Nazi-Provokationen in Hamburg-Wilstorf
Zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen 100 Neonazis und 300 antifaschistischen Gegendemonstranten ist es am vergangenen Sonnabend im Hamburger Bezirk Harburg gekommen. „Freie Nationalisten“ unter dem Hamburger Neonazi-Chef Christian Worch hatten kurzfristig zu einer Mahnwache für einen „niedergestochenen Kameraden“ und „gegen Ausländergewalt“ aufgerufen. Tatsächlich war es in der Nacht zum 27. Dezember im Harburger Stadtteil Wilstorf zu einer Auseinandersetzung zwischen Skinheads und Jugendlichen gekommen, bei der gegen 2 Uhr in der Frühe sechs Skinheads die Tür eines Wohnhauses einschlugen und mit dem Ruf „Ausländer raus“ mehrere Bewohner bedrohten. Aus Angst wehrte sich einer der angegriffenen Jugendlichen mit einem Messer, wobei einer der Skinheads leicht verletzt wurde.
Solche Vorfälle sind im Stadtteil Wilstorf kein Zufall. Schon seit Jahren ist der Stadtteil eng mit dem Wirken von Nazi-Gruppen verbunden: als Rekrutierungsmittelpunkt der Naziszene südlich der Elbe wie auch als Tatort für ausländerfeindliche Übergriffe. Der ursprünglich eher kleinbürgerlich strukturierte Stadtteil hat durch Arbeitslosigkeit stark gelitten. Soziale Widersprüche sind besonders sichtbar. Zur Normalität des Viertels gehören das Schützenfest und Deutschtümelei, wie andererseits zunehmende Armut. Diese Problemlage hat gerade jüngst neuen Stoff erhalten: Das Harburger Traditionsunternehmen Phönix wird nach der Übernahme durch Continental 1000 Mitarbeiter entlassen. Viele von ihnen wohnen in Wilstorf. Ein idealer Nährboden für neonazistische Rekrutierungsversuche. Auch bundesweit bekannte Kader, wie die Nazianwältin Gisa Pahl, haben sich hier angesiedelt und im benachbarten Sinnstorf produziert die Naziskinband „Oi Drumz“ ihre CDs.
Gegen den Naziaufmarsch hatte ein antifaschistisches Bündnis aufgerufen. Man könne sich im Kampf gegen faschistische Umtriebe nicht auf den Staat verlassen, erklärte der Harburger Antifaschist Jan Malten. Nicht hingenommen werden könne, wenn Neonazis sich nun als Opfer darstellen. Ziel der Antifaschisten war es den Nazi-Aufmarsch zu verhindern. Das verhinderten wiederum mehrere Hundertschaften Bereitschaftspolizei, die den Stadtteil weiträumig abriegelten. Immerhin gelang es den Antifaschisten mit lautstarkem Protest den Nazi-Aufmarsch zu stören.
Für den Hamburger Neonazi-Führer Christian Worch sind solche Aufmärsche gerade jetzt besonders wichtig, ist dieser doch durch seine Kritik an der NPD bei den „Freien Nationalisten“ nicht mehr unumstritten. Worch hatte die zunehmende Dominanz der NPD im rechten Lager beklagt, geriet damit aber – angesichts der Wahlerfolge der NPD – zunehmend in die Isolation. Mit dem Aufmarsch in Harburg wollte Worch Handlungsfähigkeit nachweisen.
Für den 5. Februar haben die „Freien Nationalisten“ von 11 bis 17 Uhr in der Seevepassage in Harburg einen „nationalen Infostand“ angekündigt. Das Antifa-Bündnis ruft erneut zu Protesten auf.
Verwendung: Unsere Zeit
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