Die Berliner WASG zeigte der Linkspartei die gelbe Karte. Viele unterschiedliche Konflikte erschweren das Zusammenwachsen

Schrill und für jedermann vernehmbar knirscht es im »Parteibildungsprozeß«, mit dem sich WASG und Linkspartei.PDS zu einer neuen linken Kraft zusammenschließen wollen. Nicht nur bei der Berliner WASG gibt es Widerstand gegen einen Zusammenschluß – auch in Mecklenburg-Vorpommern und anderen ostdeutschen Landesverbänden rumort es an der WASG-Basis.

Strippenzieher

Bei der Annäherung beider Parteien prallen offenbar mehrere Welten aufeinander: Westlinke, die schon manche Bewegung an die Wand gefahren haben, sehen sich mit disziplinierten PDS-Kadern konfrontiert; enttäuschte Sozialdemokraten sollen plötzlich mit Kommunisten kooperieren; aktive IG-Metall-Funktionäre aus dem Westen suchen nach Gemeinsamkeiten mit PDS-Politikern, die kaum Berührung zu Gewerkschaften haben. Und daß die betuliche Zentrale im Karl-Liebknecht-Haus bei allen wichtigen Entscheidungen im Hintergrund die Strippen zieht, läßt manchen dynamischen WASG-Politiker an der Redlichkeit des politischen Partners zweifeln.

Größter Stein des Anstoßes ist der Berliner Landesverband der Linkspartei.PDS, der sich in Koalition mit der SPD in die Umsetzung neoliberaler Politik verstrickt hat. Mit einer solchen Partei will die lokale WASG nicht ins Bett – was am Samstag zwei Drittel der Delegierten bestätigten. Klaus Ernst, einer der vier WASG-Bundesvorsitzenden, zeigte schon mal den Knüppel: »Nirgends im Land« werde er so etwas dulden, drohte der IG-Metaller. Eine solche Haltung gefährde den bevorstehenden Landtagswahlkampf in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Steht den Berliner WASG-Genossen damit ein Parteiordnungsverfahren ins Haus?

Unzufriedenheit mit der Politik der Linkspartei gibt es aber auch in Mecklenburg-Vorpommern. Dort wurden die WASG-Mitglieder bereits vom 17. bis 27. November zu einer Urabstimmung darüber aufgerufen, ob die Linkspartei im Landtagswahlkampf auch dann unterstützt werden soll, wenn sie ihren »neoliberalen Kurs in der Landesregierung fortsetzt.« Das Ergebnis soll am kommenden Wochenende bekanntgegeben werden.

Für zusätzlichen Streit zwischen beiden Parteien sorgt zudem das dritte Kooperationsabkommen (siehe unten), das am 10./11. Dezember auf dem Dresdener Parteitag der Linkspartei.PDS beschlossen werden soll. Demnach soll der »Fusionsprozeß« bis spätestens 30. Juni 2007 beendet sein. Bei der WASG-Urabstimmung im Juli 2005 war hingegen ein »ergebnisoffener Prozeß« beschlossen worden.

Harmonie im Westen?

In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz jedenfalls herrscht Harmonie – beide Parteien haben sich dort auf die Zusammenarbeit geeinigt. Einen gemeinsamen Fahrplan gibt es auch für Hessen und Niedersachsen, wo beide Parteien schon bei den Kommunalwahlen 2006 unter gemeinsamen Namen oder in der Form lokaler Wahlbündnisse antreten wollen.

Wie widersprüchlich die Zusammenarbeit sein kann, zeigt sich im Vergleich. In Hessen treten beide Parteien gemeinsam mit sozialen Bewegungen gegen die Privatisierung der Kliniken in Gießen und Marburg an. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen ist die Privatisierung von Kliniken schon weitgehend vollzogen: mit Hilfe der dort mitregierenden Linkspartei.PDS.

Unterschiede ergeben sich auch in der Frage, wer im »Parteibildungsprozeß« mitmischen darf. Mitunter gewinnt man den Eindruck, daß die Linkspartei.PDS zumindest in Ostdeutschland gerne unter sich bleiben möchte und höchstens noch die WASG mitspielen lassen will. In Niedersachsen hingegen will die WASG den »Parteibildungsprozeß« für andere linke Gruppen öffnen, wie etwa die DKP. Der neue WASG-Landesvorstand von Nordrhein-Westfalen betonte sogar, alle linken Kräfte müßten einbezogen werden.

Pressestimmen zum Berliner WASG-Parteitag

»Mit dem Beschluß stellt sich die Berliner WASG offensiv gegen ihre Parteiführung. Bundesvorsitzender Klaus Ernst hatte vor der Abstimmung vergeblich an die Parteifreunde appelliert, trotz der Ablehnung der als neoliberal gegeißelten rot-roten Landesregierung nach Übereinstimmungen mit Berlins PDS zu suchen und ergebnisoffen über einen Wahlantritt mit gemeinsamen Listen zu verhandeln. ›Gemeinsam waren wir bei der Bundestagswahl erfolgreich, deswegen müssen wir gemeinsam weitermachen!‹, rief Ernst in den Saal des Tagungshotels am Tierpark Friedrichsfelde. Er warnte die Parteifreunde davor, sich »wie Zeugen Jehovas« zu verhalten, denen es nur wichtig sei, ihren Glauben zu vertreten. (…) Eine Spaltung der WASG, wie sie manche Beobachter nun erwarten, wollen die Anhänger einer Kooperation mit der PDS dennoch vermeiden. (…) Andere unterlegene WASG-Mitglieder setzten auf Galgenhumor. Zwischen den Abstimmungen trug eine Gruppe ein Transparent durch den Saal. Aufschrift: ›Sektierer aller Bezirke, vereinigt euch!‹«

(Der Tagesspiegel, 27. November)

»Schon der Versammlungsort war sektiererisch ausgewählt: Für die Mehrheit der Teilnehmer abgelegen, schwer zu finden, viel zu klein der Saal, die Redner schlecht zu hören und vieler Säulen wegen für nur wenige sichtbar. So tagen Leute, die sich so einig fühlen, daß sie keinen Blickkontakt brauchen. (…) Am Katzentisch saß der designierte Landesvorsitzende der Linkspartei.PDS, Klaus Lederer. Er war in Begleitung von Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform gekommen, der Vertreterin des ›linkesten‹ Flügels der PDS. Diese Geste des guten Willens honorierten die Gastgeber nicht. Die meisten Redner droschen mit einer Lust auf die Regierungspraxis der Linkspartei ein, wie es die Opposition aus CDU, FDP und Grünen in vier Jahren nicht fertigbrachte.«

(FAZ, 27. November)

http://www.jungewelt.de/2005/11-28/011.php