Friedensbewegung bereitet Proteste gegen Bush-Besuch in Stralsund vor. Linkspartei-Minister wollen sich an Antikriegsaktivitäten beteiligen möglicherweise fernab in Greifswald
Während US-Präsident George W. Bush in Camp David und Bagdad in den vergangenen Tagen mit seinen Getreuen das weitere Vorgehen im besetzten Irak beraten hat, haben sich Vertreter der deutschen Friedensbewegung auf die Proteste gegen dessen Besuch in Stralsund verständigt. Die Vorbereitungen für die Staatsvisite in Mecklenburg-Vorpommern Mitte Juli laufen auf Hochtouren. Im Mittelpunkt der Aktionsplanung stehen zwei Demonstrationen, die am 14. Juli in Stralsund stattfinden sollen, wie Monty Schädel, Bundessprecher der »Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsgegnerInnen« (DFG-VK) am Dienstag gegenüber junge Welt bestätigte. Doch schon für den Abend zuvor sind zahlreiche dezentrale Kundgebungen und Veranstaltungen in über 30 Städten so etwa in Düsseldorf, Berlin, Hamburg, Bremen, Dortmund, Bochum, Frankfurt (Main), Potsdam sowie in Essen und Worms vorgesehen. Wie die Aktionen in Stralsund stehen auch sie unter dem Motto »Not welcome, Mr. President. Bush und Merkel: Kriege beenden Kriegsplanungen stoppen«.
Während sich die Friedensbewegung sehr einig zeigt, gibt es in der Linkspartei.PDS durchaus unterschiedliche Orientierungen. Für eine Teilnahme an den Aktionen in Stralsund mobilisiert etwa der örtliche Linkspartei-Kreisvorsitzende Marc Quintana Schmidt, der dem »Kriegstreiber Bush« direkt vor Ort entgegentreten möchte. Der Landesvorstand seiner Partei hält das für unrealistisch und möchte deshalb zu einem Friedensfest ins 35 Kilometer entfernte Greifswald einladen. Erfahrungen beim Bush-Besuch in Mainz hätten gezeigt, daß Aktionen vor Ort unrealistisch seien, rechtfertigte Linkspartei-Sprecher Kay Spieß Planungen für Fernabproteste.
Inhaltlich will die Friedensbewegung vor allem die Kriegs- und Hegemonialpolitik der US-Administration sowie die »arrogante Machtpolitik« des Präsidenten angreifen. Von der Bundesregierung verlangt sie, mögliche Kriegsaktionen gegen den Iran nicht zu unterstützen. Bisher leiste die Bundesregierung aber »beträchtliche Hilfe für den Kriegskurs der USA«, heißt es in dem Demonstrationsaufruf (siehe unten). Vor allem die »Komplizenschaft mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak« müsse sofort beendet werden. Leider sei nun zu befürchten, daß das Treffen in Stralsund als »Kriegsrat« mißbraucht werde, damit Bush und Merkel dort ihre nächsten Schritte im Konflikt mit Iran abstimmen könnten, sagte dazu Peter Strutynski vom Kasseler Friedensratschlag. Der Protestprofi wies in diesem Zusammenhang auf »nationale Interessen« Deutschlands hin, Konflikte auch militärisch zu lösen, weshalb sich die Friedensbewegung auch klar von Aktionen der NPD abgrenze, die den Bush-Besuch selbst für ihren Landtagswahlkampf nutzen möchte.
Unterschiedliche Haltungen ruft unterdessen die Aktionsorientierung der Linkspartei.PDS hervor. Während DFG-Mann Schädel auf die Mitarbeit der örtlichen PDS im Friedensbündnis, aber auch auf bundesweite Beschlüsse der Friedensbewegung, in Stralsund zu demonstrieren, hinwies, zeigten sich Friedensgruppen aus Hamburg von der Linkspartei irritiert. Deren Aktivisten warnen davor, daß das Greifswalder Friedensfest durch die zuständigen Versammlungsbehörden auch als Einladung dafür mißverstanden werden könnte, Stralsund selbst für Demonstrationen zu blockieren. Positiv ist immerhin, daß sich so Linkspartei-Sprecher Spieß die eigenen Minister an Protesten beteiligen werden.
http://www.jungewelt.de/2006/06-14/006.php
Not welcome, Mr. President!
jW dokumentiert Aufruf der Friedensbewegung
* Am Wochenende trafen sich Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher bundesweiter Friedensorganisationen und lokaler Friedensinitiativen in Berlin, um gemeinsame Aktivitäten anläßlich des Besuchs von US-Präsident Bush in Stralsund zu planen. Der zentrale Aufruf zu Protesten steht unter dem Motto »Not welcome, Mr. President Bush und Merkel: Kriege beenden Kriegsplanungen stoppen!«
Wir empfangen US-Präsident Bush bei seinem Besuch am 14. Juli 2006 in Stralsund mit gebührend breitem Protest. Seine arrogante Machtpolitik wird mittlerweile von einem Großteil der Gesellschaft in den USA abgelehnt. Auch hier muß ihm deutlich gemacht werden, daß er nicht willkommen ist.
Von der Gastgeberin, Bundeskanzlerin Merkel, verlangen wir, daß sie keine Kriegsaktionen gegen den Iran unterstützt. Alle bisherigen Versuche, politische Probleme militärisch zu lösen, sind opferreich gescheitert. Krieg darf kein Mittel der Politik mehr sein! Ein Krieg gegen Iran würde nicht nur viele Menschenleben kosten und die Infrastruktur des Landes zerstören. Die Zivilgesellschaft, die in Frieden und frei von Unterdrückung, solidarisch und demokratisch leben will, würde zerschlagen werden. Dennoch läßt die US-Regierung keinen Zweifel daran, den Iran militärisch angreifen zu wollen.
Selbst den Einsatz eigener Atomwaffen will sie nicht ausschließen. Widerspruch aus Europa kann diese Pläne verhindern. Die Bundesregierung leistete bereits beträchtliche Hilfe für den Kriegskurs der USA: durch die Nutzung der hier gelegenen Militärflughäfen, durch die Bewachung der US-Militäreinrichtungen; durch den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und am Horn von Afrika sowie durch die Ausbildungs- und Materialhilfe für irakische Truppen. Diese Komplizenschaft muß beendet werden!
Die Bundesregierung hat erstmals im Krieg gegen Jugoslawien 1999 das völkerrechtlich verbindliche und im Grundgesetz verankerte Verbot des Angriffskrieges gebrochen. Sie betreibt zielstrebig den Umbau der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Interventionsarmee. Mit dem angekündigten neuen »Weißbuch« des Verteidigungsministers Jung sollen der »Verteidigungsfall« umdefiniert und weltweite Kampfeinsätze der Bundeswehr gerechtfertigt und zum Normalfall erklärt werden. Innenpolitisch begleitet den sogenannten »Kampf gegen den Terror« ein zunehmender Abbau sozialer Leistungen und demokratischer Rechte. Bald soll die Bundeswehr auch im Inneren eingesetzt werden. Die Fußballweltmeisterschaft dient als erster Probelauf.
Innenminister Schäuble will durch Folter beschaffte Informationen verwerten und so das weltweite Folterverbot durchlöchern. Die US-Regierung braucht die europäischen Staaten als enge Verbündete für ihre »Koalition der Willigen«, um weitere »Kriege gegen den Terror« führen zu können. Aber die Kriege der USA sind selbst Terror und Quelle immer neuer Gewalt. Tatsächlich geht es ihnen um die Kontrolle der wichtigsten Öl-und anderer Energiequellen im Nahen und Mittleren Osten bis nach Zentralasien.
Wir fordern:
Kein Krieg gegen den Iran
Abzug der Besatzungstruppen aus Irak und Afghanistan
Schluß mit der Beteiligung von NATO, EU und Bundeswehr an den Kriegen weltweit
Bestrafung aller Verantwortlichen für Folter, Mißhandlung von Gefangenen und Angriffen gegen Zivilisten
Eine Atomwaffenfreie Zone in der Region des Nahen und Mittleren Ostens
Eine neue internationale Initiative zu weltweiter systematischer atomarer Abrüstung, wie im Atomwaffensperrvertrag festgelegt
Einrichtung einer ständigen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten
Keine Kriege um Öl oder andere Ressourcen: Ausstieg aus Atom- und fossiler Energie, Einstieg in erneuerbare Energien
Dafür treten wir ein:
Um die drängenden Probleme der Menschen global friedlich lösen zu können, braucht die Welt keine Kriegsallianzen, wie sie z.B. bei den G-8-Gipfeln geschmiedet werden, sondern Abrüstung und solidarische Zusammenarbeit. Wir wollen die Respektierung des Völkerrechts, staatlicher Souveränität und Grenzen sowie ein ziviles und soziales Europa mit der Verpflichtung zur Abrüstung. Wir brauchen vorrangig öffentlich geförderte Arbeitsplätze und Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit und Umweltschutz. Dafür werden wir gemeinsam am 14. Juli in Stralsund und am 13. bzw. 15. Juli überall im Land demonstrieren!
http://www.jungewelt.de/2006/06-14/008.php