Topfunktionäre des Hamburger CDU-Schillpartei-Senats pflegten ein spezielles Verhältnis zur organisierten Kriminalität

Die Skandalmeldungen um die Kontakte Hamburger Spitzenpolitiker ins kriminelle Rotlichtmilieu reißen nicht ab. Wie berichtet, hatte SPD-Oppositionschef Michael Neumann den Bürgermeister Ole von Beust (CDU) Anfang August heftig dafür angegriffen, daß er Exbausenator Mario Mettbach (früher Schillpartei, jetzt CDU) zum neuen Logistikbeauftragten berufen hatte, obwohl ihm Mettbachs Kontakte zur Kiezgröße Burim Osmani bekannt gewesen sein mußten. Doch inzwischen geht es um mehr. Von einer »Krake«, deren Tentakel die ganze Stadt ergriffen hätten, spricht Neumann jetzt. Jens Kerstan, Bürgerschaftsabgeordneter der Grünen, stellte am Freitag eine Anfrage an den Senat, mit der er herausbekommen will, welche Geschäftsbeziehungen städtische Gesellschaften mit dem Osmani-Clan unterhalten haben.

Auf 500 Millionen Euro, so wird geschätzt, ist das Vermögen der Osmani-Brüder Felix, Burim und Bekin seit 1979, als sie mittellos aus dem Kosovo kamen, inzwischen angewachsen. Heute gehört ihnen die halbe Reeperbahn, wo sie Stripteaselokale und Szenebars, wie das »Café Keese« betreiben. Aber auch Nobeldiscos wie das »Pupasch« an den Landungsbrücken und zahlreiche Hotels gehören zum Imperium. Felix, der Clanchef, ist zudem für die Geschäfte in Moskau, Prag, Kroatien und der Schweiz zuständig. Wie ein Griff in die Portokasse wirkte es da, als die Brüder 2004, um gesellschaftliche Anerkennung heischend, dem FC St. Pauli sogar ein neues Fußballstadion versprachen. Doch St. Pauli lehnte ab, denn auf dem Kiez glaubt jeder zu wissen, woher das Geld stammt: aus illegalen Spielclubs, dubiosen Kreditgeschäften, Schutzgelderpressungen, Prostitution, Kraftfahrzeugschmuggel und Rauschgifthandel. So jedenfalls steht es in einem Geheimdossier des Bundesnachrichtendienstes (BND), aus dem der Osmani-Anwalt Gerhard Strate etwas unvorsichtig am vergangenen Sonntag in einer Fernsehsendung zitierte.

Seltsam sei es da, daß es bislang kaum staatsanwaltliche Ermittlungen in Hamburg gegeben habe, sagen nun Oppositionspolitiker. Lediglich 1995, als der Kriminalbeamte Dieter Langendörfer Chef des Landeskriminalamtes wurde, gab es kurzfristig verstärkte Überwachungsaktivitäten. Doch schon bald mußte Langendörfer seinen Hut nehmen. Als Ronald Schill dann 2001 Innensenator wurde, hatten auch die Osmanis gesiegt, denn sie hatten Schills Wahlkampf mitfinanziert. Mit Schill kam Staatsrat Walter Wellinghausen, ein Jurist, dessen Anwaltskanzlei die Osmanis zuvor jahrelang vertreten hatte. Als der Staatsrat im August 2003 wegen »ungenehmigter Nebentätigkeiten« gehen mußte, verschwand auch ein geheimer »Leitfaden zur Bekämpfung organisierter Kriminalität« aus der Behörde. Das sensible Papier befindet sich laut einer Antwort des Senates von vergangener Woche »weiterhin in der Sachfahndung«. »Keiner weiß, was dieser Mann mit den sensiblen Informationen angefangen hat«, sagte der SPD-Innenexperte Andreas Dressel am Mittwoch vor Journalisten.

Im Mai dieses Jahres wurde Burim Osmani, der Immobilienkönig des Clans, wegen Kreditbetrugs verhaftet. Dies war allerdings nicht etwa das Verdienst Hamburger Staatsanwälte: Der Haftbefehl war in Würzburg ausgestellt worden. Im Zuge der Ermittlungen kam heraus, daß Mettbach mit einem Beratervertrag auf Burims Gehaltsliste stand.

Wie bewertet der Senat das BND-Dossier über die Osmani-Geschäfte, wollte der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer daraufhin wissen. Doch Anfang der Woche kündigte Bürgerschaftspräsident Bernd Röder (CDU) an, daß er eine Antwort auf diese Anfrage nicht veröffentlichen werde. Anwalt Strate hatte zum »Schutz der Persönlichkeitsrechte« seines Mandanten Einspruch erhoben. Mitte der Woche beschloß auch der Senat, daß er auf diese Anfrage nicht antworten werde.

Doch die Oppositionsparteien lassen nicht locker. Nun wollen sie wissen, wann jemals gegen die Osmanis ermittelt wurde, warum Mettbach den neuen Posten bekam und welche Geschäftsbeziehungen es mit dem Osmani-Clan durch die städtische Immobilienverwaltung Sprinkenhof AG, die Hafengesellschaft Port Authority, die Bodenkommission und die Kreditkommission gegeben hat. Das ist mutig, denn den größeren Teil ihrer Geschäfte wickelten die Brüder bereits zu einem Zeitpunkt ab, als es in Hamburg noch SPD-Bürgermeister gab. »Rückhaltlose Aufklärung« auf der Bürgerschaftssitzung am 23. August fordert SPD-Fraktionschef Neumann trotzdem.

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