Massiver Einsatz von Polizei und Milizen in Teheran. Gewerkschaft ruft zu weiteren Aktionen auf
[Der nachfolgende Beitrag ist ein Gemeinschaftsprodukt zusammen mit dem Müncher Journalisten Nick Brauns]
Die seit Wochen andauernden Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaft und Polizei in der iranischen Hauptstadt Teheran sind am Wochenende eskaliert. Dabei soll es zur Festnahme von Hunderten Arbeitern und ihren Familien gekommen sein. Für Samstag hatte die staatlich nicht anerkannte Verkehrsarbeitergewerkschaft Vahed zu einem Streik aufgerufen. Neben besserer Bezahlung forderten die Busfahrer die Legalisierung ihrer Gewerkschaft und die Freilassung ihres Vorsitzenden Mansur Ossanlou. Ossanlou war am 22. Dezember inhaftiert worden. Ihm soll nun ein politischer Prozeß wegen »Kontakten zu ausländischen Organisationen« gemacht werden. Als Beweis dient ein Spendenkonto mit den Solidaritätsgeldern ausländischer Gewerkschaftsaktivisten.
Teherans Bürgermeister Mohammad Baqer Qalibaf, ein ehemaliger General der Revolutionsgardisten Pasdaran, erklärte den Streik für illegal, da die Gewerkschaft nicht offiziell registriert sei. Offensichtlich sollten gemeinsam mit der Polizei paramilitärische Milizen – die sogenannten Revolutionswächter – den Streik im Keim ersticken. So wurden 100 Streikposten bereits in der Nacht zum Samstag verhaftet. Zudem waren nach vorliegenden Augenzeugenberichten an allen Busdepots Tausende Sicherheitskräfte postiert, die Streikwillige verprügelten und Hunderte Personen festnahmen. Teilweise wurden Busfahrer mit Waffengewalt zum Dienst gezwungen. Auch die Bushaltestellen wurden belagert, um Solidaritätskundgebungen zu verhindern. Doch die Busfahrer geben nicht auf. 500 Verhaftete sind nach Angaben der Gewerkschaft am Sonntag früh in einen Hungerstreik getreten, und für Donnerstag rufen Aktivisten erneut zum Streik auf. Dann soll es zudem eine Solidaritätskundgebung in Teheran geben.
Die Bedeutung des Ausstandes ergibt sich auch aus der Tatsache, daß nach iranischem Gesetz Gewerkschaften eigentlich verboten sind. Als Interessenvertretung für einzelne Betriebe sind lediglich »islamische Arbeiterräte« zugelassen. Der erst im Juni 2005 gegründeten Vahed-Gewerkschaft gehört nach eigenen Angaben rund die Hälfte der 16000 Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Nahverkehrs im Großraum Teheran an.
http://www.jungewelt.de/2006/01-31/024.php