Datenschutzbeauftragter Schaar über Geheimdienstkompetenzen und Informationskontrolle

Peter Schaar, geboren 1954 in Berlin, ist seit Ende 2003 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Der studierte Volkswirt war Anfang der 80er Jahre in der Hamburger Verwaltung tätig und wurde 1994 stellvertretender Hamburgischer Datenschutzbeauftragter. Schaar lebt in Hamburg und ist verheirateter Vater zweier Kinder.

ND: Anfang der Woche hat BND-Präsident Ernst Uhrlau eine stärkere internationale Kooperation der Geheimdienste bei der Weitergabe von Informationen gefordert. Was halten Sie davon?

Peter Schaar: Ernst Uhrlau will Informationen so weit wie möglich und nicht nur nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit gestreut wissen. Doch die Informationsweitergabe ist nach deutschem Verfassungsrecht an bestimmte Voraussetzungen gebunden, weshalb ich diese Forderung für problematisch halte.

Auch die Bundesregierung hat gerade eine Erweiterung der Anti-Terror-Gesetze beschlossen. Konto- und Telekommunikationsdaten können leichter angezapft werden.

Dieser Gesetzentwurf ist mit einem völlig veralteten Bericht aus dem Bundesinnenministerium begründet, in dem nur Maßnahmen bis 2004 ausgewertet sind. Es ist schon ziemlich mutig, damit jetzt eine Ausweitung von Geheimdienstkompetenzen zu begründen. Danach sollen die Befugnisse von BND und MAD so ausgeweitet werden, dass sie denen des Bundesamtes für Verfassungsschutz entsprechen. Bevor ein neues Gesetz verabschiedet wird, sollte es einen aktualisierten Evaluationsbericht geben, der dann zunächst auch im Bundestag gründlich beraten werden muss. Noch ist es dafür nicht zu spät.

Im Koalitionsausschuss haben CDU und SPD größeren Informationspflichten für Fluggesellschaften, Banken, Post- und Telekommunikationsunternehmen bereits zugestimmt.

Eine Auskunftspflicht besteht nicht! Die Dienste haben die Befugnis, Daten abzufragen, doch eine Pflicht zur Beantwortung entsteht daraus nicht. Leider hat sich das Bundesinnenministerium dazu mehrfach missverständlich geäußert. Trotzdem ist die Befugniserweiterung für den BND problematisch, der damit nun auch das Recht erhalten soll, für seine Aufgabenerfüllung inlandsrelevante Informationen zu erheben.

Das hat die Regierung mit der Hetze von Rechtsextremen und Islamisten begründet. Gewalt könne so besser bekämpft werden.

Dies überzeugt mich nicht. Noch kritischer sehe ich aber, dass nun die Hürden für solche Maßnahmen gesenkt werden. Beispielsweise konnte es Datenanfragen bei Fluggesellschaften bisher nur auf Anordnung des Bundesinnenministeriums auf Antrag des Verfassungsschutz-Präsidenten geben, das dafür zuvor auch die G10-Kommission des Bundestages anhören musste. Diese Anordnungsbefugnis soll jetzt per Dienstanordnung auf einzelne Mitarbeiter des Verfassungsschutzes übertragen werden. Die G10-Kommission wird überhaupt nicht mehr eingeschaltet.

Zugriff sollen die Geheimdienste auch auf das europaweite Schengener Informationssystem (SIS) haben. Werden damit nicht die Grenzen geheimdienstlicher und polizeilicher Arbeit verwischt?

Ja, denn die Geheimdienste würden durch verdeckte Ausschreibungen Informationen an die Polizeibehörden übermitteln, während andererseits polizeiliche Informationen direkt an die Nachrichtendienste gehen könnten. Das aber halte ich bereits mit Blick auf die unterschiedliche Kontrolldichte für sehr problematisch, denn Maßnahmen der Polizei können – anders als nachrichtendienstliche Aktivitäten – von Gerichten überprüft werden. Auch gibt es grundlegende Unterschiede hinsichtlich der jeweiligen Befugnisse. Nachrichtendienste dürfen weit im Vorfeld beobachten und dabei auch »weiche« Daten sammeln, haben aber keine Exekutivbefugnisse. Der Trennungsgrundsatz zwischen Polizei und Geheimdiensten hat Verfassungsqualität, weshalb ich hier verfassungsrechtliche Probleme sehe.

Besorgnis haben Vorgänge bei der belgischen Firma SWIFT ausgelöst, die als Dienstleister im internationalen Zahlungsverkehr tätig ist. Diese hat Finanztransaktionsdaten aus ganz Europa an die CIA weitergeleitet. Wie kann man sich davor schützen?

Sicherlich muss bei Geldüberweisungen in die USA auch das US-Recht beachtet werden. Doch wenn es um Überweisungen an Drittländer geht, hätte SWIFT die Daten nicht weiterleiten dürfen. Die EU-Kommission und die europäischen Regierungen stehen jetzt in der Pflicht, solch rechtswidrigen Zugriffen vorzubeugen.

»Big brother is watching you«. Diesen Eindruck hatte man auch bei der Fußball-WM. Besteht nicht allmählich die Gefahr einer Totalüberwachung?

Es gibt in der Tat die Gefahr einer Überwachungsgesellschaft. Nicht nur auf Grund staatlicher Aktivitäten, sondern auch weil sich viele Bürger mit einer solchen Überwachung einverstanden erklären. Ich würde deshalb auch nicht vom Überwachungsstaat sprechen. Wenn es zum Beispiel, wie jetzt in Sachsen, um einen Gentest für bis zu 100 000 Menschen geht, trifft dies auf viel Verständnis in der Bevölkerung. Nicht nur hier sehe ich noch sehr viel Arbeit für uns Datenschützer.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=94387&IDC=2