Landesverbände der Wahlalternative kritisieren Ergebnisse des Parteitages der Linkspartei. Debatte um Koalitionspolitik verschärft sich

Nachdem WASG-Vertreter aus Hamburg, Bremen und dem Saarland scharfe Kritik am »rot-roten Koalitionsgeschwätz« und einer »ausgrenzenden Rhetorik« des Dresdner Parteitags der Linkspartei geübt hatten (junge Welt berichtete), kommt diese nun auch aus den mitgliederstärksten Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Hinterfragt wird auch das Kooperationsabkommen samt Doppelmitgliedschaft, das auf dem Parteitag der Linkspartei am letzten Wochenende in Dresden beschlossen wurde. So will die Berliner WASG führende Linkspartei-Politiker nicht aufnehmen. Ein Aufnahmeantrag von Stefan Liebich, Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, wird als »Provokation« bezeichnet, denn dieser hatte die örtliche Wahlalternative erst kürzlich erneut als »Gurkentruppe« bezeichnet.

Es bestehe der Eindruck, daß »führende PDS-Politiker an einer ernsthaften, gleichberechtigten und breit geführten Diskussion« zum politischen Profil einer neuen Linken nicht wirklich interessiert sind, sagte Wolfgang Zimmermann, WASG-Landessprecher in NRW, gegenüber junge Welt. Auch den Koalitionsambitionen für 2009 erteilte er eine klare Absage. Daß sich Oskar Lafontaine anders geäußert habe, sei »bedauerlich«, ändere daran aber nichts. Hingegen müsse die Linke Debatten darüber vertiefen, wie sie gegen »jedwede Form neoliberaler Politik« besser agieren könne. Von einer kurzfristigen Verschmelzung durch Doppelmitgliedschaften hält Zimmermann nichts. Zur Förderung politischer Debatten will er nun in NRW eine Koordinierungsstelle schaffen, der ebenso Mitglieder anderer linker Gruppen angehören sollen. Auch NRW-Linkspartei-Landessprecher Paul Schäfer hatte zuvor eine größere Offenheit angemahnt, bei der er namentlich u. a. die DKP erwähnte.

Als »völlige Desorientierung« bezeichnete Bernd Riexinger, Vorsitzender der WASG in Baden-Württemberg, die Koalitionsambitionen der Linkspartei. »Skandalös« nannte er am Freitag gegenüber junge Welt die Äußerung des Linkspartei-Vorsitzenden Lothar Bisky, »nicht alle Linken« auf den gemeinsamen Weg einer »Neuen Linken« mitnehmen zu wollen. Das zeige ein »technokratisches Verständnis«, während die »Neue Linke« doch tatsächlich nur als Teil breiter gesellschaftlicher Oppositionsbündnisse zu entwickeln sei.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen mehren sich die kritischen Stimmen gegenüber der Linkspartei. In Mecklenburg-Vorpommern will WASG-Landessprecher Karsten Dorre schon vor den Landtagswahlen geklärt haben, ob und unter welchen Bedingungen die Koalitionspolitik danach fortgesetzt werde. In Leipzig fordert die Basis, ein »gemeinsamer Wahlantritt mit der Linkspartei« setze zuvor einen »grundlegenden Kurswechsel« auch in Berlin voraus. In Niedersachsen wehrt sich Frerich Rüst vom Landesvorstand gegen »unkontrollierte Masseneintritte aus der Linkspartei«. Ähnlich äußerten sich Kreisvorstände in Lübeck, Ostholstein und Lauenburg. Gerade in Schleswig-Holstein waren etliche Mitglieder der Linkspartei in den letzten Tagen der WASG beigetreten. Zudem zirkuliert in verschiedenen Landesverbänden der WASG ein Antrag an den Bundesparteitag im März, der das Kooperationsabkommen mit der Linkspartei verändern möchte. So sollen darin »parteienrechtlich verbürgte demokratische Entscheidungsrechte« der WASG-Gliederungen garantiert werden. Das bezieht sich auch auf das Recht, eigenständig zu kandidieren.

http://www.jungewelt.de/2005/12-17/019.php