WASG Nordrhein-Westfalen kritisiert den Haushaltsentwurf der CDU/FDP-Landesregierung. Protestaktionen angekündigt
Als erneuten Beweis »neoliberaler Brutalpolitik gegenüber weiten Teilen der Bevölkerung« hat die WASG in Nordrhein-Westfalen den Haushaltsentwurf 2006 der CDU/FDP-Landesregierung bezeichnet. Seit Ende vergangener Woche wird dieser im Landesparlament debattiert. Der haushaltspolitische Kahlschlag in NRW konzentriert sich demnach im nächsten Jahr vor allem auf das Landespersonal und auf den Kinder- und Familienbereich, was die Kluft zwischen arm und reich verschärfe, wie die WASG in einer Erklärung hervorhob. Heftig kritisieren auch die im Landtag vertretenen Oppositionsparteien SPD und Grüne den Haushaltsentwurf. Im Zentrum ihrer Kritik steht, daß der Haushalt Vorgaben der Landesverfassung nicht entspreche. Zudem habe Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) damit Wahlversprechen gebrochen, weil dieser vor der Landtagswahl den Kinder- und Familienbereich zum Schwerpunkt seiner Politik machen wollte. Allein dort werden jetzt 220 Millionen weggekürzt.
Nach dem Entwurf bemißt sich der Haushalt auf 48,5 Milliarden Euro. Damit ist der Haushaltsansatz im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Milliarden Euro reduziert. Den größten Anteil der Einsparungen sollen Kürzungen beim Landespersonal erbringen. Die Landesregierung will allein im nächsten Jahr 2 260 und bis zum Ende der Legislatur über 10 000 Stellen beim Landespersonal streichen. Zudem sollen ein Gehaltsstopp, die Streichung des Weihnachtsgeldes und Arbeitszeiterhöhungen für Beamte Haushaltsentlastungen bringen. Doch auch die Angestellten sollen Gehaltskürzungen hinnehmen. Bluten müssen zudem die Arbeitsmarktprogramme (minus 28,6 Millionen Euro), die Kindergärten (minus 117 Millionen Euro), der Jugendhilfebereich (minus 21 Millionen Euro), die Flüchtlingsaufnahme (minus 36 Millionen Euro), die Volkshochschulen (minus 24 Millionen Euro), die Krankenhäuser (minus 24 Millionen Euro) und schließlich der soziale Wohnungsbau (minus 33 Millionen Euro).
Doch katastrophal sind nicht nur die nominellen Haushaltskürzungen. Der Haushaltsentwurf schichtet verschiedene Haushaltsvolumen tiefgreifend um. Um 2,6 Milliarden Euro sollen demnach die Investitionsmittel sinken, deren Ansatz jetzt bei 4,5 Milliarden Euro liegt. Da aber zur Deckung des Haushaltes trotz der Einsparungen zusätzliche Kredite in Höhe von 5,9 Milliarden Euro aufgenommen werden müßten, sprechen SPD und Grüne nun von einem Haushaltsentwurf, der den Verfassungsvorgaben des Landes nicht entspreche. Hintergrund: Die Landesverfassung schreibt vor, daß die Summe der Investitionskosten nicht kleiner sein darf als die Nettoneuverschuldung. Solcherart gesetzliche Vorgaben solle man »flexibel« handhaben, kontert die Landesregierung. Ein schwaches Argument. Trotzdem rechnen Beobachter kaum damit, daß nun Grüne und SPD vor das Verfassungsgericht ziehen werden; auch in ihrer Regierungszeit sind sie haushaltspolitisch nur mit ständigen Nachtragshaushalten über die Runden gekommen, bei denen sie den Verfassungsvorgaben wenig Beachtung schenkten. Das dahinter liegende Problem wird aber nicht kleiner, denn Experten schätzen, daß allein bei den kleineren Handwerksbetrieben des Landes ein jährliches Auftragsvolumen von über einer Milliarde Euro fehlen wird, was die Pleitewelle und die Arbeitslosigkeit ansteigen lassen wird.
Grundsätzlich stellt sich solch haushaltspolitischer Sachzwanglogik in NRW nur die WASG entgegen, die den Haushaltsentwurf als »Sparpaket sozialer Kälte« geißelte. Statt Einsparungen vorzunehmen, solle sich die Landesregierung lieber um die Erhöhung ihrer Einnahmen kümmern, sagte Edith Fröse, haushaltspolitische Sprecherin der NRW-WASG, gegenüber junge Welt. Fröse rechnete vor: Allein die Einstellung von 200 neuen Steuerprüfern brächte dem Land Mehreinnahmen von 1,2 Milliarden Euro. Doch Steuerbetrüger zur Kasse zu bitten, hielt schon die SPD/Grünen-Vorgängerregierung unter Peer Steinbrück (SPD) für nicht angebracht, weshalb Fröse von einer »nahtlosen Fortsetzung« einer bereits »gescheiterten Politik« spricht. Protestaktionen haben auch die Gewerkschaften angekündigt, die sich gegen die Absenkung des Weihnachtsgeldes und den Personalabbau wehren.
http://www.jungewelt.de/2005/12-19/017.php