Hamburger Sozialgericht entschied, daß Widerspruch gegen ALG-II-Kürzung aufschiebende Wirkung haben kann

Das Hamburger Sozialgericht hat Willkürentscheidungen von Jobcentern erst einmal einen Riegel vorgeschoben. Die 52. Kammer entschied vergangene Woche, daß der per Eilantrag eingelegte Widerspruch gegen Kürzungen beim Arbeitslosengeld II (ALG II) aufschiebende Wirkung hat. Dem Kläger wurde zusätzlich Prozeßkostenhilfe bewilligt. (AZ S 56 AS 1765/06 ER)

Seit Einführung der Hartz-IV-Gesetze sind Erwerbslose zum Abschluß von sogenannten Eingliederungsvereinbarungen mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) verpflichtet. Darin werden sie entweder zu Ein-Euro-Jobs oder zur Teilnahme an anderen Maßnahmen zwangsverpflichtet, oder es werden »Eigenbemühungen« und Verpflichtungen zur Jobsuche festgelegt. Kommt eine solche »Vereinbarung« nicht zustande, kann die Behörde einseitig Bedingungen diktieren. Erwerbslose sind dabei häufig der Willkür ihrer Fallmanager ausgesetzt, die saftige Kürzungen des ALG II verhängen können, wenn die »Vereinbarung« nicht eingehalten wird oder werden kann. Widerspruch dagegen wurde nicht anerkannt. Diese Praxis ist laut Gerichtsbeschluß aber rechtswidrig, wie Oswald Wilken, Vorsitzender des Ortsverbandes Kirchdorf/Wilhelmsburg des Sozialverbandes Deutschland, junge Welt am Samstag erläuterte.

Das Urteil betrifft einen Klienten Wilkens, der Opfer eines solchen Verwaltungsaktes wurde, weil er die Zustimmung zu einer ihm vorgelegten »Eingliederungsvereinbarung« verweigert hatte. Der Mann erhob dagegen Widerspruch, doch die BA bestand auf ihren Zwangsmaßnahmen. Falls er nicht nachgebe, hieß es, werde das ALG II um 30 Prozent gekürzt.

Das Gericht berief sich auf einschlägige Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Demnach entfalle zwar die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs, wenn es um Leistungskürzungen gehe. Das gelte aber nicht bei »Eingliederungsvereinbarungen«, bei denen der Widerspruch eines Betroffenen bis zur Klärung vor Gericht deren Inkrafttreten verhindere. Leistungskürzungen, die sich auf angebliche oder tatsächliche Pflichtverletzungen beziehen, könnten in einem solchen Fall nicht umgesetzt werden.

http://www.jungewelt.de/2006/09-18/049.php

http://www.initiativenzeitung.org/nachricht/meldung/richter-stoppen-jobcenter-willkuer/