CDU rutscht in der Wählergunst ab / Rechtspopulist sieht neue Chancen gekommen
Nach einer gerade veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap ist die Hamburger CDU in der Gunst ihrer Wähler dramatisch abgestürzt.
Wäre am Sonntag Bürgerschaftswahl, käme die Partei von Bürgermeister Ole von Beust auf noch 35 Prozent, während die SPD mit 36 Prozent erstmals wieder an ihr vorbeiziehen würde. Für die Grünen gäbe es 14, für die FDP sechs und für die Linke aus PDS und WASG vier Prozent. Eine der Ursachen für diesen dramatischen Vertrauensverlust bei der Bürgerschaftswahl 2004 erzielte die Regierungspartei noch 47,2 Prozent ist dabei offenbar ihr Umgang mit den Volksentscheiden. So hatte die CDU erst kürzlich ein per Volksabstimmung eingeführtes neues Wahlrecht, mit dem die Bürger mehr Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten haben sollten, einfach wieder gekippt. Missachtet wurden Volksentscheide gegen die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser und der staatlichen Berufsschulen. 70 Prozent der Wahlbürger finden das laut Umfrage »nicht in Ordnung«.
Doch nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Michael Greven ist der Erdrutsch auch ein Zeichen für die »Normalisierung im Politikbetrieb«. Nun werde die Koalitionsfrage wieder wichtiger. Selbst CDU-Strategen hatten innerparteilich schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es der Union im traditionell eher sozialdemokratisch geprägten Hamburg sehr schwer fallen werde, das Ergebnis von 2004 noch einmal zu wiederholen.
Damals gelang es dem Bürgermeister, die ehemaligen Schill-Wähler zu holen, nachdem der Rechtspopulist in sehr unappetitlicher Form von Beust als einen »Schwulen« geoutet hatte und daraufhin aus dem Senat herausflog. Ist es deshalb ein Zufall, dass nun die Springerpresse, die in der Hansestadt 80 Prozent des Zeitungsmarktes beherrscht, schon seit Wochen mit dem ehemaligen Justizsenator Roger Kusch, er hat inzwischen eine eigene Partei unter dem Namen »Heimat Hamburg« gegründet, eine neue rechtspopulistische Galionsfigur regelrecht aufbaut?
Gleich dutzendweise veröffentlichten die Springerblätter in den letzten Wochen jedenfalls Stellungnahmen, in denen sich dieser über angeblich »steigende Jugendkriminalität«, das »Drogenelend« oder auch »illegale Ausländerkinder« auslässt. Auch als neuer Koalitionspartner für die CDU hat sich dabei Kusch schon selbst ins Spiel gebracht.
Unterdessen bewertete Linkspartei-Landesgeschäftsführer Martin Wittmaack das eigene Umfrageergebnis zurückhaltend positiv. Die Linke habe eine gute Chance, bei den Bürgerschaftswahlen 2008 ins Parlament einzuziehen, wenn es ihr gelinge, eigene Alternativen noch besser auszuarbeiten. Erneut soll deshalb Anfang November ein stadtpolitischer Kongress stattfinden.
Quelle: Printausgabe Neues Deutschland 01.11.06, Seite 4