Zwei Drittel der Linksfraktion im Landtag gegen Verwaltungsreform

Unmittelbar vor Beginn des Landesparteitages der Linkspartei.PDS in Mecklenburg-Vorpommern an diesem Wochenende hat sich der Streit um die Zustimmung zum »Verwaltungsmodernisierungsgesetz« der SPD-geführten Landesregierung zugespitzt. In offenen Briefen begründeten Gegner und Befürworter des nach Aussage von Linkspartei-Arbeitsminister Helmut Holter »wichtigsten Reformvorhabens« der Landesregierung, ihren jeweiligen Standpunkt, denn in der Landtagsfraktion hatten acht der insgesamt zwölf Abgeordneten eine Ablehnung des Gesetzes angekündigt. Drei von ihnen wollen ihren Standpunkt nur überdenken, wenn sich der Landesparteitag für das Gesetz ausspricht. Erst dann hätte die Landesregierung im Landtag wieder eine Mehrheit. Ohne eine Mehrheit in dieser Frage sei damit aber die »Regierungsunfähigkeit der PDS« erwiesen, hatte SPD-Landeschef Till Backhaus schon vor Beginn des Parteitags warnend festgestellt.

Doch ob die Linkspartei am Sonnabend in Sternberg dem Reformvorhaben zustimmt, ist fraglich. Eindringlich haben sieben Landtagsabgeordnete die Delegierten zum Gegenteil aufgefordert. Sie lehnen vor allem die Bildung von fünf regionalen Großkreisen ab, die nun an Stelle der bisher 18 Kreise und kreisfreien Städte treten sollen. Überraschend hatte zudem Mitte der Woche auch Sozialministerin Marianne Linke (Linkspartei) ihre Ablehnung des Gesetzesvorhabens bekundet. Linke fürchtet um die kommunale Selbständigkeit der Insel Rügen, die nach dem Verwaltungsgesetz künftig zum Großkreis Nordvorpommern gehören soll. Auf Widerstand trifft zudem, daß mit dem Gesetz rund hundert Behörden entweder zusammengelegt oder aufgelöst sowie zahlreiche Landesaufgaben privatisiert werden sollen. 35 Parteitagsdelegierte haben einen Antrag eingereicht, mit dem der Parteitag das Gesetzesvorhaben ablehnen soll.

Die Delegierten stehen unter Druck, denn sämtliche Kreistage des Landes haben das neue Gesetz abgelehnt, an dessen Ausarbeitung auch Linkspartei-Arbeitsminister Holter beteiligt war. Die Kommunalpolitiker befürchten, daß sich durch die Großkreise die Politik noch weiter vom Bürger entfernt. Delegierte der Linkspartei fordern nun Nachverhandlungen im Koalitionsausschuß.

Das aber werde der Koalitionspartner SPD nicht mitmachen, sagte Linkspartei-Landeschef Peter Ritter vor Beginn des Parteitags. Er fürchtet einen »Koalitionsbruch« mit unabsehbaren Folgen sechs Monate vor den Landtagswahlen. Diese Gefahr sehen auch die Bundestagsabgeordneten Dietmar Bartsch, Heidrun Bluhm und Martina Bunge, die ebenfalls einen »offenen Brief« an die »lieben Delegierten« schrieben. »Diese Kröte« – gemeint ist das Gesetzesvorhaben – müsse geschluckt werden, denn das werde nun »zur faktisch entscheidenden Frage über den Fortbestand« der Koalition. Augen zu und durch fordert auch Wulf Gallert, Fraktionschef der Linkspartei in Sachsen-Anhalt, der sich Hoffnungen auf ein »drittes rot-rotes Regierungsbündnis« macht. Daraus wird aber nichts, wenn zuvor die Musterkoalition im Nordosten platzt. Dort unkte nun auch SPD-Fraktionsvorsitzender Volker Schlotmann, daß eine Ablehnung des Reformvorhabens durch die Linkspartei, für ihn nachweisen würde, daß dort im Zweifel »fundamental-oppositionelle Kräfte« das Sagen hätten, womit die Koalition in Frage gestellt sei.

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