Renditeerwartungen um zehn Prozent. Altschulden trägt die Stadt

In Hamburg hat der Senat den Verkauf aller städtischen Pflegeheime an die Berliner Vitanas-Gruppe beschlossen. Zum Preis von 65 Millionen Euro gehen die zwölf Heime, die bisher von der städtischen Gesellschaft »pflege & wohnen« (p & w) betrieben wurden, mitsamt ihren 1600 Mitarbeitern und 2827 Heimbewohnern bereits zum 1. Januar 2007 in die Verantwortung von Vitanas über. Dafür verpflichtet sich der Gesundheitskonzern, der allein in Berlin 25 Gesundheitszentren betreibt, weitere 53 Millionen Euro in die Modernisierung der teils maroden Häuser bis 2011 zu investieren. Doch die Schulden von p & w, die sich zum Schluß auf 347 Millionen Euro beliefen, verbleiben bei der Stadt. Sie resultieren aus Altlasten, wie Pensionsverpflichtungen und Verbindlichkeiten, die dem Träger 1997 bei dessen Umwandlung in eine »Anstalt öffentlichen Rechts« aufgebrummt wurden. So aber hätten die Häuser auch an einen gemeinnützigen Träger, in dem nicht nur Gewinnabsichten zählen, verkauft werden können, kritisierte am Mittwoch Landespastorin Annegrethe Stoltenberg die Senatsentscheidung vom Vortag.

Kritik am Verkauf kommt auch von der oppositionellen SPD. Hier hält man einen Totalrückzug der Stadt aus dem Pflegebereich auch deshalb für falsch, weil sich die Anzahl pflegebedürftiger Menschen erhöhe. Sozialpolitische Steuerungsmöglichkeiten dürften deshalb nicht vollständig aus der Hand gegeben werden. Moniert wird zudem, daß die Investitionen für die Umbauten der Häuser nun auch zum Teil durch die Heimbewohner durch teurere Pflegeplätze refinanziert werden sollen.

Alarmstimmung herrscht jetzt ebenso unter den Angestellten, wo man schlechtere Arbeitsbedingungen befürchtet. Zwar hat sich der Gesundheitskonzern zur Beschäftigungssicherung bis 2009 verpflichtet, doch als Vitanas erst kürzlich drei Häuser des Deutschen Roten Kreuzes in Schleswig-Holstein übernahm, wurden dort den Mitarbeitern sofort neue Arbeitsverträge aufgedrängt, während man einen Überleitungstarifvertrag mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ablehnte.

Gegenüber junge Welt verwiesen Mitarbeiter auf die hohen Renditeerwartungen von Privatanbietern im Pflegebereich, die im Schnitt bei rund zehn Prozent liegen würden. Bei Einhaltung von Qualitätsstandards wären aber, da die Pflegesätze nicht zu beeinflussen sind, maximal drei bis vier Prozent drin, weshalb nun Leistungsverdichtungen befürchtet werden.

http://www.jungewelt.de/2006/08-24/013.php