Niedersächsische Behörden versuchen, durch Psychokrieg die streikenden Asylbewerber im Lager Blankenburg zu isolieren

Die Situation im Zentralen Aufnahmelager der Ausländerbehörde im niedersächsischen Blankenburg spitzt sich zu. Wie berichtet, befinden sich in diesem sieben Kilometer von Oldenburg entfernten Lager schon seit dem 4.Oktober rund 250 meist schwarzafrikanische Flüchtlinge in einem unbefristeten Streik. Sie boykottieren die Kantine und die lagerinternen Ein-Euro-Jobs, fordern Geld zum eigenen Lebensmitteleinkauf statt Lagerfraß und eine bessere ärztliche Versorgung. Doch nun wird eine Aktion vom vergangenen Wochenende zum Vorwand genommen, um die Streikenden zu kriminalisieren.

Rund 20 Unterstützer der Flüchtlinge hatten ein Transparent vor dem Privathaus von Lagerleiter Christian Lüttgau aufgehängt sowie um das Haus einen symbolischen Zaun errichtet. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sprach daraufhin von »strafbaren Handlungen«, die mit berechtigtem Protest nichts zu tun hätten. Inzwischen wurden auch die Polizeieinheiten im Lager verstärkt, die dort nun jeden weiteren Protest bereits im Keim unterdrücken sollen. Zuvor hatte der Innenminister geleugnet, daß die Flüchtlinge nur vitaminarmes und fades Essen bekämen. Das Essen sei immerhin frisch zubereitet, hatte Schünemann betont. Demgegenüber forderte der niedersächsische Flüchtlingsrat die sofortige Schließung des Lagers sowie dezentrale Unterkünfte für alle Bewohner in verschiedenen Kommunen des Landes. Die Unterbringung in Lagern sei teuer, menschenunwürdig und auch verfassungsrechtlich bedenklich, heißt es in einer Stellungnahme.

Kritik kommt auch vom bundesweiten Netzwerk »No Lager«. Schünemann wolle mit seiner Diffamierung des Protests nur davon ablenken, daß die Forderungen der Flüchtlinge mit denen von Menschenrechtsorganisationen identisch sind. Doch in großen Zeitungen, wie etwa der Welt, der Neuen Presse, der Hannoverschen Allgemeinen (HAZ), im Weserkurier und der Nordwestzeitung wird nun einseitig Schünemanns Darstellung wiedergegeben. Der Boykott sei ferngesteuert, wobei antirassistische Gruppen bei den Bewohnern auch ein »Klima der Angst« erzeugten, heißt es in einigen der Medien. Von »wenigen Aufwieglern« im Lager selbst sprechen hingegen andere, und die HAZ verglich nun das Lager sogar mit einem »Kurpark«, das – trotz Metallgitterzaun – vor allem durch einen großen Teich und »schönen Laubwald« gekennzeichnet sei. Doch dieser Wald sei nun offenbar in Gefahr, weil es hier schon »nächste Woche brennt«, wie Lagerleiter Christian Lüttgau zitiert wird. Auch von zunehmenden »Schlägereien« ist bei ihm die Rede. Und Oldenburgs Polizeichef Johann Kühme spricht unterdessen von einer »offenen Drogenszene«. So solle der Protest isoliert werden, betonten jedoch Vertreter des antirassistischen Plenums in Oldenburg am Mittwoch gegenüber jW.

Doch auch Bedrohungen kommen hinzu. Vor allem schwarzafrikanische Flüchtlinge werden seit einigen Tagen gezielt für Vorführungen bei den Botschaften ihres tatsächlichen oder mutmaßlichen Heimatlandes ausgesucht, um sie so gegebenenfalls schneller abzuschieben. Auf den Streikversammlungen betonten aber auch sie, daß der Ausstand fortgesetzt werde. Schon am heutigen Donnerstag soll es in Oldenburg eine weitere Protestkundgebung geben, und für die nächste Woche ist eine Aktion in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover geplant. Dazu werden dann auch Flüchtlinge aus Bramsche und Braunschweig erwartet.

http://www.jungewelt.de/2006/10-19/045.php