Opposition und Gewerkschaften gegen geplanten Verkauf von Heimen

Um die Haushaltskasse zu entlasten, will Hamburg alle städtischen Pflegeheime an die Berliner Vitanas Gruppe verkaufen.

Hamburgs Senat will heute über den Verkauf aller zwölf bisher vom städtischen Unternehmen »pflegen & wohnen« (p & w) betriebenen Pflegeheime entscheiden. Offenbar soll die Berliner Vitanas Gruppe den Zuschlag erhalten. Betroffen davon sind 2800 Heimbewohner und 1600 Mitarbeiter. Für sie soll es keine Nachteile geben, hatte Hamburgs Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) schon vor Wochen betont. Trotzdem herrscht bei Beschäftigten und der Gewerkschaft ver.di Alarmstimmung. Hier fürchtet man schlechtere Arbeitsbedingungen und Qualitätsverluste in der Pflege.

Berechtigt, denn als Vitanas kürzlich drei Heime des Deutschen Roten Kreuzes in Schleswig-Holstein aufkaufte, wurden den Mitarbeiter dort sofort neue Arbeitsverträge aufgedrängt und ein Überleitungstarifvertrag abgelehnt. Gegenüber ND begründeten Mitarbeiter ihre Angst mit den Renditeansprüchen privater Pflegeunternehmen von etwa zehn Prozent. Bei Einhaltung bisheriger Qualitätsstandards seien nur drei bis vier Prozent möglich.

Dass die Pflegeheime zur Haushaltsentlastung privatisiert werden, entschied die Bürgerschaft schon im Juli 2003. Dem stimmten auch die Oppositionsparteien SPD und Grüne zu. Mehrfach hatte die Stadt zuvor Zuschüsse erbringen müssen, weil die Einnahmen nicht die Kosten trugen. Das aber sei selbst verursacht, sagen p & w-Mitarbeiter gegenüber ND, denn als der Träger 1997 zu einer »Anstalt öffentlichen Rechts« wurde, wären ihm Altlasten wie Pensionsverpflichtungen und Verbindlichkeiten einfach aufgebrummt worden. Aus den Pflegesätzen sind solche Kosten aber nicht zu tragen, so dass die Schuldenlast schließlich auf 347 Millionen Euro stieg.

Die Schulden verblieben aber nach einem Verkauf bei der Stadt, sonst ließen sich die Heime nicht veräußern. Weitere 37,8 Millionen Euro mussten zudem für dringende Sanierungsmaßnahmen aufgebracht werden. Trotzdem rechnet niemand mit einem Verkaufspreis oberhalb von 70 Millionen Euro, denn der Investitionsstau liegt für die Heime und die teils maroden Gebäude in einem dreistelligen Millionenbereich. Den zu bewältigen soll Sache des Käufers sein. Doch ob Vitanas das alleine kann, ist zweifelhaft. Zwar betreibt das Unternehmen allein in Berlin rund 25 Seniorencenter, weitere Einrichtungen auch in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen, doch die Mitarbeiterzahl würde sich beim Kauf der Hamburger Heime schlagartig um rund zwei Drittel erhöhen. 2370 Mitarbeiter zählt das Unternehmen bisher, das 2005 einen Jahresumsatz von 104 Millionen Euro machte. Deshalb ist nun ein Kaufkonsortium gemeinsam mit dem Hamburger Immobilienunternehmer Jacob Jürgensen im Gespräch. Dieser würde die Gebäude übernehmen, während sich Vitanas auf den reinen Pflegebetrieb konzentrieren würde.

Doch Kritik erntet auch dieses Modell. So forderte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Kienscherf, dass statt über einen Verkauf über Minderheitsbeteiligungen nachgedacht werden müsse. Die Zahl pflegebedürftiger Menschen wachse ständig, weshalb die Stadt Steuerungspotenziale nicht vollständig aus der Hand geben dürfe. Das aber hatte die Linkspartei schon 2003 gefordert, als Kienscherfs Fraktion der Privatisierung noch zustimmte.

Doch trotz dieser Kurswende rechnet der Senat nur mit verhaltenem Widerstand gegen den Verkauf. Schon jetzt sind in der Stadt 80 Prozent aller Pflegedienstleistungen privatwirtschaftlich organisiert. Es war ein schleichender Prozess, in dem immer mehr Bereiche privatisiert wurden. Auch ver.di-Landeschef Wolfgang Rose hat das inzwischen offenbar akzeptiert, wenn er darauf hinweist, dass die 1600 p & w-Mitarbeiter nach dem Verkauf für ein halbes Jahr ein Rückkehrrecht in einen staatsnahen öffentlichen Bereich haben. Doch das will der Senat nicht, weshalb er in den Kaufvertrag auch eine Beschäftigungssicherung für die Mitarbeiter bis 2009 hineinschreiben möchte.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=95788&IDC=3