Hamburger Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion lud von Abschiebung bedrohte Afghanen ein
»Wir lieben unser Land, doch noch mehr lieben wir unsere Kinder«, sagt die Afghanin Siagol Seddiki. Sie fürchtet, mit ihren Kinder demnächst in einem Flieger nach Kabul zu sitzen. Sie weiß, wie es dort den Rückkehrern geht, die häufig nicht mal ein Dach über dem Kopf haben. »Auch unsere Kinder haben ein Recht auf Bildung«, sagt Goalei Amiri, die seit fünfeinhalb Jahren in Deutschland lebt und selbst sieben Kinder hat. Sie sorgt sich um die Zukunft ihrer ältesten Tochter, die gerade 16 geworden ist und kurz vor dem Schulabschluß steht. Wie es solchen Mädchen in Afghanistan geht, sei bekannt, meint das Ehepaar Sharifzada, das selbst eine 14jährige Tochter hat, die mit einem Notendurchschnitt von 1,5 nach Auskunft ihrer Lehrer locker das Abitur machen könnte. Ginge es nach Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos), säße die ganze Familie längst in Afghanistan. Nur eine Eingabe im Härtefallausschuß der Bürgerschaft hat das bislang verhindert.
Rund 70 afghanische Gäste, unter ihnen 20 Kinder, haben am Dienstag abend in Hamburg an einem Weihnachtstreffen mit dem Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion Norman Paech teilgenommen. Eingeladen hatte Paech dazu vor allem jene Flüchtlingsfamilien, die in Hamburg ganz unmittelbar vor der Gefahr einer Abschiebung stehen. Denn als bislang einziges Bundesland will die Hansestadt nun auch Familien, die Kinder haben und alleinstehende Frauen nach Afghanistan abschieben. Zynischerweise begründet Innensenator Nagel dies mit dem Bleiberecht, auf das sich die Innenpolitiker des Bundes und der Länder erst kürzlich verständigt hatten. Ein Antrag für einen dauerhaften Aufenthaltsstatus dürfen demnach nämlich nur Flüchtlinge stellen, die nun schon mindestens sechs Jahre in Deutschland leben und zudem ein ausreichendes Einkommen zur Ernährung ihrer Familien haben. Doch viele der afghanischen Familien sind eben erst fünf oder fünfeinhalb Jahre in Hamburg. Für sie zieht Nagel nun den Umkehrschluß, daß eine Abschiebung rechtlich geboten sei. Offenbar hält Nagel Afghanistan für ein »sicheres Herkunftsland«, weshalb jetzt auch keine Einzelfallprüfungen mehr vorgesehen sind. Paech sieht darin einen Bruch der Menschenrechte und der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Er forderte am Dienstag einen sofortigen Abschiebestopp für alle afghanischen Flüchtlinge, weil sich ihre Heimat immer noch in einem Kriegszustand befinde und sich wegen der sozialen Not für die Rückkehrer keine Lebensperspektive eröffne.
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