Der sogenannte Bürokratieabbau in Schleswig-Holstein erweist sich als Stellenkahlschlag mit verheerenden Folgen
In Schleswig-Holstein hat die CDU/SPD-Landesregierung »die größte Verwaltungsreform in der Geschichte des Landes« beschlossen, wie Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) am Mittwoch im Landtag stolz zu berichten wußte. Doch was Carstensen als »Bürokratieabbau« feierte, entpuppt sich in Wirklichkeit als Kahlschlag. Von 8000 Stellen der Landesverwaltung werden nun 2130 gestrichen. Aufgelöst werden dabei ganze Ämter, wie das »Landesamt für Gesundheit und Arbeitssicherheit« oder auch das »Landesamt für Natur und Umwelt«. Die Schlüssel lauten »Aufgabenkritik und -verzicht« minus 570 Stellen, »Ausgliederung und Privatisierung« minus 250 Stellen, »Prozeßoptimierung« minus 90 Stellen und »Übertragung von Aufgaben an Kreise und Kommunen« minus 1220 Stellen.
Die Folgen sind verheerend. Um etwa staatliche Forstverwaltungen aufzulösen, wird das Land 50000 Hektar Wald verkaufen. Mit der Schließung der Landesämter werden zentrale politische Steuerungsinstrumente aus der Hand gegeben. Daß selbst die Auflösung der Landesverwaltung für den Nationalpark Wattenmeer zeitweilig in Erwägung stand (was erst nach Protesten zurückgenommen wurde), zeigt die ganze Richtung dieser »Reform«, bei der es nicht um »Bürokratieabbau«, sondern ums reine Einsparen und die Deregulierung landespolitischer Aufgaben ging. Insgesamt 800 solcher Pflichtaufgaben sind nun wegreguliert und damit dem Chaos des Marktes oder archaisch anmutenden Kleinstkommunen überantwortet worden. Hinzu kommt ein Qualitätsverlust aus stärkerer Arbeitsbelastung der verbliebenen Mitarbeiter, wenn etwa Stellenstreichungen im Landesbetrieb Verkehr nun durch simple Zusammenlegung von Straßenbaumeistereien wieder aufgefangen werden sollen. Detaillierte Regelungen wird es dafür ab Juni geben.
Dem Wald sei es egal, für wen er Sauerstoff produziert, verteidigte Carstensen die Grundlinie seines Plans. Doch der Wald ist nicht nur Sauerstoff-, sondern auch Erholungsspender für Millionen Menschen. In Bayern führte schon die Umwandlung von Forstbetrieben in »Körperschaften öffentlichen Rechts« zu Einschränkungen der Waldbenutzung, wobei auch Bürger teilweise zur Kasse gebeten wurden. Neu sind solche Überlegungen auch an Nord- und Ostsee nicht, wo schon die »rot-grüne« Landesregierung vor vier Jahren laut über »Eintrittsgelder« (entsprechend den Nationalparks der USA) nachdachte. Als Bumerang wird sich auch die Übertragung von Aufgaben an die Kommunen erweisen. Selbst in chronischer Finanznot, werden sie Qualitätsstandards für die Bürger nicht halten können. Und Carstensens Staatssekretär Klaus Schlie (CDU) bastelt schon an einem weiteren Brocken, bei dem auch Schulen, Justiz- und Finanzämter auf dem Prüfstand stehen.
Kritik an alledem hält sich in Grenzen. Für die FDP geht alles nur nicht schnell genug. So sehen es auch die Grünen, die sich ernsthaft beklagten, daß »nur« 2100 Stellen, nicht aber 2650 gestrichen worden seien, wie sie es selbst als Regierungspartei geschafft hätten. Ernsthaft böse sind sie aber nur wegen der Streichung ihres Lieblingsamtes für Umwelt und Natur. Partielle Kritik auch nur beim Südschleswigschen Wählerverband, der nicht mehr weiß, ob und wer nun die Zuschüsse für dänische Schulkinder zahlt. Und während der DGB die Auflösung des Arbeitsschutzamtes beklagt, macht sich das Kinderhilfswerk Gedanken, wo die Mitwirkung von Kindern an der »Gestaltung kinderfreundlicher Gemeinden« nun bleibt.
Von Grundsatzkritik aber keine Spur. Fehlanzeige auch bei der Linken, die in dieser Angelegenheit eher den Schlaf der Gerechten schläft.
http://www.jungewelt.de/2006/01-27/038.php