Wann schenkt Airbus seinen 57 000 Mitarbeitern (22 000 arbeiten allein in Deutschland) endlich reinen Wein ein? Diese Frage beschäftigte in der letzten Woche Airbus-Betriebsräte und Vertrauenskörperleitungen der IG Metall aus ganz Deutschland, die sich dafür zur Krisensitzung in Hamburg versammelt hatten. Nun wollen die Kollegen gemeinsam für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen, ohne sich dabei auf die Standortkonkurrenz ihres Managements einzulassen.
„Wenn einer von uns angegriffen wird, sind wir aber alle angegriffen“, sagte dazu Thomas Busch, stellv. Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats (GBR). „Wir sind nicht bereit, einzelne Auswirkungen aus dem Kostenreduzierungsprogramm ´Power 8´ zu verhandeln, ohne dass wir das gesamte Ausmaß im Airbus-Konzern kennen“, unterstrich dies auch der Hamburger Betriebsratsvorsitzende Horst Niehus, der zudem eine vollständige Offenlegung aller Planungen im Management des Airbus-Mutterkonzern EADS einforderte.
Für die eingeforderten Verhandlungen hat die Sicherung der Arbeitsplätze in den einzelnen Standorten für die Betriebsräte oberste Priorität. Aber auch um die Qualität ihrer Arbeitsplätze, die Bewahrung arbeits- und sozialrechtlicher Standards sowie die Einhaltung vertraglicher Regelungen über die Arbeitsaufteilung zwischen Deutschland und Frankreich wollen die Betriebsräte kämpfen. Eine notwendige Strategie, denn wie die EADS-Manager Beschäftigte, aber auch Steuerzahler austricksen, wurde spätestens beim Krisengipfel in Berlin klar. Während sich EADS-Co-Chef Tom Enders in Berlin für den Erhalt der Standorte in Hamburg, Nordenham, Bremen, Varel, Buxtehude und auch in Stade aussprach, erklärte Damals-noch-Airbus-Konzernchef Christian Streiff in Paris eher Gegenteiliges. Standortschließungen könnten auch in Deutschland nicht ausgeschlossen werden, verkündete er.
Alle Pläne müssen auf den Tisch, forderte deshalb nun auch der GBR-Vorsitzende Rüdiger Lütjen, der aber durchaus auch Kompromissbereitschaft, etwa bei den Arbeitszeiten, andeutete. Auch dies entspricht einem Positionspapier der Betriebsräte, in dem diese die Globalstrategie von EADS genauso verteidigen, wie etwa die Orientierung des Konzerns auf Großraumraumflugzeuge oder den systematischen Ausbau des Rüstungssegments bei Airbus und EADS. Nur von „Strukturproblemen“ wollte Lütjen reden, die durch Fehlplanungen im Management entstanden seien.
Doch solche Produktionsschwierigkeiten, die zu Lieferverzögerungen beim A 380 und der Airbus-Krise führten, haben durchaus auch etwas mit der EADS-Eigentümerstruktur und dessen vielfacher Abhängigkeit von Rüstungsaufträgen der Regierungen in Berlin und Paris, aber auch in London und Madrid zu tun. Dass etwa 12 Milliarden Euro für die Entwicklungskosten des A 380 übernommen werden konnten, wäre etwa ohne eine gleichzeitige Nutzung solcher Forschungsergebnisse für den Militärtransporter A 400 M, völlig undenkbar gewesen. Doch nun erhöhen sich die Kosten um weitere 5 Milliarden Euro, die an Fluggesellschaften wegen der Lieferverzögerungen zu zahlen sind. Ob dann aber noch der A 380 jemals in die Phase der Serienproduktion tritt, bleibt trotzdem unklar, denn 2007 kann nur ein einziger A 380 ausgeliefert werden, während allein zur Kapitalamortisation mindestens 400 dieser Fluggiganten verkauft werden müssten. Doch sind nur 159 Flugzeuge bestellt und Großabnehmer, wie die Emirate Airline, denken schon jetzt über einen Wechsel zu Boeing nach. Deshalb befürchten nun auch Wirtschaftsanalytiker, dass sich EADS von rund 40 Prozent seiner Airbus-Produktionskapazitäten trennen könnte, was dann vor allem für Hamburg eine Riesenpleite wäre, wo die Stadt fast 1 Milliarde Euro für den Ausbau des Airbus-Ports schon jetzt investiert hat.
Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe wird der Rücktritt von Konzernchef Christian Streiff bekannt gegeben. Der neue Airbus-Chef Louis Gallois will dort weiter machen, wo Streiff aufhörte mit konzernweiter Arbeitsplatzvernichtung. Der sogenannte Sanierungsplan „Power8“ soll „sofort“ umgesetzt werden, was die Zukunft nicht nur der 12 500 Hamburger Airbus-Beschäftigten in Frage stellt. Der notwendige Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze geht also in eine neue Runde.
Quelle: Wochenzeitung „Unsere Zeit“, 13.10.06, Seite 1 (Titel)