Warnstreik des Personals fast aller Hamburger Krankenhäuser gegen Lohnabbau

Punkt sieben Uhr morgens war es soweit: In fast allen Hamburger Krankenhäusern legten am Mittwoch Krankenpfleger und Angehörige des technischen Personals die Arbeit nieder. Mit Trillerpfeifen und dem lauten Ruf »Billig ist krank« zogen über 4000 Beschäftigte später vor den Sitz der »Krankenhaus-Arbeitgebervereinigung« (KAH) in der Nähe des Hamburger Hafens. Nachdem sich in den letzten Wochen bundesweit Ärzte für ihre Interessen zu Wort meldeten (seit Montag läuft der Warnstreik an der Berliner Charité), haben damit nun erstmals auch Krankenpfleger, Reinigungskräfte und Angehörige des technischen Personals für ein ganzes Bundesland deutlich gemacht, daß sie Lohnabbau nicht länger hinnehmen wollen. In verschiedenen Reden vor dem KAH-Gebäude wurden Erzwingungsstreiks ab Januar nicht mehr ausgeschlossen, sollten sich die Krankenhausbetreiber weiterhin weigern, den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) zu übernehmen.

Bundesweit ringt die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di um die Durchsetzung des TVöD, der Mitte des Jahres mit dem Bund ausgehandelt wurde und den bisherigen BAT ersetzt. Nur an den Universitätskliniken Baden-Württembergs ist dies bisher gelungen. Dem ging ein regionaler Erzwingungsstreik voraus.

Auch in Hamburg wollen die Krankenhausträger den TVöD nicht übernehmen. Über Nacht waren sie – kurz vor Inkrafttreten des neuen Tarifs – aus der »Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg« (AVH) ausgetreten und hatten die KAH gegründet, um die Tarifflucht durchzusetzen. Auch erste Warnstreiks am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) und am Allgemeinen Krankenhaus in Eilbek (junge Welt berichtete) konnten daran nichts ändern. Statt dessen veröffentlichten die »Arbeitgeber« Forderungen, die ver.di-Landeschef Wolfgang Rose als »Horrorkatalog« für die 20000 Beschäftigten in den Hamburger Krankenhäusern bezeichnete. Darin wird die Streichung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes und der Schichtzulagen, die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 42 Stunden (ohne Lohnausgleich), die Streichung von Urlaubstagen und die Kürzung von Gehalt gefordert, die sich nach Angaben der Gewerkschaft für eine Krankenschwester auf durchschnittlich 700 Euro Gehaltsverlust pro Monat summieren. Bei Neueinstellungen soll es nur noch befristete Arbeitsverträge geben.

Mit der Novemberabrechnung wurden den Mitarbeitern bereits 200 Euro vom Lohn abgezogen, die sie im Rahmen von Einmalzahlungen des TVöD bereits erhalten hatten. Mitarbeiter, die nach Juli 2003 eingestellt wurden, erhielten kein Weihnachtsgeld mehr, was sonst mit der Novemberabrechnung überwiesen wird. Die Wut und Fassungslosigkeit darüber war den Streikenden ins Gesicht geschrieben, als sie auf der Streikkundgebung auch den Marburger Bund ( MB ) ausbuhten, der, so Rose, mit seiner Standespolitik dazu beitrage, daß das einfache Personal auf der Strecke bleibe.

Der Mobilisierungserfolg des gestrigen Streiks gab den ver.di-Aktiven Mut. Schließlich hatte die Gewerkschaft nur ihre eigenen Mitglieder zum Protest gerufen und gleichzeitig sichergestellt, daß zentrale Funktionsbereiche an den Krankenhäusern weiterlaufen. »Eine Super-Beteiligung«, konstatierte Angelika Detsch, ver.di-Fachbereichsleiterin, zufrieden. So scheint der Weg nun tatsächlich in Richtung von Erzwingungsstreiks zu gehen, mit denen ab Januar zu rechnen ist. Zuvor war im Gewerkschaftshaus nicht selten auch Angst vor einem Großkonflikt zu spüren. Funktionäre verwiesen auf mangelnde Streikerfahrungen des pflegerischen und technischen Krankenhauspersonals, wo der letzte Arbeitskampf 17 Jahre zurückliegt. Zudem wurde – nicht unberechtigt – auf die Angst vieler Mitarbeiter vor Stellenabbau hingewiesen, den die »Arbeitgeber« schon angekündigt haben, gelänge es nicht, die Personalkosten zu reduzieren. Politische Solidarität für den sich nun andeutenden Großkonflikt kündigten WASG und Linkspartei gestern an. In einer entsprechenden Erklärung heißt es, dieser Arbeitskampf werde stellvertretend für alle Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen der Stadt geführt.

http://www.jungewelt.de/2005/12-01/016.php