Linkspartei Schleswig-Holstein lehnte Mißtrauensantrag gegen Bundestagsabgeordneten wegen angeblicher »Stasi-Tätigkeit« mit knapper Mehrheit ab

Eine Mitgliederversammlung der Linkspartei Schleswig-Holstein in Neumünster hat am Sonntag mit 49 zu 42 Stimmen einen Mißtrauensantrag aus Flensburg gegen den Bundestagsabgeordneten Lutz Heilmann abgelehnt. Auch der Antrag zur Abwahl der Landesvorsitzenden Edda Lechner scheiterte knapp mit 39 zu 40 Stimmen. Der Versammlung war ein wochenlanger hysterischer Streit vorausgegangen, bei dem es um angebliche »Stasi-Tätigkeiten« Heilmanns ging. Auch die WASG hatte sich nach Kräften an der Schlammschlacht beteiligt, die der Spiegel drei Wochen nach den Bundestagswahlen mit der Behauptung inszenierte, Heilmann wäre zwischen 1985 und 1990 hauptamtlicher Mitarbeiter im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR gewesen, während dieser selbst auf dem Nominierungsparteitag im Juli nur einen »Wehrersatzdienst als Personenschützer« angab.

Tatsächlich sind beide Beschreibungen richtig, denn Personenschutz war in der DDR – anders als in der Bundesrepublik – dem Geheimdienst zugeordnet. Dort begann Heilmann als 19jähriger im Oktober ’85 seinen Wehrersatzdienst, dessen Dienstzeit er freiwillig verlängerte. Zu Heilmanns Aufgaben gehörten Einlaßkontrollen am Berliner Palast der Republik, wo die Volkskammer ihren Sitz hatte, manchmal auch Aufgaben im Objektschutz, wie die Kameraüberwachung des Gebäudes. Eine Arbeit, wie sie auch im Bundestag tägliche Realität ist.

Doch das Geschwätz von der »Stasi« reichte, um bei WASG und Linkspartei in Schleswig-Holstein eine Debatte loszutreten, bei der Beobachter manchmal den Eindruck hatten, Heilmann wäre nicht Personenschützer, sondern mindestens Top-Spion oder Geheimdienstchef gewesen. Die WASG hatte deshalb ihre Fusionsgespräche mit der Linkspartei ausgesetzt und die »Aufarbeitung« der Vorgänge sowie personelle Konsequenzen bei der Linkspartei eingefordert. Hysterie erfaßte aber auch Teile der Linkspartei, wo es in Lübeck, Kiel und Flensburg erregte Debatten, in Lübeck sogar die zeitweilige Spaltung des Kreisverbandes gab. Stein des Anstoßes: Lechner und Heilmann hatten es bei der Kandidatenkür versäumt, explizit darauf hinzuweisen, daß Wehrersatzdienst als Personenschützer in der DDR dem MfS zugeordnet war.

Dies sei ein Fehler gewesen, räumten Heilmann und Lechner gleich zu Beginn der Mitgliederversammlung ein. Allerdings schloß Heilmann einen Rücktritt kategorisch aus, weil ein solcher Schritt als Schuldeingeständnis gewertet werden würde. Statt dessen forderte Heilmann, der auch die Unterstützung der Bundestagsfraktion hat, eine offensive Geschichtsdebatte, die auch Details deutsch-deutscher Geschichte einbeziehe. Zur Unterstützung Heilmanns waren die Bundestagsabgeordneten Eva Bullig-Schröter, Hans-Kurt Hill und Roland Claus angereist.

Die Kritiker von Heilmann und Lechner interessierte das alles nicht. Stur verwiesen sie auf Bundesparteitagsbeschlüsse der PDS, die 1991 und 1993 eine Offenlegungspflicht für »Stasi-Tätigkeiten« festgelegt hatte. So blieb der Vorwurf, Heilmann und Lechner hätten die Basis »grob und vorsätzlich« getäuscht. Im Mitgliederrundbrief hatte Lechner bereits vor der Versammlung nach den wirklichen Gründen für die Debatte gefragt und auf unbefriedigte »Ämter- und Postenambitionen« hingewiesen, womit sie auf einen Streit um die Besetzung der Wahlkreisbüros hinwies. Doch im gleichen Rundbrief hatte auch der Flensburger Henning Nielsen, einer der Wortführer der innerparteilichen Opposition, seine antikommunistische Stoßrichtung der Kritik bereits klar festgelegt, als er von mangelnder Distanz zu den »Unterdrückungsapparaturen« der früheren DDR sprach. Nielsen ist ehemaliges Mitglied des Kommunistischen Bundes und gehört damit seit 1990 zu den PDS-Mitgliedern, die es als ihre vornehmste Aufgabe betrachten, nach links auszugrenzen, um so die PDS zu »erneuern«

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