Streit in Hamburg: Dürfen Kinder von Eltern ohne Aufenthaltspapiere zur Schule gehen?

In Hamburg planen Schulleiter, die Kinder von Eltern ohne Aufenthaltspapiere an ihren Schulen unterrichtet haben, ohne sie der Ausländerbehörde zu melden, ein heimliches Gipfeltreffen, um sich über ihr gemeinsames Vorgehen gegenüber der Schulbehörde zu verständigen. Dies meldete am Mittwoch das Hamburger Abendblatt. Die Direktoren befürchten, daß die Kinder wegen des geplanten neuen zentralen Schülerregisters (ZSR), auf das auch die Ausländerbehörde Zugriff hätte, von dieser ermittelt und somit – samt ihrer Eltern – abgeschoben werden könnten.

Daß in Hamburg überhaupt Kinder von Eltern ohne gültigen Aufenthaltsstatus heimlich unterrichtet werden, war erst Ende letzter Woche bekanntgeworden, nachdem sich ein Schulleiter an Journalisten wandte. Demnach hätten etliche Schulen seit mindestens 15 Jahren solche Kinder unterrichtet, obwohl sie diese nach gültigem Recht hätten melden müssen. Doch die Pädagogen wollten durch ihr couragiertes Verhalten auch solchen Kindern den Zugang zu Bildung und sozialer Integration ermöglichen, den ihnen das Ausländerrecht sonst verwehrt. Aber nach Einführung des ZSR befürchten die Lehrer nun, daß die Eltern betroffener Kinder diese nicht mehr zur Schule schicken, weil sie Angst haben könnten, entdeckt und abgeschoben zu werden.

Kirchen- und Flüchtlingsorganisationen, aber auch Vertreter der Elternkammer appellierten daraufhin an den Senat, auf das neue Melderegister zu verzichten. Dieser Vorstoß trifft aber auf den erbitterten Widerstand der Abschiebungsverfechter in Bürgerschaft und Senat. Die fordern vielmehr, daß sich die Schulleiter nun disziplinarrechtlich verantworten müssen. Den Aufruf kirchlicher Hilfsorganisationen, betroffene Kinder auch weiterhin zu unterrichten und sie einfach nicht in das neue Melderegister einzutragen, bewerten sie als eine »Aufforderung zum Rechtsbruch«. Doch inzwischen hat das Verhalten der Schulleiter dazu geführt, daß auch Kommunalpolitiker aller Parteien eine Überprüfung der bisherigen Abschiebepraxis fordern, denn in einigen Schulen, die sich in Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil befinden, sind offenbar noch viel mehr Kinder betroffen, als zunächst angenommen. Während der SPD-Migrationspolitiker Aydan Özoguz für sie eine weitere Schulausbildung forderte, verglich der frühere Hamburger Innensenator Roger Kusch, der eine neue rechtspopulistische Partei gegründet hat, um Schill zu beerben, deren Eltern, aber auch die Pädagogen mit Kriminellen. Illegale Ausländerkinder hätten in Hamburg nichts zu suchen und müßten sofort abgeschoben werden, forderte Kusch.

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