Hamburg hat das zwangsweise Erbrechen klammheimlich eingestellt
In Hamburg zieht die Justizbehörde nun doch Konsequenzen aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der vor zweieinhalb Wochen die Zwangsvergabe von Brechmitteln zur Beweissicherung bei Drogendelikten als Verstoß gegen die Menschenrechte bezeichnet hatte. Unmittelbar nach dem Urteil hatte die Hamburger Behörde diese Konsequenz noch mit dem Argument abgelehnt, das Strasbourger Verfahren betreffe nur einen Einzelfall.
In der Zwischenzeit haben sich die Hamburger Verantwortlichen aber klammheimlich dem Vorbild Bremens und Berlins angeschlossen die zwangsweise Brechmittelvergabe wurde einem Bericht des Hamburger Abendblattes zufolge klammheimlich eingestellt. Dagegen feuert seit Freitag die SPD. »Wir Sozialdemokraten sind und bleiben für Brechmitteleinsätze«, erklärte deren innenpolitischer Sprecher Andreas Dressel.
Der Gerichtshof habe die »Drogentoilette« als die »mildere Methode« gegenüber der Brechmittelvergabe anerkannt, erläuterte Justizbehördensprecher Carsten Grote gegenüber Journalisten. In einer solchen »Drogentoilette« sollen verschluckte Drogenpäckchen auf natürliche Weise wieder zum Vorschein kommen. Grote fügte hinzu, Drogendealern werde auf freiwilliger Grundlage das Brechmittel auch weiterhin angeboten. Das sei auch in ihrem eigenen Interesse, denn das Platzen eines verschluckten Drogenpäcken im Magen oder im Darm könne zum Tode führen.
Die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller forderte nun eine Überprüfung sämtlicher Drogenverfahren seit 2003. Sollte sich dabei herausstellen, daß relevante Beweismittel nur unter dieser vom Gerichtshof abgelehnten Methode gewonnen wurden, sei eine Wiederaufnahme der Verfahren unumgänglich. Zudem stelle sich die Frage nach Schadensersatz.
Die Wiederaufnahme eines Ermittlungsverfahrens hat unterdessen die Familie des 2001 in Hamburg während eines Brechmitteleinsatzes ums Leben gekommenen Achidi John gefordert. Diesem hatten Beamte unter Einsatz von Gewalt 2001 eine Nasensonde zur Brechmitteleingabe eingeführt. John brach daraufhin bewußtlos zusammen, ein Arzt wurde jedoch viel zu spät hinzugezogen. Nach dem Tod des 19jährigen hatte die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen gegen die beteiligten Beamten eingeleitet. Doch diese wurden 2002 eingestellt. Fünf Jahre später sei nun aber die Rechtslage nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs anders, erklärten die Anwälte der Familie.
http://www.jungewelt.de/2006/07-29/046.php