12. Januar 2007

Überausbeutung als Imageproblem. Hamburgs CDU-Wirtschaftssenator setzt auf Appelle. Gewerkschaft richtet Hotline für Betroffene ein

Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) hat ein »freiwilliges Prüfverfahren« als Mittel gegen sittenwidrige Niedrigstlöhne vorgeschlagen. Ein »ehrbarer Kaufmann« dürfe solche Hungerlöhne schon deshalb nicht zahlen, weil dies das Image der Hansestadt beschädige, sagte er auf einem »Krisentreffen« mit Vertretern des Gast- und Reinigungsgewerbes am Mittwoch in seiner Behörde. Mit von der Partie waren auch Gewerkschaftsvertreter.

Nach Vorstellungen des Wirtschaftssenators könnten Firmen, die Tariflöhne zahlen, ein Zertifikat erhalten. Alle anderen sollen künftig von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen bleiben. Den Billigputzkolonnen in Hamburgs Nobelhotels wäre damit zwar nicht geholfen. Sollte die Ankündigung aber wirklich ernstgemeint sein, würde das bedeuten, daß das CDU-regierte Hamburg künftig in Sachen Tariftreue härtere Maßstäbe anlegt als etwa das SPD-Linkspartei-regierte Berlin. Von konkreten Plänen für die Umsetzung ist aber bislang nichts bekannt.

Dabei geht es nicht nur um das Reinigungsgewerbe, warnte DGB-Lokalchef Erhard Pumm. Auch in anderen Branchen seien schon jetzt Tausende Hamburger von solchen Niedrigstlöhnen betroffen. Um dies aufzudecken, hat die Gewerkschaft ver.di eine Telefonhotline eingerichtet, bei der sich alle Hamburger melden können, die von solchem Lohndumping betroffen sind. Die Nummer lautet: 040/28581818.Die entsprechenden Firmen sollen dann ausnahmslos an den Pranger gestellt werden.

Skandalöse Zustände herrschten auch im Friseurgewerbe, bei den Wach- und Sicherheitsdiensten, in der ambulanten Pflege und in der Zeitarbeit, betonte ver.di-Landeschef Wolfgang Rose in diesem Zusammenhang. Wie das läuft, schilderte ein Lehrlingswart aus einer Hamburger Friseurinnung. Viele Betriebe richten demnach sogenannte Minuskonten ein, auf die dann pro Kunde etwas draufgerechnet werde. Um auf ein ausgeglichenes Konto und damit auf den Tariflohn zu kommen, müßten die Mitarbeiter viele unbezahlte Überstunden leisten. Die skandalöse Situation im Wach- und Sicherheitsgewerbe verdeutlichte ver.di-Fachbereichsleiter Peter Bremme. Er allein betreut 50 Fälle, wo die Mitarbeiter unterhalb des Tariflohns abgespeist und dann auch noch unter dem Motto »wer klagt, der fliegt«, durch ihre Chefs erpreßt werden.

Von einer »gänzlich verlogenen« Debatte sprach indes der Bezirksvorsitzende des DGB-Nord, Peter Deutschland. Die Politik sei längst in die Rolle eines Zauberlehrlings gefallen, der die Geister, die er rief, nun nicht mehr loswird. Erneut forderte der Gewerkschaftschef einen gesetzlichen Mindestlohn und das Ende jener »sprachlichen Versteckspiele«, wonach »jede Arbeit besser sei, als keine«. Wie dringend das ist, machte auch ein Objektleiter in einer großen Hamburger Dienstleistungsfirma deutlich, der anonym davon berichtete, daß selbst Luxushotels, die bis zu 1500 Euro pro Übernachtung einnehmen, nicht bereit seien, mehr als 4,50 Euro für die Reinigung eines Hotelzimmers zu zahlen. Wer das nicht annehme, habe in der Branche keine Chance.

Verwendung: http://www.jungewelt.de/2007/01-12/019.php