausbesuchen. Diese werden von den Hartz-IV-Behörden durchgeführt, um »eheähnliche Bedarfsgemeinschaften« aufzuspüren. Das sei zwar generell zulässig, heißt es, doch die dabei genutzten Observationsmethoden verletzten vielfach die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen.
Anhand von Akten verschiedener Jobcenter war den Datenschützern zuvor aufgefallen, daß bei solchen Hausbesuchen, wenn die Betroffenen selbst nicht anzutreffen waren, auch die Briefkästen kontrolliert wurden. In weiteren Fällen wurden auch Nachbarn oder Minderjährige befragt und zwar, ohne dies den Erwerbslosen anschließend mitzuteilen. Dies sei ebenso unzulässig wie etwa der Einsatz von Videokameras oder das Durchwühlen verschlossener Schränke. Hausbesuche dürften generell nur als »letztes Mittel« einer Sachverhaltsaufklärung genutzt werden, mahnen die Datenschützer. Finden sie dennoch statt, müsse ihr Ablauf durch datenschutzkonforme Vorgaben genau geregelt sein.
Rechtsverstöße ähnlicher Art stellt der rund 180 Seiten starke Bericht auch im Bereich der Datenverarbeitung fest. Bemängelt wird, daß es kaum datenschutzkonforme Dienstanweisungen gebe. Bei einem Kontrollbesuch bei der ARGE in Lübeck seien deshalb in acht von zehn nach einem Zufallsprinzip gezogenen Akten schwerwiegende Datenschutzverletzungen festgestellt worden. Bemängelt wird vor allem, daß vielfach auch Daten aus dem persönlichen Umfeld von Erwerbslosen registriert werden. Gespeichert werden dürfe aber nur das, was für die Berechnung des Leistungsbezugs oder die Vermittlungsleistungen der ARGE unabdingbar sei. Mahnend hebt der Bericht hervor, daß die Weitergabe solcher personenbezogenen Daten an potentielle Arbeitgeber oder an sogenannte Maßnahmeträger, etwa im Bereich der Ein-Euro-Jobs oder des Bewerbungstrainings, nur dann zulässig ist, wenn die Erwerbslosen explizit ihr Einverständnis erklärt haben.
Das aber betrifft umgekehrt auch das sogenannte Profiling, mit dem Maßnahmeträger eine Vielzahl nicht nur fachlicher, sondern auch persönlicher Einschätzungen über Erwerbslose sammeln. Auch die Weitergabe solcher Daten habe keine Rechtsgrundlage, wenn der Erwerbslose diesem nicht ausdrücklich zustimmt. Besonders kurios ist für die Datenschützer jedoch der Umgang der Hartz-IV-Behörden mit mildtätigen Vereinen. Unter Androhung eines Bußgeldes waren solche Vereine, die etwa Kaffeemaschinen oder andere Sachspenden an Erwerbslose weitergereicht hatten, von den Hartz-IV-Behörden mehrfach angeschrieben worden, um generelle Angaben über diese Spenden zu erhalten. Auch dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, wird kritisiert. Das ULD fordert deshalb die Ausarbeitung genauer und datenschutzkonformer Dienstanweisungen für alle Mitarbeiter in den Hartz-IV-Behörden.
Verwendung: Junge Welt
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