Kritiker an geplanter Fehmarnbelt-Brücke bekommen Rückenwind: Kapital setzt auf Fährverbindung. Investoren bieten Milliardenbetrag für Scandlines-Reederei
Eigentlich sollte die Ostsee-Fährreederei Scandlines am Freitag letzter Woche praktisch schon verkauft sein. Doch wie die Financial Times Deutschland am Montag unter Berufung auf »Informationen aus dem Umfeld der Verhandlungen« meldete, konnten sich die Eigentümer Deutsche Bahn und dänische Regierung nicht einigen, ob der Zuschlag an den internationalen Finanzinvestor 3i oder ein Konsortium aus Deutscher Seereederei (DSR) und Allianz gehen sollte. Beide Interessenten bieten laut FTD »rund 1,5 Milliarden Euro«, 3i angeblich etwa 50 Millionen mehr als DSR und Allianz.
Zu Beginn der Verhandlungen hatte man mit Erlösen von 600 bis 800 Millionen Euro gerechnet. Scandlines erwirtschaftete 2005 einen operativen Gewinn von 70 Millionen bei einem Umsatz von 523 Millionen Euro. Sein größtes Geschäft macht das Unternehmen mit dem Fährverkehr zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf dem dänischen Lolland, auf der sogenannten Vogelflugroute. Die Monopolstellung dieser Verbindung ist allerdings strategisch durch den geplanten Bau der Fehmarnbelt-Brücke gefährdet. Daß die Kaufangebote trotzdem auf solch astronomische Summen geklettert sind, könnte darauf hindeuten, daß die Investoren nicht mehr recht daran glauben, daß es mit der Megabrücke noch etwas wird.
Zwar hatte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Dietrich Austermann (CDU) kürzlich erst betont, daß Spitzenbeamte der EU eine Teilfinanzierung für das Projekt in Aussicht gestellt hätten. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte schon während des Landtagswahlkampfes in Mecklenburg-Vorpommern Zweifel an dem rund fünf Milliarden Euro teuren Bauprojekt geäußert. Selbst bei einem hohen Anteil privater Investoren und einer Teilfinanzierung durch die EU müßte nämlich der Bund zur Gewährleistung des Projekts eine Staatsbürgschaft über die Gesamtkosten übernehmen. Kritiker aus dem Bundesfinanzministerium befürchten zudem, daß die Hinterlandanbindung weitere Folgekosten in Milliardenhöhe entstehen läßt. Eine endgültige Entscheidung zum Brückenbau müssen deutsche und dänische Regierung aber schon bis Ende des Jahres treffen, weil sonst Haushaltsmittel aus der Europäischen Union zur Kofinanzierung nicht mehr zur Verfügung stünden.
Umstritten ist das Großprojekt, das allein für seine bislang 35 Machbarkeitsstudien fast 20 Millionen Euro verschlungen hat (und seit 20 Jahren diskutiert wird), aber nicht nur zwischen Berlin und Kiel. Selbst in Schleswig-Holstein wächst die Kritik an der geplanten Schrägseilbrücke, wo nun Linke und Grüne, vor allem aber der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) auf »völlig falsche« Verkehrsprognosen hinweisen. Sorgen macht sich der SSW auch um die infrastrukturschwachen Gebiete im Norden Schleswig-Holsteins, die damit »völlig abgehängt« würden, so Landtagsabgeordneter Lars Harms.
Daß nun ausgerechnet die Partei der dänischen Minderheit so offensiv gegen die Fehmarnbelt-Querung polemisiert, ist für diejenigen überraschend, welche die Positionen der Regierung in Kopenhagen und der dortigen Industrielobbyisten mit denen der dänischen Bevölkerung verwechselt hatten. Die Industrie verspricht sich von der Brücke einen besseren Zugang zu den Märkten in Westeuropa, doch in der Bevölkerung wächst die Skepsis, wie Meinungsumfragen zeigen. Selbst in Kopenhagen, das wie Hamburg, zu den eigentlichen ökonomischen Nutznießern einer solchen Querung gehören würde, werden inzwischen heftig die ökologischen Konsequenzen eines solchen Brückenbaus diskutiert. Hintergrund: Der Fehmarnbelt wird alljährlich von Millionen arktischer Zugvögel gekreuzt. An einer 70 Meter hohen und rund 19 Kilometer langen Brücke könnten, so fürchten Ornithologen, bis zu 100000 Vögel pro Jahr ums Leben kommen. Außerdem weist der deutsche Naturschutzbund NABU darauf hin, daß ein stärkerer Verkehrsstrom über kurz oder lang eine weitere Brücke, nämlich über den Fehmarnsund, der das deutsche Festland mit Fehmarn verbindet, erforderlich machen würde. Diese Brücke müßte quer durch ein Naturschutzgebiet führen.
http://www.jungewelt.de/2006/11-01/039.php