Delegiertenkritik am Dresdner Parteitag der Linkspartei. WASG-Mitglieder fordern statt Koalitionsbestrebungen klare Oppositionspolitik

Als »schlimmsten Parteitag«, den sie je miterlebt hätten, schilderten Parteitagsdelegierte der Linkspartei aus Hamburg am Montag frustriert ihre Eindrücke vom Dresdner Parteitag gegenüber junge Welt. Die Delegierten seien vor allem zum »Abnicken« fertiger Beschlüsse gebraucht worden. Erschrocken über den Parteitagsverlauf zeigen sich auch Mitglieder der WASG. Sie stellen sich die Frage, ob ein solcher Stil den Fusionsprozeß zwischen Linkspartei und WASG bestimmen soll. »Schockiert« ist beispielsweise Bremens WASG-Vorstandssprecher Wolfgang Meyer insbesondere vom »rot-roten« Koalitionsgeschwätz, das nun mit Dresden fast schon den Rang eines »strategischen Ziels« für die Bundestagswahlen 2009 bei der Linkspartei eingenommen habe. Berlin habe deutlich gezeigt, daß solcherart »alte PDS-Politik« längst gescheitert sei, sagte Meyer. Dem Bundesvorstand der WASG rät Meyer, mit »klaren Konfliktlinien zu neoliberaler Politik« künftig die »eigene Ängstlichkeit« auch in den Verhandlungen mit der Linkspartei zu überwinden. Nur so könnten Grundlagen für eine gemeinsame und realistische Oppositionspolitik entwickelt werden.

Ähnlich äußerte sich auch Hamburgs WASG-Vorstandssprecher Berno Schuckart, der das Koalitionsgerede in Dresden als »echte Katastrophe« bezeichnete. Er fragte, worin sich denn die Politik des »rot-roten« Berliner Senats von der des Hamburger CDU-Senats wirklich unterscheide? Kritik kommt auch aus dem Saarland. WASG-Landesgeschäftsführer Franck Unterschemann findet, daß selbst das 100-Tage-Programm der Bundestagsfraktion schon viel zu viele und »angepaßte Kompromißformulierungen« enthalte. Verärgert berichtete Unterschemann, daß ihm zum Wochenende ein ganzer Kreisverband abhanden gekommen sei, der aus Protest gegen den Schmusekurs mit der Linkspartei die WASG verlassen habe.

Heftig wird an Elbe, Weser und Saar aber auch die Art und Weise kritisiert, wie sich vor allem die Parteigranden der Linkspartei eine Fusion der beiden Organisationen vorstellen. Von der Idee einer »neuen Linken«, die gleichberechtigt verschiedenste Oppositionskräfte einbeziehe, sei »nichts mehr zu spüren«, ärgerte sich Schuckart. »Wir sagen, wo es lang geht« – so interpretierte Schuckart hingegen manche Redebeiträge des Dresdner Parteitages, wo zuweilen ein »nicht akzeptabler« Geist der Ausgrenzung geweht habe. Kritisch äußerte sich auch Meyer, der den Verdacht äußerte, die Führung der Linkspartei stelle sich eine »neue Linke« als Fortsetzung der alten PDS vor.

Kritik traf nicht nur die Spitzen der Linkspartei, sondern auch den Bundesvorstand der WASG. In Bremen kritisierten die Vorstandskollegen von Meyer, Wolfgang Lukaszewicz und Jan Restat, daß Vereinbarungen mit der Linkspartei stärker basisdemokratisch vorbereitet hätten werden müssen. Eine Position, die auch der Saarländer Unterschemann vertritt. Das neue Kooperationsabkommen scheint jedenfalls in kaum einer örtlichen Gliederung der WASG diskutiert worden zu sein.

Zur Frage einer möglichen eigenständigen Wahlbeteiligung der WASG in Berlin betonten die Landesvorständler der WASG in Bremen, daß dies die Angelegenheit des Berliner Landesverbandes sei. Ein Standpunkt, der auch schon im Länderrat der WASG laut wurde. Innerparteiliche Drohungen, so Meyer, seien hingegen »unrealistisch«, denn viele Mitglieder der WASG könnten nachvollziehen, daß sich die Berliner Organisation der dortigen Senatspolitik »nicht einfach unterordne«. So sehen es auch die Hamburger WASG-Vorstandsmitglieder Wolfgang Behrens und Tilo Schönberg, die, wie fast alle Hamburger, eine Einheit mit der Linkspartei im Grundsatz befürworten. Dennoch sei die Behinderung einer möglichen Wahlbeteiligung der Berliner WASG als »unzulässige Einschränkung« der nach wie vor vorhandenen Eigenständigkeit deutlich zurückzuweisen.

http://www.jungewelt.de/2005/12-14/016.php