Kommunen und Bundesländer planen drastischen Ausbau der »Ein-Euro-Jobs«. Hamburg will Ausweitung auf gewerbliche Betriebe
Vor einigen Tagen wurde eine im Auftrag der Bundesregierung verfaßte Studie bekannt, laut der die unter der Bezeichnung »Hartz IIII« bekannten Instrumente der Arbeitsmarktpolitik im Sinne der Beschäftigungsförderung bestenfalls wirkungslos waren. Ein offizielles Fazit der »Hartz IV«-Gesetze steht noch aus. Dennoch läßt sich schon jetzt eindeutig konstatieren, daß einer der Kernpunkte dieser Reform, die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in sogenannte Ein-Euro-Jobs als vermeintliche Brücke zum ersten Arbeitsmarkt, ebenfalls gescheitert ist. Das zeigen Auswertungen der ersten abgeschlossenen Beschäftigungszyklen in mehreren Bundesländern. Dennoch wollen viele Kommunen verstärkt auf diese Form der Zwangsarbeit setzen, auch um eigene Haushaltskürzungen zu kompensieren.
Lohnendes Geschäft
So ist es auch in Bremen, wo sich die Anzahl der Ein-Euro-Jobs von jetzt 4000 auf 5000 im Jahr 2006 erhöhen soll. Dies aber sei nur vorstellbar, sagen Arbeitsloseninitiativen, wenn das Kriterium der Zusätzlichkeit, das eigentlich verhindern soll, daß solche Billigjobs reguläre Arbeit verdrängen, immer großzügiger ausgelegt wird. Und in der Tat ist laut der Rechtsauffassung des Bremer Senats Zusätzlichkeit bei öffentlichen Dienstleistungen schon dann gegeben, wenn Kürzungen bei der Personalbewirtschaftung dazu führen, daß bisher regulär finanzierte kommunale Aufgaben nicht mehr erledigt werden können.
In Sachsen wurden 57000 Menschen allein 2005 durch solche »Arbeitsgelegenheiten« gejagt: als billiges Personal für Kitas, Schulen, Behörden, aber auch zur Pflege älterer Menschen. Ähnlich ist es in Thüringen, wo auf vier feste Mitarbeiter in den Kitas inzwischen ein Ein-Euro-Jobber kommt. Dort haben die Gewerkschaften nun gleich mehrere Gerichtsverfahren gegen derartigen Mißbrauch der Hartz-IV-Bestimmungen angestrengt.
Fast 10000 sogenannte Arbeitsgelegenheiten gibt es mittlerweise auch in Hamburg, wo man inzwischen zu offen rechtswidrigen Praktiken übergegangen ist. Obwohl Sozialgerichte es mehrfach monierten, erfolgen Zuweisungen von Langzeiterwerbslosen an die Beschäftigungsträger im Massenverfahren und zwar ohne die zwingend vorgeschriebenen Eingliederungsvereinbarungen und ohne vorherige Definition der Tätigkeit, die der betroffene Erwerbslose ausüben soll. »Ernüchternd« sei dies, sagte die Bürgerschaftsabgeordnete Gudrun Köncke (Bündnis 90/Grüne), die nun per Anfrage eine »schonungslose Darlegung und Analyse tatsächlich geleisteter Förderung« fordert. Wie hoch die Vermittlungsquoten in feste Arbeit sind, will unterdessen Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm wissen. Arbeitsmarktexperten gehen davon aus, daß diese bundesweit deutlich unter fünf Prozent liegen.
Für die Beschäftigungsträger ist der Boom der Billigjobs jedenfalls ein äußerst lukratives Geschäft. Sie erhalten pro einsetztem Ein-Euro-Jobber monatlich Fallkosten- und Mehraufwandspauschalen von bis zu 510 Euro. Dieses Geld soll zwar teilweise für tätigkeitsbegleitende Qualifizierungs- und Eingliederungsmaßnahmen aufgewendet werden, das wird aber faktisch nicht kontrolliert.
»Modellregion« geplant
Arbeitsmarktpolitische Wertlosigkeit für die 32000 Ein-Euro-Stellen in seiner Stadt mußte jetzt auch der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS) eingestehen. Es mache »grundsätzlich keinen Sinn, Druck auf die Arbeitslosen auszuüben, wenn man ihnen keine Arbeitsplätze anbieten kann«, sagte er in der Berliner Zeitung (Freitagausgabe). Das hindert den SPD-Linkspartei-geführten Senat und die Bezirksämter aber nicht daran, die Arbeit ganzer Abteilungen z.B. in den Gartenbauämtern inzwischen von Ein-Euro-Jobbern machen zu lassen.
Sein Hamburger Amtskollege Gunnar Uldall (CDU) will noch einen Schritt weiter gehen. Er regte an, die Billigjobs gleich in normalen Gewerbebetrieben anzusiedeln. Schleswig-Holsteins Arbeitsminister Uwe Döring (SPD) plant für 2006 sogar eine »Modellregion«, in der die »Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit« verschärft werden soll. Döring kann auf Erfahrungen im Nachbarland Dänemark verweisen, wo Erwerbslose unter bestimmten Umständen sogar ohne eine Mehraufwandsentschädigung also gewissermaßen als Null-Euro-Jobber arbeiten müssen.
http://www.jungewelt.de/2005/12-31/013.php