Hamburg: Protest gegen den Mehrheitsverkauf der Hafen- und Logistikgesellschaft und der Hochbahn an die Deutsche Bahn AG

Mit einem Autokorso durch das Hafengelände demonstrieren am heutigen Donnerstag Hunderte Mitarbeiter der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) und der Hamburger Hochbahn (HHA) gegen einen Mehrheitsverkauf ihrer Unternehmen an die Deutsche Bahn AG. Der Senat der Hansestadt bereitet ihn seit Wochen vor. Höhepunkt der Aktion soll die Rushhour um 16 Uhr sein, wenn der Konvoi die Köhlbrandbrücke erreicht. Damit solle ein Verkehrschaos ausgelöst werden, wie es die Stadt schon lange Zeit nicht erlebt habe. Doch werde dies nur der Auftakt der Proteste sein, sagte HHLA-Betriebsratschef Fred Timm gegenüber jW und wollte auch Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Privatisierung nicht mehr ausschließen.

Schlagzeilen zum Thema hatte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) schon vor Wochen ausgelöst, als er den Deal zur Privatisierung beider Unternehmen an die Forderung koppelte, die Bahn müsse ihre Konzernleitung von Berlin nach Hamburg verlegen. Strukturpolitische Gründe ließen Derartiges nicht zu, beendete ein Sprecher der Bundesregierung schließlich die Debatte, der auf hohe Arbeitslosigkeit auch in der Berliner Region verwies. Doch davon unbeeindruckt, halten Hamburgs CDU-Politiker an ihrer Forderung fest. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) bezeichnete erst am Dienstag die Verlagerung der Bahn-Zentrale von Berlin nach Hamburg als eine »große Chance«. Auch Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) argumentierte ähnlich und will nun 74 Prozent aller Anteilswerte von HHLA und HHA an die Bahn AG übertragen. Hamburgs Senatoren geht es dabei weniger um Erlös (der reinvestiert werden soll), sondern um »ökonomische Expansion«, die man sich an der Elbe durch die Beteiligung an den weltweiten Geschäftsverbindungen der Bahn AG verspricht. So hob Peiner in diesem Zusammenhang das neue Standbein der Bahn AG in den USA hervor: die Logistikfirma Bax Global, mit deren Hilfe es der Stadt auch besser gelingen könne, die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen anzukurbeln. Das abweichende Votum der Bundesregierung kommentierte Peiner wie folgt: Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsminister stünden dem Hamburger Projekt schon »sehr aufgeschlossen« gegenüber, nur Innenminister Wolfgang Schäuble blockiere noch ein wenig und müsse deshalb überzeugt werden.

Diese Einschätzung teilen SPD, FDP, Grüne, Linkspartei und WASG, aber auch Handwerks- und Handelskammer in der Hansestadt nicht. Auch der gegenwärtige Aufsichtsrat der HHLA sieht große Probleme: Insbesondere ein Mehrheitsverkauf der HHLA führe dazu, daß die weitere Hafenentwicklung dann politisch kaum noch zu beeinflussen und damit für die Stadt auch unkalkulierbar sei. Sogar vier Bürgerschaftsabgeordnete der CDU haben sich deshalb gegen den Mehrheitsverkauf der HHLA ausgesprochen.

Wenn die Bahn AG 2008 an die Börse geht, hat sie nur als profitorientiertes und breitgefächertes Logistik-Unternehmen ökonomisch eine Chance. Experten meinen, dafür müsse das klassische Schienengeschäft auf maximal 30 bis 40 Prozent des jetzigen Umsatzes heruntergebrochen werden. Doch mit der HHLA würde die Bahn auch einen Konzern übernehmen, der allein durch den Umschlag von 4,6 Millionen Standardcontainern jährlich, aber auch durch Beteiligungen, Immobilien und Dienstleistungen im Hinterlandtransportsystem, schon jetzt zu den größten Logistikern in Deutschland gehört. Der Zugriff auf die HHA – größtes Personenverkehrsunternehmen der Stadt – verschafft der Bahn gleichzeitig mehr Gewicht im Hamburger Verkehrsverbund (HVV), der wiederum eng mit den Nahverkehrssystemen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen verflochten ist. Kritiker fürchten deshalb, die Bahn könne im Zusammenhang mit dem Börsengang durch gezieltes Ausschlachten beider Unternehmen versuchen, im Hinterlandverkehr der Seehäfen in Hamburg, Bremen und Kiel eine Monopolisierung zu erreichen. Das wäre für die außerhalb der Bahn verbliebene Hafenwirtschaft ein teures Vergnügen und würde für manchen Hafenarbeiter den Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten.

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