Hamburger Docker wehren sich gegen Teilverkauf. Organisationsgrad kann zu Erfolg verhelfen. Ein Gespräch mit Bernt Kamin
Bernt Kamin ist Betriebsratsvorsitzender der Gesamthafenarbeiter in Hamburg
Der Hamburger CDU-Senat will 49,9 Prozent der Anteile an der bislang städtischen Hafen- und Logistik AG (HHLA) an einen Privatinvestor verkaufen. Nach einer ersten Protestwelle im Dezember hat der Konzernbetriebsrat nun dazu aufgefordert, jegliche Mehrarbeit zu verweigern. Eskaliert der Konflikt?
Wir haben immer gesagt: Wenn der Senat an seinen Plänen festhält, muß er mit Widerstand rechnen. Die HHLA ist mit ihren 3400 Mitarbeitern nicht nur der größte Hafenbetrieb, sondern auch ein Unternehmen, das mit seiner bisherigen Struktur für alle Mitarbeiter eine gute und dauerhafte Beschäftigungsperspektive sichert.
Privatisierungen führen dazu, daß schon nach kurzer Zeit der Druck auf die Beschäftigten steigt und soziale Standards verlorengehen. Da die HHLA auch für die Stadt ein sehr profitables Unternehmen ist, brauchen wir keinen Privatinvestor.
In den Medien hieß es, daß die Deutsche Bahn und die Investmentbank Morgan Stanley bis zu eine Milliarde Euro für den Aufkauf angeboten haben. Ohne dieses Geld, so sagte es Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU), könnten weder die HHLA noch die Kaianlagen ausgebaut und modernisiert werden.
Die HHLA-Modernisierung kann aus eigener Kraft geschultert werden, wie auch der Unternehmensvorstand betonte. Das andere Problem betrifft die Erweiterung des Binnenhafens, die notwendig wird, weil sich der Containerumschlag insgesamt vergrößern wird. Dafür ist dann aber nicht die HHLA, sondern die Hafenentwicklungsgesellschaft Port Authority zuständig, die 2005 aus dem ehemaligen Amt für Strom und Hafenbau gebildet wurde.
Wenn ich dieser Linie, die der Senat vorgab, folge, muß ich mich doch fragen, warum dieses Unternehmen auch noch öffentlich subventioniert werden soll. Ich hatte am Freitag Gelegenheit an einer Anhörung der Europäischen Kommission teilzunehmen. Dort wurde betont, daß sich Port Authorithy nach den EU-Richtlinien die Kosten für den Bau der neuen Kaianlagen durch die Hafenunternehmer refinanzieren lassen muß. Diese sind es ja auch, die aus dem Betrieb solcher Anlagen Gewinn ziehen.
Bürgermeister Ole von Beust (CDU) will aber auch »strategischen Partnerschaften«.
Wenn ich Beust reden höre, bekomme ich fast den Eindruck, daß es haufenweise Reiche und Superreiche gibt, die nichts anderes als das Wohl unserer Stadt im Sinn haben. Die Spielregeln des Kapitalismus sind aber andere. Sie bestehen darin, daß Investoren ihr Geld nicht zur Verfügung stellen, um Wohlstand zu stiften, sondern um möglichst hohe Profitraten zu erzielen. Die HHLA bringt es auf einen Gewinn nach Steuern von jährlich 100 Millionen Euro. Wäre dies die Rendite, die sich die Investoren künftig in die eigene Tasche stecken? Bislang kam dieses Geld ausschließlich dem Hafen und der Stadt zugute.
Sind deshalb jetzt auch die anderen Hafenbetriebe mit der HHLA solidarisch?
Nicht nur deshalb, sondern wir sehen die Gefahr, daß eine Teilprivatisierung nur der erste Schritt in Richtung eines Totalausverkaufs der HHLA sein könnte. Dann könnten die neuen Besitzer geneigt sein, einzelne besonders profitable Teile aus dem Gesamten herauszubrechen. Chaos bei der HHLA würde dann auch auf die anderen Hafenbetriebe und die dortigen Arbeitsbedingungen negative Auswirkungen haben. Als Hafenarbeiter haben wir gelernt, daß wir immer erfolgreich sind, wenn wir solidarisch zusammenhalten. So war es schon beim Kampf gegen die EU-Hafenrichtlinie Port Package.
Privatisierungsvorhaben gibt es nicht nur im Hafen, sondern auch für die Hochbahn und weitere öffentliche Unternehmen. Haben Sie eine Idee, wie Solidarität über den Hafen hinaus zu entwickeln wäre?
Auf der ver.di-Landeskonferenz werden wir die Bildung eines Koordinationsgremiums für die Interessenvertreter aus allen öffentlichen Unternehmen vorschlagen. Dem Spiel des Senats, nach und nach alles zu zerlegen, müssen wir gemeinsam entgegentreten. Dafür ist unser Widerstand gegen den Ausverkauf der HHLA besonders wichtig. Wir sind im Hafen besser organisiert als in anderen Branchen. Wo, wenn nicht im Hafen, könnte deshalb eine solche Privatisierung auch tatsächlich gestoppt werden? Ein Erfolg wäre über den Hafen hinaus von großer Bedeutung.
Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/01-22/030.php