WASG-Landessprecher von NRW kritisiert Lafontaine. Gegen Regierungsbeteiligung, für ein Bündnis mit sozialen Bewegungen. Ein Gespräch mit Wolfgang Zimmermann

* Wolfgang Zimmermann ist Landessprecher der WASG in Nordrhein-Westfalen

F: In einem Interview mit der Berliner Zeitung forderte Oskar Lafontaine, Linkspartei und WASG sollten sich auf Regierungsbeteiligungen im Bund und in den Ländern einstellen. Wie ist Ihre Meinung?

Regierungskoalitionen z. B. mit der SPD sind nur sinnvoll, wenn damit eine Politik im Interesse der Arbeitnehmer, der Rentner und der Erwerbslosen durchgesetzt werden kann. Dafür müßte die SPD ihre Politik um 180 Grad drehen, wofür es nicht die geringsten Anzeichen gibt. Deshalb halte ich diese Debatte für völlig überflüssig.

Wir können eine Mitverantwortung für neoliberale Politik nicht dadurch rechtfertigen, daß ein paar Marginalien durchgesetzt werden. Das hat schon in Berlin nicht funktioniert, wo die SPD-PDS-Landesregierung eine Dimension des Sozialkahlschlags realisiert hat, die ich selbst von einer CDU-Landesregierung nicht erwartet hätte. Immerhin war Berlin auch das erste Bundesland, das aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ausgetreten ist. Wenn Gregor Gysi sagt, daß sich dadurch das Verhältnis zur PDS in der Bundesrepublik normalisiert habe, frage ich mich, was normal daran ist, wenn sich Linke an diesem Kahlschlag im Sozial-, Jugend- und Bildungsbereich beteiligen und zugleich die Privatisierung des öffentlichen Sektors vorantreiben. Linke Politik verliert so jede Glaubwürdigkeit.

F: In einem Thesenpapier hat die Berliner Linkspartei.PDS gerade bekräftigt, daß »linke Umgestaltung« nicht nur Superreiche betreffe, sondern auch »privilegierte Normalos«.

Das ist der Versuch, lohnabhängig Beschäftigte gegen Erwerbslose auszuspielen. Gelingt dies, wird sich die Spirale des Sozialabbaus für alle weiter nach unten drehen. Maßstab für soziale Gerechtigkeit kann doch nicht das allerniedrigste Sozialniveau sein. Dafür hätten wir die WASG nicht gründen müssen. Es ist deshalb irritierend, wenn – neben führenden Politikern der Linkspartei.PDS – nun auch Lafontaine diese Frage der Regierungsbeteiligungen so in den Mittelpunkt rückt. Lafontaine ist schließlich Mitglied der WASG und müßte wissen, daß eine solche Politik mit uns nicht zu machen ist. Im Programm der WASG heißt es eindeutig, daß wir uns an Regierungen nur beteiligen, wenn ein grundlegender Politikwechsel in Richtung unserer Forderungen möglich wird. Anstatt über solche Regierungsbeteiligungen zu reden, sollten wir diskutieren, wie wir ein Bündnis mit sozialen Bewegungen aufbauen können, um so den Widerstand gegen neoliberale Politik auch auf die Straßen und in die Betriebe zu tragen. Das ist die Diskussion, die jetzt notwendig ist.

F: Angenommen, Sie wohnten in Berlin, würden Sie die Linkspartei.PDS bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus unterstützen?

Wenn sie ihre bisherige Politik fortsetzt? Nein. Trotzdem hätte ich es für besser gehalten, wenn die Berliner WASG zunächst über die Inhalte dieser Politik mit der Linkspartei.PDS diskutiert hätte, bevor sie eine Eigenkandidatur in den Mittelpunkt der Debatten stellt.

F: Darüber soll erst in einer Urabstimmung der Mitglieder entschieden werden, die im Februar stattfindet. Gemeinsame Diskussionsforen mit der Linkspartei.PDS, die im Vorlauf geplant waren, sind von dieser abgesagt worden.

Das Vorziehen der Urabstimmung auf den Februar hat der PDS einen Vorwand geliefert, diesen Diskussionsforen fernzubleiben. Würden sie stattfinden, würde ich hoffen, daß auch immer mehr PDS-Mitglieder überzeugt werden können, daß eine solche Regierungsbeteiligung nicht nur für Berlin schlecht ist, sondern auch für den gesamten bevorstehenden Sammlungsprozeß einer neuen Linken. Aber auch die Eigenkandidatur der WASG würde für diesen linken Formationsprozeß eine gefährliche Situation heraufbeschworen. Deshalb hoffe ich auf Vernunft. Ich will aber auch deutlich sagen, daß administrative Maßnahmen gegen unsere Berliner Landesorganisation vollkommen ausgeschlossen sein sollten.

http://www.jungewelt.de/2005/12-30/019.php