Hamburg: ver.di-Landeschef präsentierte Liste der Superreichen der Hansestadt und fordert ungewohnt deutlich Umverteilung von oben nach unten

In Hamburg hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in ungewöhnlich scharfer Form einen grundlegenden politischen Kurswechsel für die Hansestadt gefordert. Grundsätzlich gelte dabei, daß, wer den Reichen nichts nehme, den Armen auch nichts geben könne, sagte ver.di-Landeschef Wolfgang Rose, der am Dienstag nachmittag eine Liste mit detaillierten Angaben zu den 36 reichsten Bürgern der Stadt vorlegte. Deren Gesamtvermögen liegt demnach bei rund 43,2 Milliarden Euro. Geld zur Lösung der Probleme der über 200000 Armen in Hamburg sei also genug da, so Rose. Deren Armut gebe es »nicht trotz, sondern wegen des Reichtums« der anderen, sagte Rose.

Angeführt wird die Liste von der Familie Herz, die allein rund 10,1 Milliarden Euro ihr eigen nennt. Ihr folgen die Familie Otto mit rund 5,4 Milliarden sowie die Zeitungsverleger Heinz Bauer und Friede Springer mit 2,95 bzw. 2,75 Milliarden Euro. Das allein ist schon mehr, als die Stadt jedes Jahr in ihrem Haushalt zur Verfügung hat. Für diese Superreichen forderte Rose eine »gerechte Vermögens- und Erbschaftssteuer«, die jährlich 423 Millionen Euro zusätzlich in die städtischen Kassen bringen soll. Damit könnten Maßnahmen gegen die soziale Spaltung finanziert werden könnten. Rose schlug eine entsprechende Bundesratsinitiative zur Veränderung des Steuersystems vor.

Darüber hinaus verlangte der ver.di-Landeschef konkrete Maßnahmen für Hamburg, die »Hauptstadt der Steuerhinterziehung«. Nach Roses Vorstellung sollen künftig 200 zusätzliche Betriebsprüfer den Reichen bei ihren Steuerabrechnungen genauer auf die Finger schauen. Sonst würden weiterhin jedes Jahr Hunderte Millionen Euro verlorengehen. Rose will sich auch dafür einsetzen, daß der CDU-Senat einen Armuts- und Reichtumsbericht vorlegt. Weiter forderte er einen Stopp der Privatisierungen und ein Ende der »Kaputtsparpolitik«.

Daß sich Rose so deutlich für eine Umverteilung von Reichtum aussprach, zeugt durchaus von Mut, denn die mächtige Springerpresse wird ihn dafür vermutlich regelrecht zerreißen. Handelskammer-Chef Hans-Jörg Schmidt-Trenz gab dafür bereits eine Vorlage, als er der Gewerkschaft am Mittwoch vorwarf, in »populistischer Weise Sozialneid zu schüren« und »Menschen an den Pranger« zu stellen.

Doch Rose hatte bei seinen Einlassungen vermutlich eine Umfrage der vergangenen Woche im Blick. Diese zeigte, wie groß die Unzufriedenheit mit der amtierenden Landesregierung inzwischen ist. Wäre am Sonntag Bürgerschaftswahl, würde demnach die CDU von bisher 47,2 auf rund 35 Prozent absacken. Doch die Umfrage verdeutlichte auch, daß die »linken« Oppositionsparteien nur teilweise von diesem Absturz profitieren. Während SPD und Grüne immerhin noch leichte Gewinne verzeichnen konnten, sank der Umfragewert für die Linkspartei sogar von sechs auf unter vier Prozent.

So ist die Gefahr groß, daß Rechts­populisten den verbreiteten Unmut ausnutzen, denn die Oppositionsparteien haben durch ihre Politik in anderen Landesregierungen und im Bund für etliche Wähler jede Anziehungskraft verloren. Rose kritisierte insbesondere die in fast allen Parteien geführte Diskussion über die »Unterschicht«. Dabei tue man so, als sei für Armut und Arbeitslosigkeit vor allem das Verhalten der Betroffenen verantwortlich. »Armut, Hoffnungslosigkeit und das Abdriften ganzer Bevölkerungsgruppen« hätten ihre Ursache aber in der »ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen«, so der Gewerkschaftsfunktionär.

http://www.jungewelt.de/2006/11-02/045.php