Hafenarbeiter machen gegen neuen Versuch mobil, sie durch billige Schiffsbesatzungen zu ersetzen. Kampf gegen »Port Package II«

In Deutschland, Schweden, Dänemark, Belgien, Großbritannien und Spanien legen die Hafenarbeiter am heutigen Montag ihre Arbeit nieder, um sich an Veranstaltungen und Demonstrationen zu beteiligen. Koordiniert durch die Europäische Transportarbeiterföderation (ETF) gilt der Protest dem Verkehrsausschuß des Europäischen Parlaments, der am Dienstag in Brüssel über den »Richtlinienentwurf für den Marktzugang von Hafendienstleistungen« (Port PackageII) entscheiden will. Bei Zustimmung käme die Richtlinie schon im Januar 2006 zur Beschlußfassung ins Plenum des Parlaments. Tausende qualifizierte Hafenarbeitsplätze seien damit in Gefahr, begründete die ETF ihre Aktion, an der sich in Deutschland die Containerhäfen in Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Kiel und Rostock beteiligen. Weil aber Streiks nach deutschem Recht nur bei Tarifverhandlungen erlaubt sind, laden die Betriebsräte zu »Info-Veranstaltungen« ein, damit die Beschäftigten zeitweilig ihre Arbeit niederlegen können. Gleichzeitig wollen sich Hafenarbeiter aus allen EU-Staaten in Brüssel versammeln und Institutionen des Europäischen Parlaments belagern.

Schon im Novembe 2003 hatten die Hafenarbeiter einen Richtlinienentwurf der damaligen Verkehrskommissarin Loyola de Palacio zum Scheitern gebracht. Nach wochenlangen Auseinandersetzungen in den Häfen verweigerte die Parlamentsmehrheit schließlich die Annahme von Port Package I. Doch bereits am 13. Oktober 2004 brachte Palacio einen zweiten, leicht modifizierten Entwurf in das Parlament ein. Die EU-Kommission hofft nun auf Zustimmung, denn die politische Parlamentsachse hat sich im Ergebnis der Wahlen 2004 nach rechts verschoben.

Seit Port Package I stand bisher vor allem eine Frage im Zentrum der Auseinandersetzung: Können die Reeder ihre Schiffe künftig mit eigenem Billigpersonal entladen? Das hätte besser bezahlte Hafenarbeit verdrängt. Doch unmittelbar vor den Ausschußberatungen am Dienstag deutet sich nunmehr an, daß dessen Berichterstatter Gerhard Jerzembowsky (CDU) diese Bestimmung ganz aus der Richtlinie herausnehmen will. Die Reederverbände hatten zuvor verdeutlicht, daß sie keinen neuen Konflikt mit gut organisierten Hafenarbeitern haben wollen.

Auf Ablehnung stößt Port Package aber nicht nur bei Hafenarbeitern. Olaf Ohlsen, hafenpolitischer Sprecher der Hamburger CDU, verwies darauf, daß die Umschlagspreise in Europa schon jetzt niedriger seien als in den USA oder in Asien. Ohlsen und weitere Regionalpolitiker befürchten zudem, daß etablierte Hafenunternehmen durch global agierende Konzerne aus dem Geschäft vertrieben werden. Ablehnung signalisieren auch Ralf Nagel, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, der auf die Folgekosten verwies, die allein in Deutschland bei 300 Millionen Euro lägen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Studien in Holland und Großbritannien.

Die Hafenarbeiter machen sich solche Konflikte zunutze und hoffen deshalb nicht nur auf die Unterstützung der Linken im Parlament, sondern auch auf die der Sozialisten und Grünen. Bernt Kamin, Betriebsratsvorsitzender des Gesamthafenbetriebs Hamburg, der zu den Organisatoren des internationalen Protestes gehört, sagte gegenüber junge Welt aber auch, daß für den Ausgang des Konflikts der außerparlamentarische Kampf der Hafenarbeiter entscheidend bleibe. Deswegen werde es im Januar weitere Proteste geben.

http://www.jungewelt.de/2005/11-21/017.php