Hamburgs Hafenarbeiter wollen Mehrheitsverkauf der HHLA an die Bahn AG nicht zulassen. Auch längerer Arbeitskampf ist nicht ausgeschlossen. Ein Gespräch mit Gerd Müller
* Gerd Müller ist Mitglied des Gemeinschaftsbetriebsrates der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA)
F: Trotz aller Kritik hält der Hamburger Senat an einem Mehrheitsverkauf der HHLA an die Deutsche Bahn AG fest. Schon im Februar sollen fertige Verträge vorliegen. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Als Betriebsrat haben wir uns immer gegen einen Mehrheitsverkauf der HHLA ausgesprochen, gleich an wen. Darüber existieren mit dem Haupteigner, also der Freien und Hansestadt Hamburg, auch Verträge. Die wurden abgeschlossen, als die HHLA vor einigen Jahren in Einzelgesellschaften aufgegliedert wurde. Doch der jetzige CDU-Senat hält sich nicht an diese Verträge und führt nun schon seit dem Frühjahr Geheimverhandlungen über einen Mehrheitsverkauf der HHLA an die Bahn AG, die erst im Dezember bekannt wurden. Einen solchen Verkauf werden wir nicht zulassen.
F: Hamburgs Wirtschaftssenator erhofft sich über den Mehrheitsverkauf Neuinvestitionen in Höhe von 400 Millionen Euro. Außerdem rechnet die Stadt mit dem Umzug der Bahnzentrale von Berlin nach Hamburg, wodurch 1000 neue Arbeitsplätze entstehen sollen.
Diese Arbeitsplätze werden doch zugleich in Berlin vernichtet. Auf eine solche Standortlogik, bei der Beschäftigte gegeneinander ausgespielt werden, werden sich Hamburgs Hafenarbeiter nicht einlassen. Es ist auch falsch, von Neuinvestitionen zu sprechen. Denn diese Investitionen, von denen der Wirtschaftssenator redet, gibt es auf jeden Fall egal, ob die HHLA nun verkauft wird oder nicht. Sie sind auch schon angeschoben und werden größtenteils aus der HHLA heraus sowie zusätzlich über Kredite finanziert. Diese Investitionen sind nötig, weil die HHLA ein florierendes Unternehmen ist, das im Containerumschlag und im gesamten Arbeitsvolumen ständig wächst. Es sind normale Erweiterungsinvestitionen, für die niemand die Deutsche Bahn AG braucht.
Was eine mehrheitliche Privatisierung für die Beschäftigten heißt, hat schon das Beispiel des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) gezeigt. Ein öffentliches Unternehmen wurde mitsamt seinen Beschäftigten zum Spielball von Finanzinteressen. Auch bei der HHLA könnten Hunderte Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen allein schon durch Rationalisierungsschübe, die vor allem im Verwaltungs- und Logistikbereich zu befürchten sind. Nicht ausgeschlossen wäre es zudem, daß die Bahn einzelne Filetstücke herausbricht, womit die ökonomische Gesamtstärke der HHLA verloren ginge.
F: Wie wollen Sie sich gegen die Privatisierung wehren?
Nachdem bekannt wurde, daß die HHLA verkauft werden soll, haben Hunderte Kollegen kurz vor Weihnachten mit einem Autokorso demonstriert. Wir haben damit deutlich gezeigt, daß wir eine Mehrheitsprivatisierung der HHLA nicht hinnehmen. Jetzt bereiten wir für den 11. Januar den internationalen Aktionstag der europäischen Hafenarbeiter gegen das »Port Package« vor. Wir planen einen 24-Stunden-Boykott. So wehren wir uns gegen diese neue Hafenrichtlinie, mit der die EU-Kommission Hafendienstleistungen europaweit privatisieren will. Da besteht ein enger Zusammenhang auch zu dem, was der Senat jetzt für die HHLA plant. Am 19. Januar werden wir unsere 3500 Mitarbeiter zur ersten Gesamtpersonalversammlung der HHLA einladen. Natürlich in der Arbeitszeit. Auch damit werden wir ein deutliches Signal setzen.
F: Reichen Signale aus?
Wir werden nach und nach weitere Aktionen organisieren, um die öffentliche Debatte im Sinne unserer Interessen zu beeinflussen. Der Senat sollte eigentlich wissen, daß er sich mit der Belegschaft des größten Hamburger Hafenbetriebs anlegt. Wir sind gut organisiert. Wir sind solidarisch und wir sind, wenn es sein muß, auch kampfstark. Zudem sind Hafenarbeiter sehr spontan. Beim Autokorso sind einige Kollegen anschließend gleich zum Rathaus weitergezogen. Daß da eine Bannmeile existiert, die Demonstrationen eigentlich ausschließt, hat sie nicht interessiert.
F: Ist ein längerfristiger Arbeitskampf denkbar?
Bei der jetzigen Stimmung kann ich mir das gut vorstellen.
http://www.jungewelt.de/2006/01-05/022.php