Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein protestiert gegen die Einrichtung sogenannter Ausreisezentren

In Schleswig-Holstein hat der Flüchtlingsrat gegen die Bildung neuer Ausreisezentren für Flüchtlinge protestiert. Innenminister Ralf Stegner (SPD) hatte zuvor angekündigt, Erstaufnahmeflüchtlinge künftig neun Monate lang in Kasernen der Standorte Lübeck und Neumünster festzuhalten. Eine anschließende Umverteilung auf Kreise und Kommunen erfolge nur noch dann, wenn Asylanträge bis zu diesem Zeitpunkt durch das »Bundesamt für Flüchtlinge und Migration« noch nicht abgelehnt worden sind. Deshalb werden von einer längeren Kasernierung auch Flüchtlinge betroffen sein, die zwar ausreisepflichtig, nicht aber ausreisefähig sind.

Eine inhumane und diskriminierende Entscheidung nannten Vertreter des Flüchtlingsrats diese Vorgabe des Innenministers. So werde eine zeitnahe Integration von Flüchtlingen unmöglich. Kritisiert wird zudem, daß damit ein Zugang zu frei gewählten Beratungen oder die Inanspruchnahme qualifizierter Rechtsvertretungen kaum noch möglich ist. So unterstützt konnten in der Vergangenheit vor Verwaltungsgerichten bereits abgelehnte und ausreisepflichtige Asylbewerber doch noch Aufenthaltstitel erzwingen. Flüchtlingsratssprecher Martin Link forderte unterdessen, daß Flüchtlinge nicht in Kasernen, sondern in privatem Wohnraum untergebracht werden müßten, weil nur dies eine »perspektivoffene Flüchtlingsberatung« zulasse. Statt dessen aber verfolge das Innenministerium eine Politik, die »ausschließlich auf die Rückkehr« von Flüchtlingen fixiert sei.

In der Tat hieß es in der Stellungnahme des Innenministers, daß mit den neuen Sammelunterkünften »mehr ausreisepflichtige Ausländer zu einer freiwilligen Rückkehr« bewogen werden sollten. Dies sei besser und kostengünstiger, als einfach abzuschieben. Zynisch sagte Stegner: Es sei »inhuman«, Menschen »durch allzu lange Verfahren falsche Hoffnungen zu machen«, die am Ende doch ausreisen müßten. Die neuen Regelungen sollen ab 1. April 2006 greifen.

Stegner begründete die neuen Verfahrensregelungen auch mit den Erfahrungen der kommunalen Ausländerbehörden, deren Praxis zeige, daß es dort an Spezialwissen fehle, Rückführungen erfolgreich durchzuführen. So habe das Landesamt für Ausländerangelegenheiten im vergangenen Jahr 600mal Amtshilfe für die Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte leisten müssen, um sogenannte Maßnahmen zur Beendigung von Aufenthalten ausreisepflichtiger Ausländer durchzusetzen. Es habe sich dabei zu je einem Drittel um »freiwillige Ausreisen«, Abschiebungen und Rücküberstellungen in ein anderes Land der Europäischen Union aufgrund des Dubliner Übereinkommens gehandelt.

http://www.jungewelt.de/2005/12-07/017.php