Kommunen und Bundesländer planen drastischen Ausbau der »Ein-Euro-Jobs«. Hamburg will Ausweitung auf gewerbliche Betriebe

Vor einigen Tagen wurde eine im Auftrag der Bundesregierung verfaßte Studie bekannt, laut der die unter der Bezeichnung »Hartz I–III« bekannten Instrumente der Arbeitsmarktpolitik im Sinne der Beschäftigungsförderung bestenfalls wirkungslos waren. Ein offizielles Fazit der »Hartz IV«-Gesetze steht noch aus. Dennoch läßt sich schon jetzt eindeutig konstatieren, daß einer der Kernpunkte dieser Reform, die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in sogenannte Ein-Euro-Jobs als vermeintliche Brücke zum ersten Arbeitsmarkt, ebenfalls gescheitert ist. Das zeigen Auswertungen der ersten abgeschlossenen Beschäftigungszyklen in mehreren Bundesländern. Dennoch wollen viele Kommunen verstärkt auf diese Form der Zwangsarbeit setzen, auch um eigene Haushaltskürzungen zu kompensieren.

Lohnendes Geschäft

So ist es auch in Bremen, wo sich die Anzahl der Ein-Euro-Jobs von jetzt 4000 auf 5000 im Jahr 2006 erhöhen soll. Dies aber sei nur vorstellbar, sagen Arbeitsloseninitiativen, wenn das Kriterium der Zusätzlichkeit, das eigentlich verhindern soll, daß solche Billigjobs reguläre Arbeit verdrängen, immer großzügiger ausgelegt wird. Und in der Tat ist laut der Rechtsauffassung des Bremer Senats Zusätzlichkeit bei öffentlichen Dienstleistungen schon dann gegeben, wenn Kürzungen bei der Personalbewirtschaftung dazu führen, daß bisher regulär finanzierte kommunale Aufgaben nicht mehr erledigt werden können.

In Sachsen wurden 57000 Menschen allein 2005 durch solche »Arbeitsgelegenheiten« gejagt: als billiges Personal für Kitas, Schulen, Behörden, aber auch zur Pflege älterer Menschen. Ähnlich ist es in Thüringen, wo auf vier feste Mitarbeiter in den Kitas inzwischen ein Ein-Euro-Jobber kommt. Dort haben die Gewerkschaften nun gleich mehrere Gerichtsverfahren gegen derartigen Mißbrauch der Hartz-IV-Bestimmungen angestrengt.

Fast 10000 sogenannte Arbeitsgelegenheiten gibt es mittlerweise auch in Hamburg, wo man inzwischen zu offen rechtswidrigen Praktiken übergegangen ist. Obwohl Sozialgerichte es mehrfach monierten, erfolgen Zuweisungen von Langzeiterwerbslosen an die Beschäftigungsträger im Massenverfahren und zwar ohne die zwingend vorgeschriebenen Eingliederungsvereinbarungen und ohne vorherige Definition der Tätigkeit, die der betroffene Erwerbslose ausüben soll. »Ernüchternd« sei dies, sagte die Bürgerschaftsabgeordnete Gudrun Köncke (Bündnis 90/Grüne), die nun per Anfrage eine »schonungslose Darlegung und Analyse tatsächlich geleisteter Förderung« fordert. Wie hoch die Vermittlungsquoten in feste Arbeit sind, will unterdessen Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm wissen. Arbeitsmarktexperten gehen davon aus, daß diese bundesweit deutlich unter fünf Prozent liegen.

Für die Beschäftigungsträger ist der Boom der Billigjobs jedenfalls ein äußerst lukratives Geschäft. Sie erhalten pro einsetztem Ein-Euro-Jobber monatlich Fallkosten- und Mehraufwandspauschalen von bis zu 510 Euro. Dieses Geld soll zwar teilweise für tätigkeitsbegleitende Qualifizierungs- und Eingliederungsmaßnahmen aufgewendet werden, das wird aber faktisch nicht kontrolliert.

»Modellregion« geplant

Arbeitsmarktpolitische Wertlosigkeit für die 32000 Ein-Euro-Stellen in seiner Stadt mußte jetzt auch der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS) eingestehen. Es mache »grundsätzlich keinen Sinn, Druck auf die Arbeitslosen auszuüben, wenn man ihnen keine Arbeitsplätze anbieten kann«, sagte er in der Berliner Zeitung (Freitagausgabe). Das hindert den SPD-Linkspartei-geführten Senat und die Bezirksämter aber nicht daran, die Arbeit ganzer Abteilungen z.B. in den Gartenbauämtern inzwischen von Ein-Euro-Jobbern machen zu lassen.

Sein Hamburger Amtskollege Gunnar Uldall (CDU) will noch einen Schritt weiter gehen. Er regte an, die Billigjobs gleich in normalen Gewerbebetrieben anzusiedeln. Schleswig-Holsteins Arbeitsminister Uwe Döring (SPD) plant für 2006 sogar eine »Modellregion«, in der die »Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit« verschärft werden soll. Döring kann auf Erfahrungen im Nachbarland Dänemark verweisen, wo Erwerbslose unter bestimmten Umständen sogar ohne eine Mehraufwandsentschädigung – also gewissermaßen als Null-Euro-Jobber – arbeiten müssen.

http://www.jungewelt.de/2005/12-31/013.php



WASG-Landessprecher von NRW kritisiert Lafontaine. Gegen Regierungsbeteiligung, für ein Bündnis mit sozialen Bewegungen. Ein Gespräch mit Wolfgang Zimmermann

* Wolfgang Zimmermann ist Landessprecher der WASG in Nordrhein-Westfalen

F: In einem Interview mit der Berliner Zeitung forderte Oskar Lafontaine, Linkspartei und WASG sollten sich auf Regierungsbeteiligungen im Bund und in den Ländern einstellen. Wie ist Ihre Meinung?

Regierungskoalitionen z. B. mit der SPD sind nur sinnvoll, wenn damit eine Politik im Interesse der Arbeitnehmer, der Rentner und der Erwerbslosen durchgesetzt werden kann. Dafür müßte die SPD ihre Politik um 180 Grad drehen, wofür es nicht die geringsten Anzeichen gibt. Deshalb halte ich diese Debatte für völlig überflüssig.

Wir können eine Mitverantwortung für neoliberale Politik nicht dadurch rechtfertigen, daß ein paar Marginalien durchgesetzt werden. Das hat schon in Berlin nicht funktioniert, wo die SPD-PDS-Landesregierung eine Dimension des Sozialkahlschlags realisiert hat, die ich selbst von einer CDU-Landesregierung nicht erwartet hätte. Immerhin war Berlin auch das erste Bundesland, das aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ausgetreten ist. Wenn Gregor Gysi sagt, daß sich dadurch das Verhältnis zur PDS in der Bundesrepublik normalisiert habe, frage ich mich, was normal daran ist, wenn sich Linke an diesem Kahlschlag im Sozial-, Jugend- und Bildungsbereich beteiligen und zugleich die Privatisierung des öffentlichen Sektors vorantreiben. Linke Politik verliert so jede Glaubwürdigkeit.

F: In einem Thesenpapier hat die Berliner Linkspartei.PDS gerade bekräftigt, daß »linke Umgestaltung« nicht nur Superreiche betreffe, sondern auch »privilegierte Normalos«.

Das ist der Versuch, lohnabhängig Beschäftigte gegen Erwerbslose auszuspielen. Gelingt dies, wird sich die Spirale des Sozialabbaus für alle weiter nach unten drehen. Maßstab für soziale Gerechtigkeit kann doch nicht das allerniedrigste Sozialniveau sein. Dafür hätten wir die WASG nicht gründen müssen. Es ist deshalb irritierend, wenn – neben führenden Politikern der Linkspartei.PDS – nun auch Lafontaine diese Frage der Regierungsbeteiligungen so in den Mittelpunkt rückt. Lafontaine ist schließlich Mitglied der WASG und müßte wissen, daß eine solche Politik mit uns nicht zu machen ist. Im Programm der WASG heißt es eindeutig, daß wir uns an Regierungen nur beteiligen, wenn ein grundlegender Politikwechsel in Richtung unserer Forderungen möglich wird. Anstatt über solche Regierungsbeteiligungen zu reden, sollten wir diskutieren, wie wir ein Bündnis mit sozialen Bewegungen aufbauen können, um so den Widerstand gegen neoliberale Politik auch auf die Straßen und in die Betriebe zu tragen. Das ist die Diskussion, die jetzt notwendig ist.

F: Angenommen, Sie wohnten in Berlin, würden Sie die Linkspartei.PDS bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus unterstützen?

Wenn sie ihre bisherige Politik fortsetzt? Nein. Trotzdem hätte ich es für besser gehalten, wenn die Berliner WASG zunächst über die Inhalte dieser Politik mit der Linkspartei.PDS diskutiert hätte, bevor sie eine Eigenkandidatur in den Mittelpunkt der Debatten stellt.

F: Darüber soll erst in einer Urabstimmung der Mitglieder entschieden werden, die im Februar stattfindet. Gemeinsame Diskussionsforen mit der Linkspartei.PDS, die im Vorlauf geplant waren, sind von dieser abgesagt worden.

Das Vorziehen der Urabstimmung auf den Februar hat der PDS einen Vorwand geliefert, diesen Diskussionsforen fernzubleiben. Würden sie stattfinden, würde ich hoffen, daß auch immer mehr PDS-Mitglieder überzeugt werden können, daß eine solche Regierungsbeteiligung nicht nur für Berlin schlecht ist, sondern auch für den gesamten bevorstehenden Sammlungsprozeß einer neuen Linken. Aber auch die Eigenkandidatur der WASG würde für diesen linken Formationsprozeß eine gefährliche Situation heraufbeschworen. Deshalb hoffe ich auf Vernunft. Ich will aber auch deutlich sagen, daß administrative Maßnahmen gegen unsere Berliner Landesorganisation vollkommen ausgeschlossen sein sollten.

http://www.jungewelt.de/2005/12-30/019.php



Hamburg: Der neue Eigner des Landesbetriebs Krankenhäuser in »angespannter Liquiditätslage«

In Hamburg will der Gesundheitskonzern Asklepios Rentenzuzahlungen für die Beschäftigten des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) beleihen, um so eigene Liquiditätsprobleme abzuwenden. Schon vor Weihnachten hatten LBK-Mitarbeiter Journalisten auf diese Planungen der Konzernzentrale aufmerksam gemacht. Inzwischen liegt ein entsprechender Antrag der LBK-Geschäftsführung beim Personalrat vor. Demnach sollen Zuzahlungen für eine Unterstützungskasse der Volksfürsorge, aus der Betriebsrenten gezahlt werden, in den Jahren 2006 und 2007 nicht überwiesen werden. So will Asklepios als neuer Eigentümer auf eine »angespannte Liquiditätslage« beim LBK reagieren.

Die Planungen haben unter den 12600 Beschäftigten des LBK erhebliche Unruhe ausgelöst, wie Mitarbeiter am Dienstag gegenüber junge Welt berichteten. Befürchtet wird nun, daß Asklepios für 2006 auch betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausschließen wird, um Kosten einzusparen. Mitte des Jahres hatte dies schon im Aufsichtsrat zu erregten Diskussionen zwischen Personalvertretern und den Eignern des LBK geführt. Verärgerung gibt es aber auch deshalb, weil Asklepios mit dem Deal auf einen Zinsgewinn hofft, der damit gleichzeitig den Mitarbeitern entzogen wird, wenn die Zuzahlungen (in geschätzter Höhe von 50 Millionen Euro) erst mit zweijähriger Verspätung in die Unterstützungskasse eingezahlt werden. Mitglieder des Personalrats haben bereits ihre Ablehnung zum Antrag der Geschäftsführung signalisiert.

Beunruhigt über diese Entwicklung zeigte sich auch der Bürgerschaftsabgeordnete Jens Kerstan (Grüne), der im Hamburger Abendblatt die Pläne von Asklepios als Beleg dafür wertete, daß der Gesundheitskonzern die erforderlichen Mittel für einen dauerhaften Weiterbetrieb des LBK nicht aufbringen könne. Dies zeige sich auch darin, daß Asklepios eine im November fällige Kaufrate für den LBK bis heute nicht gezahlt habe.

Wie berichtet, hatte der CDU-Senat den LBK privatisiert, obwohl sich in einem Volksentscheid 77 Prozent aller Hamburger Wahlbürger gegen die Privatisierung ausgesprochen hatten. Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) erhoffte sich von der Privatisierung unter anderem neue Investitionsmittel für die Modernisierung des LBK, den die Stadt jahrelang vernachlässigt hatte.

Auf finanzielle Probleme haben unterdessen auch Vertreter der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (HKG) hingewiesen, in der sich zahlreiche kleinere Privatkliniken vereinigten. So kündigte die HKG für die kommenden Jahre einen »starken Personalabbau« an, der sich vor allem im Verwaltungsbereich der Krankenhäuser niederschlagen werde. Um Kapazitäten zu bündeln, würden verschiedene Kliniken fusionieren. Um einen härter werdenden Konkurrenzkampf zu bestehen, müßte es zu einer »Leistungsverdichtung in den Arbeitsprozessen« kommen, sagten Vertreter der HKG.

http://www.jungewelt.de/2005/12-29/017.php



Eigenständige Verlagsbüros in Hamburg und Bremen werden geschlossen. Lokalredaktionen bleiben und produzieren gemeinsame Nord-Beilage

Wie die Gewerkschaft ver.di mitteilte, werden zu Silvester die bisher eigenständigen Verlagsbüros der taz in Hamburg und Bremen schließen. Außer einigen Mitarbeitern für die Anzeigenakquisition wird das Personal entlassen. Doch was wird dann aus den Lokalbeilagen in Hamburg und Bremen? Was aus den dazugehörigen Redaktionen? Gegenüber junge Welt hatte taz-Geschäftsführer Karl Heinz Ruch schon Ende August auch deren Schließung gefordert. Statt dessen sollte es eine gemeinsame Nord-Beilage mit Sitz in Hamburg geben. Doch dann war der Protest so groß, daß die taz-Genossenschafterversammlung einen Kompromiß beschloß: Geschäftsführung, Chef- und Lokalredaktionen sollten sich bis März 2006 auf ein gemeinsames Konzept verständigen, bei dem Redaktionspersonal möglichst nicht entlassen wird.

Für die Mitarbeiter der Verlagsbüros war derartiges nicht mehr zu erreichen. Für sie wurde kurz vor Weihnachten von Geschäftsführung, Betriebsrat und Gewerkschaft ein Sozialtarifvertrag abgeschlossen. Jeder Entlassene erhält demnach eine Abfindung in Höhe eines vollen Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr und kann bis zu zwölf Monate in eine Transfergesellschaft wechseln. Untätig waren auch die Redaktionen nicht, die mit der Geschäftsführung aus Berlin ein neues Zeitungskonzept verhandelten.

Der Rohling dafür sei schon gegossen, berichtete Ko-Geschäftsführer Andreas Bull gegenüber junge Welt. Bull gab an, daß die neue »taz nord« zwar nach wie vor Lokalfenster für Bremen und Hamburg vorsehe, doch deren Seitenumfang soll von jeweils zwei auf eine gekürzt werden. Statt dessen werden gemeinsame Nordseiten expandieren. Nicht auf diese Seitenaufteilung käme es an, sondern auf ein neues journalistisches Konzept, sagte Bull, der dieses mit einem »Weg vom Kleinteiligen« in der Berichterstattung aus Bremen und Hamburg umschrieb. Das Redaktionspersonal werde nicht entlassen, sondern übernehme neue Aufgaben.

Damit scheint sich die Berliner Geschäftsführung weitgehend durchgesetzt zu haben, die eine Abwicklung der städtischen Lokalbeilagen seit langem betreibt. Als vor drei Jahren die Lokalausgaben, die digitaz und Le Monde diplomatique in eine eigene taz-Entwicklungsgesellschaft mbH und Medien KG ausgegliedert wurden, zeigte sich, daß allein die Lokalausgaben in Hamburg und Bremen Verluste von jährlich 250000 Euro einfahren. Auch konnte notwendiges neues Kommanditkapital nicht aufgebracht werden. So begann die Diskussion um eine Zusammenlegung der verschiedenen Stadtbeilagen. In Nordrhein-Westfalen wurden Köln und Bochum zur »taz nrw« zusammengeschlossen. Auch die Lokalbeilagen für Hamburg und Bremen wurden in ihrem Seitenumfang bereits reduziert: von ursprünglich jeweils vier auf jetzt zwei Seiten. Im Ausgleich entstanden zwei Nord-Seiten. Diese Entwicklung setzt sich nun fort.

In ihrer Begründung hatten die taz-Geschäftsführer wiederholt betont, daß das Interesse an lokaler Publizistik generell abnehme. Was dabei aber aus dem Blick gerate, sei die Metropolbedeutung von Hamburg und Bremen auch für das Umland, betonen Kritiker. Sie fragen zudem, ob eine gemeinsame »taz nord« überhaupt einen Sinn macht, denn anders als in NRW fehle ein gemeinsamer landespolitischer Rahmen. In der Tat haben Bentheim, Hameln-Pyrmont, Kiel, Bremerhaven, Hamburg und Dittmarschen als journalistisches Referenzgebiet wenig miteinander zu tun. Später, so wird befürchtet, könnte deshalb entschieden werden, daß letztlich auch ein bundesweiter Zeitungsmantel der taz reiche.

http://www.jungewelt.de/2005/12-28/014.php



Finanzminister Schleswig-Holsteins stellte Einzelheiten seines sozialpolitischen Kahlschlags vor

Fünf Tage nach der Verabschiedung des Landeshaushalts von Schleswig-Holstein veröffentlichte Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) am Mittwoch die Einzelheiten des damit zusammenhängenden sozialpolitischen Kahlschlags. Das »Sparprogramm« umfaßt – bei einem Haushaltsvolumen von gegenwärtig 8,2 Milliarden – fast eine Milliarde Euro. Betroffen sind davon vor allem die 42000 Landesbeschäftigten sowie die Mitarbeiter der kommunalen Verwaltungen. Ihre Arbeitszeit soll (ohne Lohnausgleich) von 38,5 auf 41 Stunden in der Woche steigen. Außerdem will Wiegard 2000 Stellen streichen.

Begründet wird der Kahlschlag mit der chronischen Finanzmisere des Landes, das auch den Haushalt 2006 nur durch Aufnahme weiterer Kredite decken konnte. Diese allein liegen bei 1,6 Milliarden Euro. Haushaltskonsolidierung will Wiegards Chef, Ministerpräsident Harry Carstensen, aber nur durch »Sparaktionen« gewährleistet sehen, während politische Schritte für die Erhöhung eigener Einnahmen kaum zu erkennen sind. Mächtig bluten sollen deshalb auch die Studenten, denen neue Studiengebühren aufgebrummt werden sollen, obwohl der Koalitionspartner SPD, dies bislang strikt ablehnte. Kassieren will Wiegard bei den Studenten aber auch durch Kürzungen der BAföG-Zuschüsse. Erste Mittelkürzungen für den Bildungsbereich, beim Blindengeld und in weiteren Förderprogrammen hatte der Landtag schon für 2006 beschlossen.

Äußerst unterschiedlich fällt dazu die Kritik der Opposition aus. Während die Grünen haushaltspolitische Vorgaben vor allem dafür kritisieren, daß Verfassungsgrundsätze des Landes nicht beachtet worden seien, weil die Summe der Investitionen noch deutlich unter dem Wert der Nettoneuverschuldung liegt, verlangte FDP-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kubicki gleich mehr Geld für Kindergärten, Blinde, Behinderte und AIDS-Kranke. Dafür will Kubicki aber Teile der HSH Nordbank verhökern, womit er sich Einnahmen von 600 Millionen verspricht. Grundsätzliche Kritik kommt nur von der Linkspartei, deren Landesvorsitzende Eda Lechner Sozialabbau und Kürzungen bei den Förderprogrammen strikt ablehnt. Sie fordert eine neue politische Strategie, die zusätzliche Haushaltsmittel durch Einnahmeerhöhungen mobilisiert. Deshalb soll sich auch Schleswig-Holstein für eine neue Form der Vermögenssteuer aussprechen, die Reiche gebührend zur Kasse bittet.

http://www.jungewelt.de/2005/12-23/017.php



Hamburg: Protest gegen den Mehrheitsverkauf der Hafen- und Logistikgesellschaft und der Hochbahn an die Deutsche Bahn AG

Mit einem Autokorso durch das Hafengelände demonstrieren am heutigen Donnerstag Hunderte Mitarbeiter der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) und der Hamburger Hochbahn (HHA) gegen einen Mehrheitsverkauf ihrer Unternehmen an die Deutsche Bahn AG. Der Senat der Hansestadt bereitet ihn seit Wochen vor. Höhepunkt der Aktion soll die Rushhour um 16 Uhr sein, wenn der Konvoi die Köhlbrandbrücke erreicht. Damit solle ein Verkehrschaos ausgelöst werden, wie es die Stadt schon lange Zeit nicht erlebt habe. Doch werde dies nur der Auftakt der Proteste sein, sagte HHLA-Betriebsratschef Fred Timm gegenüber jW und wollte auch Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Privatisierung nicht mehr ausschließen.

Schlagzeilen zum Thema hatte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) schon vor Wochen ausgelöst, als er den Deal zur Privatisierung beider Unternehmen an die Forderung koppelte, die Bahn müsse ihre Konzernleitung von Berlin nach Hamburg verlegen. Strukturpolitische Gründe ließen Derartiges nicht zu, beendete ein Sprecher der Bundesregierung schließlich die Debatte, der auf hohe Arbeitslosigkeit auch in der Berliner Region verwies. Doch davon unbeeindruckt, halten Hamburgs CDU-Politiker an ihrer Forderung fest. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) bezeichnete erst am Dienstag die Verlagerung der Bahn-Zentrale von Berlin nach Hamburg als eine »große Chance«. Auch Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) argumentierte ähnlich und will nun 74 Prozent aller Anteilswerte von HHLA und HHA an die Bahn AG übertragen. Hamburgs Senatoren geht es dabei weniger um Erlös (der reinvestiert werden soll), sondern um »ökonomische Expansion«, die man sich an der Elbe durch die Beteiligung an den weltweiten Geschäftsverbindungen der Bahn AG verspricht. So hob Peiner in diesem Zusammenhang das neue Standbein der Bahn AG in den USA hervor: die Logistikfirma Bax Global, mit deren Hilfe es der Stadt auch besser gelingen könne, die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen anzukurbeln. Das abweichende Votum der Bundesregierung kommentierte Peiner wie folgt: Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsminister stünden dem Hamburger Projekt schon »sehr aufgeschlossen« gegenüber, nur Innenminister Wolfgang Schäuble blockiere noch ein wenig und müsse deshalb überzeugt werden.

Diese Einschätzung teilen SPD, FDP, Grüne, Linkspartei und WASG, aber auch Handwerks- und Handelskammer in der Hansestadt nicht. Auch der gegenwärtige Aufsichtsrat der HHLA sieht große Probleme: Insbesondere ein Mehrheitsverkauf der HHLA führe dazu, daß die weitere Hafenentwicklung dann politisch kaum noch zu beeinflussen und damit für die Stadt auch unkalkulierbar sei. Sogar vier Bürgerschaftsabgeordnete der CDU haben sich deshalb gegen den Mehrheitsverkauf der HHLA ausgesprochen.

Wenn die Bahn AG 2008 an die Börse geht, hat sie nur als profitorientiertes und breitgefächertes Logistik-Unternehmen ökonomisch eine Chance. Experten meinen, dafür müsse das klassische Schienengeschäft auf maximal 30 bis 40 Prozent des jetzigen Umsatzes heruntergebrochen werden. Doch mit der HHLA würde die Bahn auch einen Konzern übernehmen, der allein durch den Umschlag von 4,6 Millionen Standardcontainern jährlich, aber auch durch Beteiligungen, Immobilien und Dienstleistungen im Hinterlandtransportsystem, schon jetzt zu den größten Logistikern in Deutschland gehört. Der Zugriff auf die HHA – größtes Personenverkehrsunternehmen der Stadt – verschafft der Bahn gleichzeitig mehr Gewicht im Hamburger Verkehrsverbund (HVV), der wiederum eng mit den Nahverkehrssystemen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen verflochten ist. Kritiker fürchten deshalb, die Bahn könne im Zusammenhang mit dem Börsengang durch gezieltes Ausschlachten beider Unternehmen versuchen, im Hinterlandverkehr der Seehäfen in Hamburg, Bremen und Kiel eine Monopolisierung zu erreichen. Das wäre für die außerhalb der Bahn verbliebene Hafenwirtschaft ein teures Vergnügen und würde für manchen Hafenarbeiter den Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten.

http://www.jungewelt.de/2005/12-22/017.php



WASG Nordrhein-Westfalen kritisiert den Haushaltsentwurf der CDU/FDP-Landesregierung. Protestaktionen angekündigt

Als erneuten Beweis »neoliberaler Brutalpolitik gegenüber weiten Teilen der Bevölkerung« hat die WASG in Nordrhein-Westfalen den Haushaltsentwurf 2006 der CDU/FDP-Landesregierung bezeichnet. Seit Ende vergangener Woche wird dieser im Landesparlament debattiert. Der haushaltspolitische Kahlschlag in NRW konzentriert sich demnach im nächsten Jahr vor allem auf das Landespersonal und auf den Kinder- und Familienbereich, was die Kluft zwischen arm und reich verschärfe, wie die WASG in einer Erklärung hervorhob. Heftig kritisieren auch die im Landtag vertretenen Oppositionsparteien SPD und Grüne den Haushaltsentwurf. Im Zentrum ihrer Kritik steht, daß der Haushalt Vorgaben der Landesverfassung nicht entspreche. Zudem habe Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) damit Wahlversprechen gebrochen, weil dieser vor der Landtagswahl den Kinder- und Familienbereich zum Schwerpunkt seiner Politik machen wollte. Allein dort werden jetzt 220 Millionen weggekürzt.

Nach dem Entwurf bemißt sich der Haushalt auf 48,5 Milliarden Euro. Damit ist der Haushaltsansatz im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Milliarden Euro reduziert. Den größten Anteil der Einsparungen sollen Kürzungen beim Landespersonal erbringen. Die Landesregierung will allein im nächsten Jahr 2 260 und bis zum Ende der Legislatur über 10 000 Stellen beim Landespersonal streichen. Zudem sollen ein Gehaltsstopp, die Streichung des Weihnachtsgeldes und Arbeitszeiterhöhungen für Beamte Haushaltsentlastungen bringen. Doch auch die Angestellten sollen Gehaltskürzungen hinnehmen. Bluten müssen zudem die Arbeitsmarktprogramme (minus 28,6 Millionen Euro), die Kindergärten (minus 117 Millionen Euro), der Jugendhilfebereich (minus 21 Millionen Euro), die Flüchtlingsaufnahme (minus 36 Millionen Euro), die Volkshochschulen (minus 24 Millionen Euro), die Krankenhäuser (minus 24 Millionen Euro) und schließlich der soziale Wohnungsbau (minus 33 Millionen Euro).

Doch katastrophal sind nicht nur die nominellen Haushaltskürzungen. Der Haushaltsentwurf schichtet verschiedene Haushaltsvolumen tiefgreifend um. Um 2,6 Milliarden Euro sollen demnach die Investitionsmittel sinken, deren Ansatz jetzt bei 4,5 Milliarden Euro liegt. Da aber zur Deckung des Haushaltes – trotz der Einsparungen – zusätzliche Kredite in Höhe von 5,9 Milliarden Euro aufgenommen werden müßten, sprechen SPD und Grüne nun von einem Haushaltsentwurf, der den Verfassungsvorgaben des Landes nicht entspreche. Hintergrund: Die Landesverfassung schreibt vor, daß die Summe der Investitionskosten nicht kleiner sein darf als die Nettoneuverschuldung. Solcherart gesetzliche Vorgaben solle man »flexibel« handhaben, kontert die Landesregierung. Ein schwaches Argument. Trotzdem rechnen Beobachter kaum damit, daß nun Grüne und SPD vor das Verfassungsgericht ziehen werden; auch in ihrer Regierungszeit sind sie haushaltspolitisch nur mit ständigen Nachtragshaushalten über die Runden gekommen, bei denen sie den Verfassungsvorgaben wenig Beachtung schenkten. Das dahinter liegende Problem wird aber nicht kleiner, denn Experten schätzen, daß allein bei den kleineren Handwerksbetrieben des Landes ein jährliches Auftragsvolumen von über einer Milliarde Euro fehlen wird, was die Pleitewelle und die Arbeitslosigkeit ansteigen lassen wird.

Grundsätzlich stellt sich solch haushaltspolitischer Sachzwanglogik in NRW nur die WASG entgegen, die den Haushaltsentwurf als »Sparpaket sozialer Kälte« geißelte. Statt Einsparungen vorzunehmen, solle sich die Landesregierung lieber um die Erhöhung ihrer Einnahmen kümmern, sagte Edith Fröse, haushaltspolitische Sprecherin der NRW-WASG, gegenüber junge Welt. Fröse rechnete vor: Allein die Einstellung von 200 neuen Steuerprüfern brächte dem Land Mehreinnahmen von 1,2 Milliarden Euro. Doch Steuerbetrüger zur Kasse zu bitten, hielt schon die SPD/Grünen-Vorgängerregierung unter Peer Steinbrück (SPD) für nicht angebracht, weshalb Fröse von einer »nahtlosen Fortsetzung« einer bereits »gescheiterten Politik« spricht. Protestaktionen haben auch die Gewerkschaften angekündigt, die sich gegen die Absenkung des Weihnachtsgeldes und den Personalabbau wehren.

http://www.jungewelt.de/2005/12-19/017.php



Warnstreik und Demonstrationen Hamburger Studenten

Etwa 1000 Studenten haben am Samstag in Hamburg erneut gegen die Einführung von Studiengebühren demonstriert. Polizei und Versammlungsbehörde hatten zuvor versucht, den angemeldeten Aufmarsch aus der Innenstadt fernzuhalten, um so den verkaufsoffenen Samstag für die Geschäftswelt ohne Störungen ablaufen zu lassen. Gegen diese Einschränkung des »Grundrechts auf Versammlungsfreiheit« hatte der AStA der Uni Hamburg vor dem Verwaltungsgericht geklagt, das den Studierenden (kurz vor Demo-Beginn) schließlich auch Recht gab und eine Demo durch die Innenstadt genehmigte.

Bereits am Donnerstag und Freitag hatten Studierende mit einem zweitägigen Warnstreik, durch Aktionen und im Rahmen eines alternativen Vorlesungsprogramms erneut auf ihre Forderungen aufmerksam gemacht. Neben dem Philosophenturm und dem Pädagogischen Institut, wurden dabei auch der soziologische Fachbereich und das Geomatikum der Uni Hamburg blockiert und bestreikt. Mit Transparenten wie »Studiengebühren stoppen« oder »Existenzgeld für alle« hatten Studenten am Freitag auch zeitweilig das BAföG-Amt besetzt, das sie erst wieder verließen, nachdem sich die Amtsleitung mit den Studenten solidarisch erklärte.

Wie schon im November richteten sich die Protestaktionen gegen einen Gesetzentwurf von Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos), der allgemeine Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester bereits zum Herbst nächsten Jahres einführen will. Während sich Dräger davon eine bessere Finanzierung der Universitäten verspricht, befürchten die Studenten, daß ein Bezahlstudium künftig viele Menschen von höherer Bildung ausschließt.

http://www.jungewelt.de/2005/12-19/014.php



Landesverbände der Wahlalternative kritisieren Ergebnisse des Parteitages der Linkspartei. Debatte um Koalitionspolitik verschärft sich

Nachdem WASG-Vertreter aus Hamburg, Bremen und dem Saarland scharfe Kritik am »rot-roten Koalitionsgeschwätz« und einer »ausgrenzenden Rhetorik« des Dresdner Parteitags der Linkspartei geübt hatten (junge Welt berichtete), kommt diese nun auch aus den mitgliederstärksten Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Hinterfragt wird auch das Kooperationsabkommen samt Doppelmitgliedschaft, das auf dem Parteitag der Linkspartei am letzten Wochenende in Dresden beschlossen wurde. So will die Berliner WASG führende Linkspartei-Politiker nicht aufnehmen. Ein Aufnahmeantrag von Stefan Liebich, Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, wird als »Provokation« bezeichnet, denn dieser hatte die örtliche Wahlalternative erst kürzlich erneut als »Gurkentruppe« bezeichnet.

Es bestehe der Eindruck, daß »führende PDS-Politiker an einer ernsthaften, gleichberechtigten und breit geführten Diskussion« zum politischen Profil einer neuen Linken nicht wirklich interessiert sind, sagte Wolfgang Zimmermann, WASG-Landessprecher in NRW, gegenüber junge Welt. Auch den Koalitionsambitionen für 2009 erteilte er eine klare Absage. Daß sich Oskar Lafontaine anders geäußert habe, sei »bedauerlich«, ändere daran aber nichts. Hingegen müsse die Linke Debatten darüber vertiefen, wie sie gegen »jedwede Form neoliberaler Politik« besser agieren könne. Von einer kurzfristigen Verschmelzung durch Doppelmitgliedschaften hält Zimmermann nichts. Zur Förderung politischer Debatten will er nun in NRW eine Koordinierungsstelle schaffen, der ebenso Mitglieder anderer linker Gruppen angehören sollen. Auch NRW-Linkspartei-Landessprecher Paul Schäfer hatte zuvor eine größere Offenheit angemahnt, bei der er namentlich u. a. die DKP erwähnte.

Als »völlige Desorientierung« bezeichnete Bernd Riexinger, Vorsitzender der WASG in Baden-Württemberg, die Koalitionsambitionen der Linkspartei. »Skandalös« nannte er am Freitag gegenüber junge Welt die Äußerung des Linkspartei-Vorsitzenden Lothar Bisky, »nicht alle Linken« auf den gemeinsamen Weg einer »Neuen Linken« mitnehmen zu wollen. Das zeige ein »technokratisches Verständnis«, während die »Neue Linke« doch tatsächlich nur als Teil breiter gesellschaftlicher Oppositionsbündnisse zu entwickeln sei.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Sachsen mehren sich die kritischen Stimmen gegenüber der Linkspartei. In Mecklenburg-Vorpommern will WASG-Landessprecher Karsten Dorre schon vor den Landtagswahlen geklärt haben, ob und unter welchen Bedingungen die Koalitionspolitik danach fortgesetzt werde. In Leipzig fordert die Basis, ein »gemeinsamer Wahlantritt mit der Linkspartei« setze zuvor einen »grundlegenden Kurswechsel« auch in Berlin voraus. In Niedersachsen wehrt sich Frerich Rüst vom Landesvorstand gegen »unkontrollierte Masseneintritte aus der Linkspartei«. Ähnlich äußerten sich Kreisvorstände in Lübeck, Ostholstein und Lauenburg. Gerade in Schleswig-Holstein waren etliche Mitglieder der Linkspartei in den letzten Tagen der WASG beigetreten. Zudem zirkuliert in verschiedenen Landesverbänden der WASG ein Antrag an den Bundesparteitag im März, der das Kooperationsabkommen mit der Linkspartei verändern möchte. So sollen darin »parteienrechtlich verbürgte demokratische Entscheidungsrechte« der WASG-Gliederungen garantiert werden. Das bezieht sich auch auf das Recht, eigenständig zu kandidieren.

http://www.jungewelt.de/2005/12-17/019.php



Delegiertenkritik am Dresdner Parteitag der Linkspartei. WASG-Mitglieder fordern statt Koalitionsbestrebungen klare Oppositionspolitik

Als »schlimmsten Parteitag«, den sie je miterlebt hätten, schilderten Parteitagsdelegierte der Linkspartei aus Hamburg am Montag frustriert ihre Eindrücke vom Dresdner Parteitag gegenüber junge Welt. Die Delegierten seien vor allem zum »Abnicken« fertiger Beschlüsse gebraucht worden. Erschrocken über den Parteitagsverlauf zeigen sich auch Mitglieder der WASG. Sie stellen sich die Frage, ob ein solcher Stil den Fusionsprozeß zwischen Linkspartei und WASG bestimmen soll. »Schockiert« ist beispielsweise Bremens WASG-Vorstandssprecher Wolfgang Meyer insbesondere vom »rot-roten« Koalitionsgeschwätz, das nun mit Dresden fast schon den Rang eines »strategischen Ziels« für die Bundestagswahlen 2009 bei der Linkspartei eingenommen habe. Berlin habe deutlich gezeigt, daß solcherart »alte PDS-Politik« längst gescheitert sei, sagte Meyer. Dem Bundesvorstand der WASG rät Meyer, mit »klaren Konfliktlinien zu neoliberaler Politik« künftig die »eigene Ängstlichkeit« auch in den Verhandlungen mit der Linkspartei zu überwinden. Nur so könnten Grundlagen für eine gemeinsame und realistische Oppositionspolitik entwickelt werden.

Ähnlich äußerte sich auch Hamburgs WASG-Vorstandssprecher Berno Schuckart, der das Koalitionsgerede in Dresden als »echte Katastrophe« bezeichnete. Er fragte, worin sich denn die Politik des »rot-roten« Berliner Senats von der des Hamburger CDU-Senats wirklich unterscheide? Kritik kommt auch aus dem Saarland. WASG-Landesgeschäftsführer Franck Unterschemann findet, daß selbst das 100-Tage-Programm der Bundestagsfraktion schon viel zu viele und »angepaßte Kompromißformulierungen« enthalte. Verärgert berichtete Unterschemann, daß ihm zum Wochenende ein ganzer Kreisverband abhanden gekommen sei, der aus Protest gegen den Schmusekurs mit der Linkspartei die WASG verlassen habe.

Heftig wird an Elbe, Weser und Saar aber auch die Art und Weise kritisiert, wie sich vor allem die Parteigranden der Linkspartei eine Fusion der beiden Organisationen vorstellen. Von der Idee einer »neuen Linken«, die gleichberechtigt verschiedenste Oppositionskräfte einbeziehe, sei »nichts mehr zu spüren«, ärgerte sich Schuckart. »Wir sagen, wo es lang geht« – so interpretierte Schuckart hingegen manche Redebeiträge des Dresdner Parteitages, wo zuweilen ein »nicht akzeptabler« Geist der Ausgrenzung geweht habe. Kritisch äußerte sich auch Meyer, der den Verdacht äußerte, die Führung der Linkspartei stelle sich eine »neue Linke« als Fortsetzung der alten PDS vor.

Kritik traf nicht nur die Spitzen der Linkspartei, sondern auch den Bundesvorstand der WASG. In Bremen kritisierten die Vorstandskollegen von Meyer, Wolfgang Lukaszewicz und Jan Restat, daß Vereinbarungen mit der Linkspartei stärker basisdemokratisch vorbereitet hätten werden müssen. Eine Position, die auch der Saarländer Unterschemann vertritt. Das neue Kooperationsabkommen scheint jedenfalls in kaum einer örtlichen Gliederung der WASG diskutiert worden zu sein.

Zur Frage einer möglichen eigenständigen Wahlbeteiligung der WASG in Berlin betonten die Landesvorständler der WASG in Bremen, daß dies die Angelegenheit des Berliner Landesverbandes sei. Ein Standpunkt, der auch schon im Länderrat der WASG laut wurde. Innerparteiliche Drohungen, so Meyer, seien hingegen »unrealistisch«, denn viele Mitglieder der WASG könnten nachvollziehen, daß sich die Berliner Organisation der dortigen Senatspolitik »nicht einfach unterordne«. So sehen es auch die Hamburger WASG-Vorstandsmitglieder Wolfgang Behrens und Tilo Schönberg, die, wie fast alle Hamburger, eine Einheit mit der Linkspartei im Grundsatz befürworten. Dennoch sei die Behinderung einer möglichen Wahlbeteiligung der Berliner WASG als »unzulässige Einschränkung« der nach wie vor vorhandenen Eigenständigkeit deutlich zurückzuweisen.

http://www.jungewelt.de/2005/12-14/016.php



Erzwingungsstreik in Hamburgs Krankenhäusern wird immer wahrscheinlicher

In Hamburg bereitet sich die Gewerkschaft ver.di auf den »massivsten Arbeitskampf der letzten Jahrzehnte« vor, wie ihr Landesbezirksvorsitzender Wolfgang Rose erklärt. Sollten sich die Krankenhausbetreiber der Übernahme des »Tarifvertrages öffentlicher Dienst« (TVöD) weiterhin verweigern, sei ein »großflächiger Erzwingungsstreik« im ersten Quartal 2006 unumgänglich, so Rose gegenüber jW.

Wie berichtet wollen die Krankenhausbetreiber statt des TVöD einen Branchentarifvertrag durchsetzen. Dieser soll Arbeitszeitsverlängerungen ohne Lohnausgleich, die Streichung von Schicht-, Weihnachts- und Urlaubszulagen sowie Lohnkürzungen von bis zu 20 Prozent beinhalten.

Angesichts eines schwachen gewerkschaftlichen Organisationsgrades von nur 30 Prozent sowie der Angst vieler Mitarbeiter vor Arbeitsplatzverlust sah es längere Zeit tatsächlich so aus, als könnten die Dienstherren diese Forderung relativ mühelos durchsetzen. Doch mit immer neuen Provokationen sorgten sie dafür, daß die Zeichen inzwischen eher auf Sturm stehen. So wurden Ende November bereits ausgezahlte Einmalzahlungen einfach wieder vom Gehalt abgezogen, ohne Verhandlungen abzuwarten. Und dann kam die Nachricht, daß für Teile des Personals selbst das Weihnachtsgeld nicht mehr ausgezahlt wird. Spätestens damit war der Bogen überspannt, und die Warnstreiks Anfang Dezember haben gezeigt, daß auch das nichtärztliche Personal aus den Bereichen Pflege, Technik und Reinigung zum Streik bereit ist.

Inzwischen geben sich auch die Funktionärsetagen der Gewerkschaft in der Hansestadt kämpferisch. Monatelang hatte die ver.di-Führungsriege trotz aller Kritik der Basis Einzelheiten des neuen TVöD und diverse Zusatzverträge mit den Dienstherren verhandelt. Einige Kröten, wie beispielsweise eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten, hatte ver.di bereits geschluckt.

Doch den Krankenhausbetreibern war dies noch nicht genug. Kurz vor Unterzeichnung des neuen Tarifvertrages, der ab 1. Oktober mit einer Laufzeit von 35 Monaten gelten sollte, traten sie aus der Tarifgemeinschaft der »Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg« (AVH) aus. Sie gründeten die neue »Krankenhaus-Arbeitgebervereinigung Hamburg« (KAH) und forderten gänzlich neue Verhandlungen. So fühlt sich nun auch manch Gewerkschaftsfunktionär ausgetrickst.

Für zusätzlichen Ärger sorgt, daß der ebenfalls aus der Tarifgemeinschaft geflohene Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Frank Ulrich Montgomery, inzwischen behauptet, daß nur die Ärzte beim TVöD Lohnverluste hinnehmen müßten, weshalb Arbeitsplätze des übrigen Personals auch zu Lasten der Ärzte gesichert worden seien. So will Montgomery seine Forderung von 30 Prozent mehr Gehalt nur für die Ärzte begründen.

Doch bevor auch das pflegerische, technische und Reinigungspersonal in den Streik tritt, muß die Gewerkschaft tarifrechtliche Voraussetzungen dafür schaffen. Nach deutschem Recht können Urabstimmungen erst eingeleitet werden, wenn Verhandlungen gescheitert sind. Deshalb hat ver.di dem neuen Unternehmerverband KAH nun gleich fünf Verhandlungstermine im Dezember vorgeschlagen. Doch von der KAH kam bisher keine Reaktion; sie sah sich nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Verhandlungstermin zu bestätigen. Alles laufe deswegen auf einen Streik hinaus, schätzt Rose die Situation ein.

http://www.jungewelt.de/2005/12-12/014.php



Betriebsräte kritisieren Fördermaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit

Auf die katastrophalen Zustände im Jugendbildungsbereich wiesen am Donnerstag Betriebsratsvorsitzende mehrerer großer deutscher Weiterbildungsträger hin. Dafür trage besonders die Bundesagentur für Arbeit (BA) Verantwortung.

Das neue Ausschreibungsverfahren der BA habe zu einem »dramatischen Qualitätsverlust« geführt, kritisieren die Betriebsräte. Maßnahmen der Berufsvorbereitung ( BVB ), der außerbetrieblichen Berufsausbildung (BaE) und Ausbildungsbegleitende Hilfen (ABH) werden danach nur noch für Bildungsträger bewilligt, die mit den geringsten Kosten arbeiten.

Wie die neuen Ausschreibungsbedingungen wirken, zeigten die Betriebsräte Carsten Rieger von der Passage GmbH und Gert Courté vom GRONE Ausbildungszentrum in Hamburg. Während die Passage GmbH ihre Malerwerkstatt gerade schließen musste, weil sie ihr Ausbildungspersonal nach Tarif bezahlt und deshalb als Träger im Ausschreibungsverfahren zu teuer war, konnte das GRONE Ausbildungszentrum, das geringere Löhne zahlt, eine Malerwerkstatt neu einrichten. Wolfgang Schönewolf, Betriebsratsvorsitzender von der Jugendbildung Hamburg, warnte davor, dass Billiganbieter, die nur noch mit Honorarkräften arbeiten, nun auf den Jugendbildungsmarkt drängen. Schon jetzt sei das Bruttogehalt für das Ausbildungspersonal im Jugendförderungsbereich erheblich gesunken: in Hamburg von etwa 3000 Euro vor einem Jahr auf jetzt 2000 Euro im Monat.

Solcherart Gehaltsdumping kennzeichnet die Jugendbildungsbranche aber in ganz Deutschland. Besonders schlimm ist es etwa in Sachsen-Anhalt, wie der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates des VHS-Bildungswerks Ulrich Kreutzberg schilderte. Dort lägen die Ausbildergehälter längs unter denen der untersten Gehaltsgruppe in der Baubranche.

»Wir bilden Jugendliche aus, die es ohne eine besondere Förderung nicht schaffen«, formulierte Helmut Kramer, Gesamtbetriebsratsvorsitzender eines Berufsbildungswerks in Gelsenkirchen, die Folgen dieser Entwicklung. Um diese aufzuhalten, haben sich Kreutzberg und Kramer schon vor Monaten im »Arbeitskreis der Betriebsräte überregionaler Bildungsträger« zusammengeschlossen. Einen »Arbeitskreis der Betriebsräte Hamburger Weiterbildungsbetriebe« haben nun auch Rieger, Courté und Schönewolf gegründet. Im »Bündnis der Vernunft« wollen sie auch die Arbeitsagentur mit ins Boot holen. Von der fordern sie, als Vergabekriterium Mindestlohnbedingungen und Anforderungen zur Qualitätssicherung zu berücksichtigen.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=82401&dc=2&db=Archiv



Bündnis ruft zur Demonstration am 10. Dezember in Hamburg gegen Abschiebepolitik des Senats

Anläßlich des internationalen Tages der Menschenrechte und unter dem Motto »Deutschland verletzt Menschenrechte« ruft ein Bündnis unterschiedlichster Gruppen für diesen Samstag zu einer Demonstration in Hamburg auf. Die »rassistische und diskriminierende Behandlung von Flüchtlingen« steht dabei im Mittelpunkt, wie das Demo-Bündnis (darunter Flüchtlingsrat, VVN und verschiedene Solidaritätsgruppen) in einer Stellungnahme unterstreicht. Gleichzeitig kritisiert das Bündnis Menschenrechtsverletzungen infolge deutscher Politik durch Kriegseinsätze, Rüstungsexport, einseitige Wirtschaftsverträge und die Unterstützung diktatorischer Regime.

Schon vor 57 Jahren, am 10. Dezember 1948, haben die Vereinten Nationen die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte« verabschiedet. Das war auch die Geburtsstunde des internationalen »Tages der Menschenrechte«. Doch während in offiziellen Veranstaltungen zum 10. Dezember, Menschenrechtsverletzungen eher als Problem der »Entwicklungsländer« beschrieben werden, bleiben solche in Europa, den USA und auch in Deutschland weitgehend ein Tabu. Diese Logik will das Hamburger Demo-Bündnis durchbrechen, das nun bereits im dritten Jahr zu einer eigenen Aktion aufruft. In verschiedenen Materialien schildern die Veranstalter, wie Menschenrechte auch durch einseitige Wirtschaftsverträge in Frage gestellt werden, die zur »Ausbeutung und Destabilisierung armer Länder« beitragen. Konkret wendet sich der Aufmarsch in Hamburg in diesem Zusammenhang auch gegen die rigide Abschiebepolitik des CDU-Senats.

* Demo zum »Tag der Menschenrechte« am 10. Dezember in Hamburg: 11 Uhr ab Jungfernstieg. Infos dazu und zu den weiteren Veranstaltungen im Bundesgebiet unter: www.thecaravan.org

http://www.jungewelt.de/2005/12-09/016.php



Redaktion wird nach Übernahme aufgelöst

Als im Mai 2005 der Münchner Burda Verlag (TV Spielfilm) das Konkurrenzblatt TV Today kaufte, sollte dessen Redaktion erhalten bleiben. Jetzt wird es ganz anders kommen.

Die Auflösung der TV-Today-Redaktion ist ein halbes Jahr nach der Übernahme durch den Burda-Verlag beschlossene Sache. Bis März 2006 werden 40 verbliebene Mitarbeiter – von 108 – entlassen. Ihre Arbeit sollen TV-Spielfilm-Mitarbeiter übernehmen. Mit Warnstreiks, die Ende letzter Woche begannen, kämpfen TV-Today-Redakteure nun um Abfindungen von 2,5 Bruttogehältern pro Beschäftigungsjahr – Burda bietet 0,5. Die Belegschaft will zudem eine für ein Jahr tätige Transfergesellschaft – Burda bügelt dies bisher ab. Auch die 4. Verhandlungsrunde am Montagabend brachte keine Annäherung.
Veränderungen kommen damit auch auf die Leser zu. Zwar hat Burda angekündigt, beide Titel mit eigenem Mantel und eigenem Programm zu erhalten. Doch es könnte auch anders kommen.

Die Fusion ist lange vorbereitet. Zunächst kaufte Hans Barlach, Verleger der Hamburger Morgenpost, mit Burda-Geld TV Today von Gruner & Jahr. Zugleich stockte Burda seinen Anteil an TV Spielfilm von 50 auf 100 Prozent auf. Dann übernahm Burda von Barlach auch TV Today; zunächst 49 Prozent, Mitte 2005 den Rest. Job-abbau bei TV Today auf die jetzige Belegschaft von 40 Mitarbeitern war die Folge, während gleichzeitig ganze Funktionsbereiche von TV Today – wie das Anzeigen- und Werbegeschäft, aber auch die Gestaltung der Fernsehprogrammbeilage des »Stern« – nach und nach auf die Redaktion des ehemaligen Konkurrenten TV Spielfilm übergingen. Sodann kündigte Burda im September einen gemeinsamen Auftritt der Blätter beim Anzeigengeschäft an. Das geht aber nur, wenn die für unterschiedliche Leser konzipierten Blätter in ihrer Struktur angeglichen werden.

Anfang 2006 soll nun die Lizenz von TV Today auf TV Spielfilm übergehen und die Restredaktion von TV Today zu Gunsten der dreifach größeren von TV Spielfilm aufgegeben werden. Aus Sicht von Burda ist dies folgerichtig. Mittelfristig ist damit aber das Blatt selbst überflüssig, mutmaßt TV-Today-Betriebsratschef Volker Schönenberger, der gegenüber ND darauf hinweist, dass bisherige Bewertungs- und Textarchive nicht übernommen werden. Dieser Verlust wäre für die Leser erheblich, denn Programminformationen werden bei TV Today journalistisch aufgearbeitet.

Beide Blätter leiden unter Auflagenverfall. Auf 820 000 verkaufte Hefte pro Ausgabe brachte es TV Today noch 2003. Heute sind es 660 000. TV Spielfilm schrumpfte von über 2 auf jetzt 1,6 Millionen. Die aus Verlegersicht konsequenten Sparmaßnahmen gelten den Journalistengewerkschaften DJV und DJU als »eiskalt«. In »frühkapitalistischer Weise« springe Burda mit den Redakteuren um.

Veränderungen im Fernsehzeitschriftenmarkt sind aber nicht nur bei Burda auf der Agenda. Auch der Bauer-Verlag hat für TV Movie und TV 14 gemeinsame Vermarktungsstrategien angekündigt.

http://www.jungewelt.de/2005/12-28/014.php



Mecklenburg-Vorpommern: WASG-Mitglieder für selbständige Kandidatur, aber Abstimmungsquorum verfehlt

Sollte die »PDS ihren neoliberalen Kurs in der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern« fortsetzen, will die WASG 2006 bei den Landtagswahlen selbständig antreten. Wie der Landesvorstand der WASG in Mecklenburg-Vorpommern jetzt bekanntgab, sagten 76,3 Prozent in einer Urabstimmung zu dieser Forderung »Ja«. Doch welche konkrete Wahloption daraus folgt, ist trotzdem fraglich, denn an der Urabstimmung haben sich insgesamt nur 49 Prozent der Mitglieder beteiligt, womit ein notwendiges Mindestquorum von 50 Prozent knapp verfehlt wurde. Mit Spannung wird deshalb eine Landesmitgliederversammlung erwartet, die am 17. Januar endgültig über die Form der Wahlbeteiligung der WASG an den Landtagswahlen 2006 entscheiden soll.

Für die geringe Beteiligung an der Urabstimmung sei ausschließlich der Bundesvorstand der WASG verantwortlich, kritisierte Frank Wiese aus dem Kreisverband Rostock gegenüber junge Welt. Dieser habe – nach den Ereignissen in Berlin – eine »regelrechte Boykott-Kampagne« gefahren, damit sich weniger Mitglieder an der eigenen Urabstimmung beteiligten. Nun hofft Wiese, daß die Mitgliederversammlung im Januar 2006 eine Eigenkandidatur beschließt. Die WASG habe sich gegründet, um aktiv gegen Sozialabbau und neoliberale Politik zu kämpfen. Deshalb gebe es an der Basis große Unzufriedenheit damit, zugunsten der PDS auf eigene Wahloptionen zu verzichten.

Für die gemeinsame Kandidatur mit der Linkspartei sprach sich hingegen Wilfried Freier vom WASG-Landesvorstand aus, der das Ergebnis der Urabstimmung als Niederlage der Befürworter einer Eigenkandidatur bewertete. Die Linkspartei habe mit ihrem Arbeitsminister Helmut Holter gerade in Mecklenburg-Vorpommern ein soziales Profil bewahrt. Holter hole für die Arbeitslosen das »heraus, was herauszuholen ist«.

http://www.jungewelt.de/2005/12-07/015.php



Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein protestiert gegen die Einrichtung sogenannter Ausreisezentren

In Schleswig-Holstein hat der Flüchtlingsrat gegen die Bildung neuer Ausreisezentren für Flüchtlinge protestiert. Innenminister Ralf Stegner (SPD) hatte zuvor angekündigt, Erstaufnahmeflüchtlinge künftig neun Monate lang in Kasernen der Standorte Lübeck und Neumünster festzuhalten. Eine anschließende Umverteilung auf Kreise und Kommunen erfolge nur noch dann, wenn Asylanträge bis zu diesem Zeitpunkt durch das »Bundesamt für Flüchtlinge und Migration« noch nicht abgelehnt worden sind. Deshalb werden von einer längeren Kasernierung auch Flüchtlinge betroffen sein, die zwar ausreisepflichtig, nicht aber ausreisefähig sind.

Eine inhumane und diskriminierende Entscheidung nannten Vertreter des Flüchtlingsrats diese Vorgabe des Innenministers. So werde eine zeitnahe Integration von Flüchtlingen unmöglich. Kritisiert wird zudem, daß damit ein Zugang zu frei gewählten Beratungen oder die Inanspruchnahme qualifizierter Rechtsvertretungen kaum noch möglich ist. So unterstützt konnten in der Vergangenheit vor Verwaltungsgerichten bereits abgelehnte und ausreisepflichtige Asylbewerber doch noch Aufenthaltstitel erzwingen. Flüchtlingsratssprecher Martin Link forderte unterdessen, daß Flüchtlinge nicht in Kasernen, sondern in privatem Wohnraum untergebracht werden müßten, weil nur dies eine »perspektivoffene Flüchtlingsberatung« zulasse. Statt dessen aber verfolge das Innenministerium eine Politik, die »ausschließlich auf die Rückkehr« von Flüchtlingen fixiert sei.

In der Tat hieß es in der Stellungnahme des Innenministers, daß mit den neuen Sammelunterkünften »mehr ausreisepflichtige Ausländer zu einer freiwilligen Rückkehr« bewogen werden sollten. Dies sei besser und kostengünstiger, als einfach abzuschieben. Zynisch sagte Stegner: Es sei »inhuman«, Menschen »durch allzu lange Verfahren falsche Hoffnungen zu machen«, die am Ende doch ausreisen müßten. Die neuen Regelungen sollen ab 1. April 2006 greifen.

Stegner begründete die neuen Verfahrensregelungen auch mit den Erfahrungen der kommunalen Ausländerbehörden, deren Praxis zeige, daß es dort an Spezialwissen fehle, Rückführungen erfolgreich durchzuführen. So habe das Landesamt für Ausländerangelegenheiten im vergangenen Jahr 600mal Amtshilfe für die Ausländerbehörden der Kreise und kreisfreien Städte leisten müssen, um sogenannte Maßnahmen zur Beendigung von Aufenthalten ausreisepflichtiger Ausländer durchzusetzen. Es habe sich dabei zu je einem Drittel um »freiwillige Ausreisen«, Abschiebungen und Rücküberstellungen in ein anderes Land der Europäischen Union aufgrund des Dubliner Übereinkommens gehandelt.

http://www.jungewelt.de/2005/12-07/017.php



Linkspartei Schleswig-Holstein lehnte Mißtrauensantrag gegen Bundestagsabgeordneten wegen angeblicher »Stasi-Tätigkeit« mit knapper Mehrheit ab

Eine Mitgliederversammlung der Linkspartei Schleswig-Holstein in Neumünster hat am Sonntag mit 49 zu 42 Stimmen einen Mißtrauensantrag aus Flensburg gegen den Bundestagsabgeordneten Lutz Heilmann abgelehnt. Auch der Antrag zur Abwahl der Landesvorsitzenden Edda Lechner scheiterte knapp mit 39 zu 40 Stimmen. Der Versammlung war ein wochenlanger hysterischer Streit vorausgegangen, bei dem es um angebliche »Stasi-Tätigkeiten« Heilmanns ging. Auch die WASG hatte sich nach Kräften an der Schlammschlacht beteiligt, die der Spiegel drei Wochen nach den Bundestagswahlen mit der Behauptung inszenierte, Heilmann wäre zwischen 1985 und 1990 hauptamtlicher Mitarbeiter im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR gewesen, während dieser selbst auf dem Nominierungsparteitag im Juli nur einen »Wehrersatzdienst als Personenschützer« angab.

Tatsächlich sind beide Beschreibungen richtig, denn Personenschutz war in der DDR – anders als in der Bundesrepublik – dem Geheimdienst zugeordnet. Dort begann Heilmann als 19jähriger im Oktober ’85 seinen Wehrersatzdienst, dessen Dienstzeit er freiwillig verlängerte. Zu Heilmanns Aufgaben gehörten Einlaßkontrollen am Berliner Palast der Republik, wo die Volkskammer ihren Sitz hatte, manchmal auch Aufgaben im Objektschutz, wie die Kameraüberwachung des Gebäudes. Eine Arbeit, wie sie auch im Bundestag tägliche Realität ist.

Doch das Geschwätz von der »Stasi« reichte, um bei WASG und Linkspartei in Schleswig-Holstein eine Debatte loszutreten, bei der Beobachter manchmal den Eindruck hatten, Heilmann wäre nicht Personenschützer, sondern mindestens Top-Spion oder Geheimdienstchef gewesen. Die WASG hatte deshalb ihre Fusionsgespräche mit der Linkspartei ausgesetzt und die »Aufarbeitung« der Vorgänge sowie personelle Konsequenzen bei der Linkspartei eingefordert. Hysterie erfaßte aber auch Teile der Linkspartei, wo es in Lübeck, Kiel und Flensburg erregte Debatten, in Lübeck sogar die zeitweilige Spaltung des Kreisverbandes gab. Stein des Anstoßes: Lechner und Heilmann hatten es bei der Kandidatenkür versäumt, explizit darauf hinzuweisen, daß Wehrersatzdienst als Personenschützer in der DDR dem MfS zugeordnet war.

Dies sei ein Fehler gewesen, räumten Heilmann und Lechner gleich zu Beginn der Mitgliederversammlung ein. Allerdings schloß Heilmann einen Rücktritt kategorisch aus, weil ein solcher Schritt als Schuldeingeständnis gewertet werden würde. Statt dessen forderte Heilmann, der auch die Unterstützung der Bundestagsfraktion hat, eine offensive Geschichtsdebatte, die auch Details deutsch-deutscher Geschichte einbeziehe. Zur Unterstützung Heilmanns waren die Bundestagsabgeordneten Eva Bullig-Schröter, Hans-Kurt Hill und Roland Claus angereist.

Die Kritiker von Heilmann und Lechner interessierte das alles nicht. Stur verwiesen sie auf Bundesparteitagsbeschlüsse der PDS, die 1991 und 1993 eine Offenlegungspflicht für »Stasi-Tätigkeiten« festgelegt hatte. So blieb der Vorwurf, Heilmann und Lechner hätten die Basis »grob und vorsätzlich« getäuscht. Im Mitgliederrundbrief hatte Lechner bereits vor der Versammlung nach den wirklichen Gründen für die Debatte gefragt und auf unbefriedigte »Ämter- und Postenambitionen« hingewiesen, womit sie auf einen Streit um die Besetzung der Wahlkreisbüros hinwies. Doch im gleichen Rundbrief hatte auch der Flensburger Henning Nielsen, einer der Wortführer der innerparteilichen Opposition, seine antikommunistische Stoßrichtung der Kritik bereits klar festgelegt, als er von mangelnder Distanz zu den »Unterdrückungsapparaturen« der früheren DDR sprach. Nielsen ist ehemaliges Mitglied des Kommunistischen Bundes und gehört damit seit 1990 zu den PDS-Mitgliedern, die es als ihre vornehmste Aufgabe betrachten, nach links auszugrenzen, um so die PDS zu »erneuern«

http://www.jungewelt.de/2005/12-06/018.php



Sozialgericht Hamburg hob illegale Zuweisung einer »Arbeitsgelegenheit« auf

Erstmals hat sich in Hamburg ein Erwerbsloser erfolgreich aus einem Ein-Euro-Job herausgeklagt. In einem vor der 53. Kammer des Sozialgerichts Hamburg anhängigen Verfahren war streitig, ob der Kläger verpflichtet sei, an einer ihm von der Hamburger Arbeitsgemeinschaft zur Umsetzung des SGB II (ARGE) zugewiesenen »Arbeitsgelegenheit« bei der GRONE-Schule teilzunehmen. In dem Verfahren wollte das Gericht nun von der ARGE wissen, welche individuell auf den Kläger bezogenen Ziele damit verfolgt werden, was die ARGE aber nicht beantworten konnte. Um einer Verurteilung aus dem Weg zu gehen, hob sie die Zuweisung ersatzlos auf. Dennoch stellte das Gericht in einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung klar: Die Praxis der ARGE, im Massenverfahren Zuweisungen für Ein-Euro-Jobs zu erteilen, ohne daß individuelle Eingliederungskonzepte ausgearbeitet sind, sei rechtlich nicht haltbar. Die Sache hat Brisanz, denn eine weitere Kammer des Sozialgerichts hatte bereits verfügt, daß die Nichtannahme eines Ein-Euro-Jobs ohne Sanktionen bleiben müsse, wenn Zuweisungen fehlerhaft sind. Dies sei auch dann der Fall, wenn Arbeitsinhalte nicht konkret benannt werden, sondern diese dem Beschäftigungsträger überlassen bleiben.

Damit ist aber die gesamte Zuweisungspraxis der Hamburger ARGE in Frage gestellt, die auf Anfrage von jW schon im September eingestehen mußte, daß Zuweisungen in der Regel ohne Fallmanagement oder Eingliederungsvereinbarungen erfolgen. Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) gab in diesem Zusammenhang an, daß bei Verweigerung eines Ein-Euro-Jobs, Sanktionen bislang nicht greifen könnten, weil die ARGE-Software fehlerhaft sei und eine Bearbeitung nicht zulasse. Gegenüber junge Welt bezweifeln Rechtsanwälte nun den Wahrheitsgehalt dieser Aussage: Wirtschaftsbehörde und ARGE hätten sehr genau gewußt, daß ihre Zuweisungspraxis rechtswidrig ist, weshalb man vielfach von Kürzungen beim Arbeitslosengeld II abgesehen habe, wenn Erwerbslose die Annahme von Ein-Euro-Jobs verweigerten. Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm forderte Erwerbslose nun dazu auf, sich mit Widersprüchen offensiv gegen solche Zuweisungspraxis zur Wehr zu setzen.

Rechtliche Zweifel sind nach junge Welt vorliegenden Informationen aber nicht nur an der Zuweisungspraxis angebracht, sondern auch an der Maßnahmestruktur selbst, wie sie Träger der Ein-Euro-Jobs vorhalten. So hatte jW schon vor Monaten darauf hingewiesen, daß die GRONE-Schule Jobkontingente hält, ohne im ausreichenden Ausmaß tatsächliche Arbeits- oder Qualifizierungsangebote bereitzustellen. Für Erwerbslose eine unerträgliche Situation, die morgens zum »Abhaken« erscheinen müssen und dann den ganzen Tag darauf warten, daß dieser mit Nichtstun vorbeigeht, während gleichzeitig der Träger millionenschwere Zuschüsse für sein Jobkontingent erhält. Seinerzeit hatte die Wirtschaftsbehörde die Prüfung der GRONE-Schule zugesagt, was aber offenbar nicht geschehen ist, denn der gerade vor Gericht verhandelte Fall betrifft genau eine solche Maßnahme. Gegenüber junge Welt bestätigte aber auch Claus-Dieter Loets, Vizepräsident des Sozialgerichts, daß Ein-Euro-Jobs nach dem Sozialgesetzbuch an tatsächliche Arbeit gebunden sind. Mitarbeiter der grünen Bürgerschaftsfraktion kündigten inzwischen an, solche Fälle offensichtlichen Mißbrauchs nun auch parlamentarisch zur Sprache zu bringen.

http://www.jungewelt.de/2005/12-02/014.php



Warnstreik des Personals fast aller Hamburger Krankenhäuser gegen Lohnabbau

Punkt sieben Uhr morgens war es soweit: In fast allen Hamburger Krankenhäusern legten am Mittwoch Krankenpfleger und Angehörige des technischen Personals die Arbeit nieder. Mit Trillerpfeifen und dem lauten Ruf »Billig ist krank« zogen über 4000 Beschäftigte später vor den Sitz der »Krankenhaus-Arbeitgebervereinigung« (KAH) in der Nähe des Hamburger Hafens. Nachdem sich in den letzten Wochen bundesweit Ärzte für ihre Interessen zu Wort meldeten (seit Montag läuft der Warnstreik an der Berliner Charité), haben damit nun erstmals auch Krankenpfleger, Reinigungskräfte und Angehörige des technischen Personals für ein ganzes Bundesland deutlich gemacht, daß sie Lohnabbau nicht länger hinnehmen wollen. In verschiedenen Reden vor dem KAH-Gebäude wurden Erzwingungsstreiks ab Januar nicht mehr ausgeschlossen, sollten sich die Krankenhausbetreiber weiterhin weigern, den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) zu übernehmen.

Bundesweit ringt die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di um die Durchsetzung des TVöD, der Mitte des Jahres mit dem Bund ausgehandelt wurde und den bisherigen BAT ersetzt. Nur an den Universitätskliniken Baden-Württembergs ist dies bisher gelungen. Dem ging ein regionaler Erzwingungsstreik voraus.

Auch in Hamburg wollen die Krankenhausträger den TVöD nicht übernehmen. Über Nacht waren sie – kurz vor Inkrafttreten des neuen Tarifs – aus der »Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg« (AVH) ausgetreten und hatten die KAH gegründet, um die Tarifflucht durchzusetzen. Auch erste Warnstreiks am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) und am Allgemeinen Krankenhaus in Eilbek (junge Welt berichtete) konnten daran nichts ändern. Statt dessen veröffentlichten die »Arbeitgeber« Forderungen, die ver.di-Landeschef Wolfgang Rose als »Horrorkatalog« für die 20000 Beschäftigten in den Hamburger Krankenhäusern bezeichnete. Darin wird die Streichung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes und der Schichtzulagen, die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 42 Stunden (ohne Lohnausgleich), die Streichung von Urlaubstagen und die Kürzung von Gehalt gefordert, die sich nach Angaben der Gewerkschaft für eine Krankenschwester auf durchschnittlich 700 Euro Gehaltsverlust pro Monat summieren. Bei Neueinstellungen soll es nur noch befristete Arbeitsverträge geben.

Mit der Novemberabrechnung wurden den Mitarbeitern bereits 200 Euro vom Lohn abgezogen, die sie im Rahmen von Einmalzahlungen des TVöD bereits erhalten hatten. Mitarbeiter, die nach Juli 2003 eingestellt wurden, erhielten kein Weihnachtsgeld mehr, was sonst mit der Novemberabrechnung überwiesen wird. Die Wut und Fassungslosigkeit darüber war den Streikenden ins Gesicht geschrieben, als sie auf der Streikkundgebung auch den Marburger Bund ( MB ) ausbuhten, der, so Rose, mit seiner Standespolitik dazu beitrage, daß das einfache Personal auf der Strecke bleibe.

Der Mobilisierungserfolg des gestrigen Streiks gab den ver.di-Aktiven Mut. Schließlich hatte die Gewerkschaft nur ihre eigenen Mitglieder zum Protest gerufen und gleichzeitig sichergestellt, daß zentrale Funktionsbereiche an den Krankenhäusern weiterlaufen. »Eine Super-Beteiligung«, konstatierte Angelika Detsch, ver.di-Fachbereichsleiterin, zufrieden. So scheint der Weg nun tatsächlich in Richtung von Erzwingungsstreiks zu gehen, mit denen ab Januar zu rechnen ist. Zuvor war im Gewerkschaftshaus nicht selten auch Angst vor einem Großkonflikt zu spüren. Funktionäre verwiesen auf mangelnde Streikerfahrungen des pflegerischen und technischen Krankenhauspersonals, wo der letzte Arbeitskampf 17 Jahre zurückliegt. Zudem wurde – nicht unberechtigt – auf die Angst vieler Mitarbeiter vor Stellenabbau hingewiesen, den die »Arbeitgeber« schon angekündigt haben, gelänge es nicht, die Personalkosten zu reduzieren. Politische Solidarität für den sich nun andeutenden Großkonflikt kündigten WASG und Linkspartei gestern an. In einer entsprechenden Erklärung heißt es, dieser Arbeitskampf werde stellvertretend für alle Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen der Stadt geführt.

http://www.jungewelt.de/2005/12-01/016.php



Hamburg: Volksbegehren gegen Privatisierung der Berufsschulen vor Verfassungsgericht gescheitert

Das Volksbegehren gegen die Privatisierung der 48 Hamburger Berufsschulen ist gescheitert. Am Mittwoch entschied das Hamburger Verfassungsgericht, daß die Volksinitiative »Bildung ist keine Ware« auf einen Volksentscheid nicht bestehen könne, da die Bürgerschaft im November 2004 dem Anliegen der Initiative bereits entsprochen habe.

Wie berichtet, hatten statt geforderter 61000 sogar 121000 Hamburger das Volksbegehren unterstützt. Daraufhin beschloß die Bürgerschaft, daß die Berufsschulen zwar nicht mehr, wie ursprünglich geplant, auf eine private Wirtschaftstiftung übertragen werden, doch gleichzeitig beschloß das Landesparlament deren Ausgliederung in einen Landesbetrieb. Der Pferdefuß: In dessen aufsichtsführenden Gremien haben Vertreter der Handwerks- und Handelskammer einen bestimmenden Einfluß. Das alte Vorhaben, »nur neu verpackt«, kommentierte Sigrid Strauß, stellvertretende Vorsitzende der GEW in Hamburg. Doch Senat und Bürgerschaft sahen damit die Sache als erledigt an. Um doch noch einen Volksentscheid zu erzwingen, ging die Initiative im Dezember 2004 vor das Verfassungsgericht. Die Kläger beantragten festzustellen, daß der Beschluß der Bürgerschaft dem Anliegen des Volksbegehrens nicht entspricht.

Diese Klage wurde nun zurückgewiesen, nachdem Verfassungsgerichtspräsident Wilhelm Rapp schon Anfang November in mündlicher Verhandlung verdeutlicht hatte, daß das Petitum des Volksbegehrens nicht eindeutig wäre. (junge Welt berichtete). Durch den Beschluß der Bürgerschaft, so das Gericht, wäre dem eigentlichen Anliegen entsprochen worden.

Enttäuscht zeigen sich neben den Initiatoren vor allem Hamburgs Gewerkschaften. Das Gericht habe der Volksgesetzgebung einen weiteren Dämpfer verpaßt, meinte DGB-Chef Erhard Pumm, dem sich die »Frage aufdrängt, worüber das Volk eigentlich noch entscheiden dürfe«, werden die juristische Hürden so hoch gesetzt. Wie Strauß befürchtet auch Pumm nun einen Verlust von Allgemeinbildung und eine Benachteiligung vollzeitschulischer Bildungsgänge in den Hamburger Berufsschulen.

http://www.jungewelt.de/2005/12-01/013.php



Hamburger Klinikbeschäftigte im Ausstand

Nachdem die Ärzte der Berliner Charité gestern den Auftakt für bundesweite Streiks der Klinikmediziner gaben, gehen heute in Hamburg Pflegekräfte in den Ausstand.

Heute Morgen um sieben Uhr sind in Hamburg die Beschäftigen aus nahezu allen Krankenhäusern erstmals in einen flächendeckenden Warnstreik eingetreten. An dem Ausstand, zu dem die Gewerkschaft ver.di aufgerufen hat, beteiligen sich Angehörige des technischen und Pflegepersonals aus den sieben Großkliniken des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), dem Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) sowie weiteren Krankenhausträgern. Notdienstvereinbarungen sichern zwar zentrale Funktionsbereiche, doch zahlreiche Operationen müssen verschoben werden, während gleichzeitig tausende Mitarbeiter mit einer großen Demonstration auf den Sitz des Arbeitgeberverbandes zumarschieren. Eine seit Wochen dauernde Warnstreikwelle in Hamburgs Krankenhäusern erreicht damit ihren bisherigen Höhepunkt.

Vor dem Inkrafttreten des bundesweit ausgehandelten Tarifvertrags öffentlicher Dienst (TVöD) waren im Juni LBK, UKE sowie die Hamburgische Krankenhausgesellschaft aus der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg (AVH) ausgetreten. Sie gründeten den Krankenhaus-Arbeitgeberverband (KAH), um einen abgesenkten örtlichen Branchentarif durchzusetzen. Sie fordern die Streichung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes und der Schichtzulagen, Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 42 Stunden (ohne Lohnausgleich), Kürzungen beim Urlaubsanspruch sowie Gehalts-einbußen für das pflegerische, technische und Reinigungspersonal, die sich nach Gewerkschaftsangaben auf bis zu 20 Prozent belaufen.
Bei Neueinstellungen soll es nur noch befristete Arbeitsverträge geben. Doch besondere Verärgerung besteht, weil die Arbeitgeber bereits separate Tarifverhandlungen mit dem Beamtenbund und der Ärztegewerkschaft Marburger Bund ( MB ) aufgenommen haben, in denen der MB seine bundesweite Forderung nach Gehaltserhöhungen für das ärztliche Personal von 30 Prozent durchsetzen will, während andere Mitarbeiter Gehaltsverluste hinnehmen sollen. Letzteres bezeichnete ver.di-Landeschef Wolfgang Rose im Gespräch mit ND als Rückkehr zum »alten hierarchischen System mit den Halbgöttern in Weiß«, was seine Gewerkschaft nicht mitmachen werde. Scharf kritisiert Rose auch die Stadt, die nach wie vor Besitzanteile am LBK hält und Eigentümerin des UKE ist, sich aber aus dem Arbeitskampf völlig heraushält. Während der Senat schweigt, erklärte WASG-Sprecher Berno Schuckart, dass der Arbeitskampf auch stellvertretend für viele weitere Beschäftigte im Sozial- und Gesundheitswesen geführt werde.

Kämpferisch ist nicht nur die Gewerkschaft ver.di, sondern auch die Arbeitgeberseite. Für diese haben Veränderungen in der Finanzierung der Krankenhäuser dazu geführt, dass profitable Geschäfte in ihren Unternehmen nur bei Lohnkostensenkungen denkbar sind. Sie setzt zudem auf die Streikunerfahrenheit des Krankenpflegepersonals und dessen Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Der neue LBK-Haupteigentümer Asklepios hatte doch bereits vor Monaten Stellenabbau angekündigt, gelänge es nicht die Lohnkosten zu senken.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=81814&Idc=2&db=Archiv



NDR beschäftigt illegal Ein-Euro-Jobber für GEZ-Antragsbearbeitung

Das Erwerbslosenforum Deutschland hat gefordert, daß die in Hamburg beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) eingesetzten Ein-Euro-Jobber nachträglich eine feste Einstellung und ein reguläres Gehalt erhalten. Wie berichtet, hatte der NDR Ein-Euro-Jobber eingesetzt, um Anträge für die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) zu bearbeiten. Der Grund: Seit Hartz IV steigen die Anträge auf Gebührenbefreiung sprunghaft, so daß der Rundfunk der Antragsflut kaum noch Herr werden konnte. Nach Bekanntwerden des Falls hatte der NDR die Maßnahme damit verteidigt, daß er die betroffenen Langzeitarbeitslosen nach und nach in ein festes Arbeitsverhältnis überführen wolle. Doch dies geschah nicht, während die betroffenen Erwerbslosen weiterhin für ein bis zwei Euro in der Stunde zwischen 80 und 150 GEZ-Anträge am Tag zu bearbeiten und selbst reguläre Aushilfskräfte einzuarbeiten hatten.

Von einem »Skandal ungeheuerlichen Ausmaßes«, sprach deshalb Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosenforums Deutschland, der sich zudem fragt, warum die Jobber überhaupt noch beim NDR beschäftigt sind, nachdem auch die Hamburger Bürgerschaft Anfang des Monats eine Beendigung der Kooperation zwischen Rundfunk und Beschäftigungsträger »Hamburger Arbeit« ( HAB ) verlangt hat. Ein Erwerbsloser hatte sich zuvor an die Petitionsausschüsse der Bürgerschaft und des niedersächsischen Landtages wegen Mißbrauchs von Ein-Euro-Jobs gewandt. Doch die darauf ergangene Forderung des Petitionsausschusses der Bürgerschaft, die Maßnahme unverzüglich zu beenden, hatten HAB und NDR nur damit quittiert, das Vertragsverhältnis der Ein-Euro-Jobber so abzuändern, daß deren Tätigkeit nun als Praktikum definiert ist.

Auch Vertreter Hamburger Erwerbslosengruppen sprachen von offenem Rechtsbruch, weil weder die Kriterien der Zusätzlichkeit noch des öffentlichen Interesses, wie sie das Sozialgesetzbuch für Ein-Euro-Jobs einfordere, beachtet worden seien. Nun sei der DGB aufgefordert, den betroffenen Erwerbslosen Rechtsschutz zu gewähren, so daß diese auf Übernahme in ein reguläres Arbeitsverhältnis und nachträglich auszuzahlenden Lohn klagen können. Wiederholt sei zudem deutlich geworden, daß die in Hamburg für die Vergabe von Ein-Euro-Jobs zuständige Wirtschaftsbehörde nicht kontrolliere, für welche Art von Arbeit Ein-Euro-Jobber tatsächlich eingesetzt werden. Auch dies sei Rechtsbruch, weshalb die Erwerbslosengruppen erneut den sofortigen Stopp des Ein-Euro-Job-Programms forderten.

http://www.jungewelt.de/2005/11-30/018.php



Die Berliner WASG zeigte der Linkspartei die gelbe Karte. Viele unterschiedliche Konflikte erschweren das Zusammenwachsen

Schrill und für jedermann vernehmbar knirscht es im »Parteibildungsprozeß«, mit dem sich WASG und Linkspartei.PDS zu einer neuen linken Kraft zusammenschließen wollen. Nicht nur bei der Berliner WASG gibt es Widerstand gegen einen Zusammenschluß – auch in Mecklenburg-Vorpommern und anderen ostdeutschen Landesverbänden rumort es an der WASG-Basis.

Strippenzieher

Bei der Annäherung beider Parteien prallen offenbar mehrere Welten aufeinander: Westlinke, die schon manche Bewegung an die Wand gefahren haben, sehen sich mit disziplinierten PDS-Kadern konfrontiert; enttäuschte Sozialdemokraten sollen plötzlich mit Kommunisten kooperieren; aktive IG-Metall-Funktionäre aus dem Westen suchen nach Gemeinsamkeiten mit PDS-Politikern, die kaum Berührung zu Gewerkschaften haben. Und daß die betuliche Zentrale im Karl-Liebknecht-Haus bei allen wichtigen Entscheidungen im Hintergrund die Strippen zieht, läßt manchen dynamischen WASG-Politiker an der Redlichkeit des politischen Partners zweifeln.

Größter Stein des Anstoßes ist der Berliner Landesverband der Linkspartei.PDS, der sich in Koalition mit der SPD in die Umsetzung neoliberaler Politik verstrickt hat. Mit einer solchen Partei will die lokale WASG nicht ins Bett – was am Samstag zwei Drittel der Delegierten bestätigten. Klaus Ernst, einer der vier WASG-Bundesvorsitzenden, zeigte schon mal den Knüppel: »Nirgends im Land« werde er so etwas dulden, drohte der IG-Metaller. Eine solche Haltung gefährde den bevorstehenden Landtagswahlkampf in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Steht den Berliner WASG-Genossen damit ein Parteiordnungsverfahren ins Haus?

Unzufriedenheit mit der Politik der Linkspartei gibt es aber auch in Mecklenburg-Vorpommern. Dort wurden die WASG-Mitglieder bereits vom 17. bis 27. November zu einer Urabstimmung darüber aufgerufen, ob die Linkspartei im Landtagswahlkampf auch dann unterstützt werden soll, wenn sie ihren »neoliberalen Kurs in der Landesregierung fortsetzt.« Das Ergebnis soll am kommenden Wochenende bekanntgegeben werden.

Für zusätzlichen Streit zwischen beiden Parteien sorgt zudem das dritte Kooperationsabkommen (siehe unten), das am 10./11. Dezember auf dem Dresdener Parteitag der Linkspartei.PDS beschlossen werden soll. Demnach soll der »Fusionsprozeß« bis spätestens 30. Juni 2007 beendet sein. Bei der WASG-Urabstimmung im Juli 2005 war hingegen ein »ergebnisoffener Prozeß« beschlossen worden.

Harmonie im Westen?

In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz jedenfalls herrscht Harmonie – beide Parteien haben sich dort auf die Zusammenarbeit geeinigt. Einen gemeinsamen Fahrplan gibt es auch für Hessen und Niedersachsen, wo beide Parteien schon bei den Kommunalwahlen 2006 unter gemeinsamen Namen oder in der Form lokaler Wahlbündnisse antreten wollen.

Wie widersprüchlich die Zusammenarbeit sein kann, zeigt sich im Vergleich. In Hessen treten beide Parteien gemeinsam mit sozialen Bewegungen gegen die Privatisierung der Kliniken in Gießen und Marburg an. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen ist die Privatisierung von Kliniken schon weitgehend vollzogen: mit Hilfe der dort mitregierenden Linkspartei.PDS.

Unterschiede ergeben sich auch in der Frage, wer im »Parteibildungsprozeß« mitmischen darf. Mitunter gewinnt man den Eindruck, daß die Linkspartei.PDS zumindest in Ostdeutschland gerne unter sich bleiben möchte und höchstens noch die WASG mitspielen lassen will. In Niedersachsen hingegen will die WASG den »Parteibildungsprozeß« für andere linke Gruppen öffnen, wie etwa die DKP. Der neue WASG-Landesvorstand von Nordrhein-Westfalen betonte sogar, alle linken Kräfte müßten einbezogen werden.

Pressestimmen zum Berliner WASG-Parteitag

»Mit dem Beschluß stellt sich die Berliner WASG offensiv gegen ihre Parteiführung. Bundesvorsitzender Klaus Ernst hatte vor der Abstimmung vergeblich an die Parteifreunde appelliert, trotz der Ablehnung der als neoliberal gegeißelten rot-roten Landesregierung nach Übereinstimmungen mit Berlins PDS zu suchen und ergebnisoffen über einen Wahlantritt mit gemeinsamen Listen zu verhandeln. ›Gemeinsam waren wir bei der Bundestagswahl erfolgreich, deswegen müssen wir gemeinsam weitermachen!‹, rief Ernst in den Saal des Tagungshotels am Tierpark Friedrichsfelde. Er warnte die Parteifreunde davor, sich »wie Zeugen Jehovas« zu verhalten, denen es nur wichtig sei, ihren Glauben zu vertreten. (…) Eine Spaltung der WASG, wie sie manche Beobachter nun erwarten, wollen die Anhänger einer Kooperation mit der PDS dennoch vermeiden. (…) Andere unterlegene WASG-Mitglieder setzten auf Galgenhumor. Zwischen den Abstimmungen trug eine Gruppe ein Transparent durch den Saal. Aufschrift: ›Sektierer aller Bezirke, vereinigt euch!‹«

(Der Tagesspiegel, 27. November)

»Schon der Versammlungsort war sektiererisch ausgewählt: Für die Mehrheit der Teilnehmer abgelegen, schwer zu finden, viel zu klein der Saal, die Redner schlecht zu hören und vieler Säulen wegen für nur wenige sichtbar. So tagen Leute, die sich so einig fühlen, daß sie keinen Blickkontakt brauchen. (…) Am Katzentisch saß der designierte Landesvorsitzende der Linkspartei.PDS, Klaus Lederer. Er war in Begleitung von Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform gekommen, der Vertreterin des ›linkesten‹ Flügels der PDS. Diese Geste des guten Willens honorierten die Gastgeber nicht. Die meisten Redner droschen mit einer Lust auf die Regierungspraxis der Linkspartei ein, wie es die Opposition aus CDU, FDP und Grünen in vier Jahren nicht fertigbrachte.«

(FAZ, 27. November)

http://www.jungewelt.de/2005/11-28/011.php



Linker stadtpolitischer Kongress in Hamburg

In Hamburg haben Linkspartei und WASG ihre Zusammenarbeit auf einem stadtpolitischen Kongress unter dem Motto »Für eine soziale Stadt – Linke Alternativen zum Senatskonzept« am Wochenende vertieft. Und weil man solche Alternativen im »offenen Dialog« mit sozialen Bewegungen entwickeln will, standen deren Vertreter zunächst auch im Rampenlicht.

»Linke Kritik und Antworten zur Senatspolitik«, so das Thema der Diskussion am Freitagabend, hieß dabei für Manfred Brand (»Mehr Demokratie e.V.«) Volksbegehren und Volksentscheide zu stärken, während für GEW-Chef Klaus Bullan und Verdi-Vorstandsmitglied Sieglinde Friess sozial- und bildungspolitische Alternativen im Vordergrund standen. Vertreten auch die Friedensbewegung, die sozialpolitische Opposition und weitere Gruppen, die jeweils eigene Interessen formulierten.

Landespolitische Leitlinien aus der WASG brachte deshalb am Samstag Joachim Bischoff mit, für den die Kritik an der CDU-Senatskonzeption von der »wachsenden Stadt« ein verbindendes Kettenglied linker Stadtpolitik ist. Die vorgesehene Schwerpunktsetzung auf so genannte Kompetenzcluster – wie etwa die Hafencity oder die Elb-Philharmonie – habe ökonomisch keine Ausstrahlungskraft und führe gleichzeitig zur sozialen Spaltung der Stadt, so Bischoff.

Linkspartei-Sprecherin Christiane Schneider ging hingegen von der Metropolfunktion Hamburgs aus. Während im »Knotenpunkt transnationaler Wirtschaftsbeziehungen« die Nachfrage nach gut ausgebildeten Arbeitskräften steige, könne andererseits damit auch eine Sogwirkung für den Niedriglohnbereich erkannt werden. Diese, nicht nur ökonomische, sondern auch kulturelle Widersprüchlichkeit, umreiße das gesamte Terrain für die Linkspartei in Hamburg. Mit einer »Strategie der Solidarität« will Schneider nun Chancengleichheit und gegenseitiges Wohlwollen zum Thema machen.
In Arbeitsgruppen diskutierten rund 200 Teilnehmer dann Einzelheiten linker Landes- und Kommunalpolitik für die Stadt. Strittig wurde es dabei vor allem in der Arbeitsgruppe zur Sozialpolitik, in der die Frage der Legalisierung bisher illegaler Drogen zu einem heiß diskutierten Thema wurde.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=81709&Idc=2&db=Archiv



Platzwarte auf Vereinsportplätzen sollen durch Ein-Euro-Jobber ersetzt werden

Feste Arbeitsstellen drohen in Hamburg erneut durch Ein-Euro-Jobs ersetzt zu werden. Davor warnte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion Gudrun Köncke am Donnerstag. Köncke zeigt sich alarmiert, weil 80 Stellen für Platzwarte auf den Vereinssportplätzen gestrichen werden sollen, deren Arbeit künftig durch Ein-Euro-Kräfte kompensiert wird. Das hatte der Ehrenpräsident des Hamburger Sportbundes ( HSB ) Friedel Gütt angekündigt, weil sein Verband Kürzungen bei der Sportförderung von zwölf Millionen Euro hinnehmen muß. Für Köncke ein klarer Mißbrauch, weil Hamburg damit Haushaltssanierung mit Mitteln des Arbeitsmarktprogramms betreibe, das der Bund kofinanziere.

In der Vereinbarung zur Sportförderung hatten Senat und HSB vereinbart, daß die Etatkürzungen bei der Sportförderung dadurch aufgefangen werden, daß die Sportvereine bisher städtisch geführte Sportplätze selbst übernehmen. So kann Hamburg durch Streichung der Stellen für die Platzwarte Personalkosten reduzieren. Da aber die Sportvereine selbst kaum in der Lage sind, eigene Arbeitsplätze zu schaffen, wollen diese dann auf Ein-Euro-Job-Kontingente zugreifen. Bei der Vergabe solcher »Arbeitsgelegenheiten« muß die Arbeitsagentur dann nur prüfen, ob die Kriterien der Zusätzlichkeit und des öffentlichen Interesses, wie sie das Sozialgesetzbuch vorschreibt, eingehalten werden. Öffentliches Interesse kann beim Breitensport vorausgesetzt werden, und »zusätzlich« ist eine Maßnahme, »wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden könnte«. Durch die Ausgliederung der Sportplätze an private Vereine ist dies nun für die Wartung der Sportplätze der Fall.

Ein typischer Fall, wie durch Ein-Euro-Jobs Arbeitsplätze vernichtet werden, sagt Wolfgang Joithe vom Verein »Peng – aktive Erwerbslose und Geringverdiener« gegenüber junge Welt. Joithe verwies auf zahlreiche weitere Beispiele, wie etwa in den Schulen, wo Billigjobber als Schulsanierer und im Kantinenbetrieb tätig sind, was zum Verlust von Arbeitsplätzen im Handwerk, aber auch in Catering-Betrieben führe. Während Köncke ihre Kritik vor allem auf den Senat fokussiert, hält Joithe das Ein-Euro-Job-Programm schon vom Ansatz her für einen Job-Killer. In der Tat war es die SPD-Grünen-Bundesregierung, die 2004 die Prüfkriterien des Sozialgesetzbuches liberalisierte, um so auch neue Einsatzmöglichkeiten für Zehntausende Billig-Jobber zu schaffen.

http://www.jungewelt.de/2005/11-26/018.php



Hamburg: IG-Metall-Tarifkommission verweigert Zustimmung zu Vereinbarung über Lohnsenkungen

Zu heftigen Meinungsverschiedenheiten ist es am Mittwoch abend in der Tarifkommission (TK) der IG Metall für das Hamburger Halbleiterwerk von Philips Semiconductors gekommen. Wie berichtet, will der Konzern mit der Drohung, andernfalls Stellen zu streichen, beträchtliche Lohnkostensenkungen für die 2300 Beschäftigten durchsetzen. Bereits im August 2005 gab es Konflikte in dem Betrieb, als die Konzernleitung außertarifliche Zulagen für 800 Arbeiter strich. Dagegen wehren sich die Betroffenen mit Unterstützung der Gewerkschaft auch auf juristischem Weg. Die ersten Entscheidungen wurden für Anfang Dezember erwartet. Umso überraschender war dann die Mitteilung der IG Metall vom Montag, daß ein Kompromiß mit der Firmenleitung ausgehandelt worden sei, der zwar die Schichtzulagen fortschreibt, aber auch Lohnsenkungen beinhaltet. In Hamburger Zeitungen hieß es vorab, die Zustimmung der Tarifkommission sei nur noch eine Formsache. War es aber nicht, denn das Gremium stellte sich quer.

In der Tat hätte sich die Philips-Geschäftsleitung vollständig durchgesetzt, würde der von IG-Metall-Bezirksleiterin Jutta Blankau nun vorgeschlagene »Kompromiß« einfach angenommen. Das hieße: Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich von 35 auf 37,5 Stunden, die Kürzung des Weihnachtsgeldes und die Streichung der Zuzahlungen für Mehrarbeit. Einbußen soll es auch im Entgeltrahmenabkommen (ERA) geben. Ob hingegen die Übernahme außertariflicher Schichtzulagen wirklich als Erfolg verbucht werden kann, ist fragwürdig, weil die Gerichtsentscheidungen vermutlich auch nichts anderes ergeben hätten. Das Ganze ist ein Streichpaket, mit dem die Lohnkosten um satte 13 Prozent reduziert werden würden, ohne daß der Konzern wirkliche Gegenleistungen erbringen müßte.

Entsprechend fassungslos regierten viele Metaller im Betrieb. Der Kampf der Philips-Arbeiter werde damit konterkariert, von der Verhandlungsmaxime »Keine Leistung ohne Gegenleistung« bliebe absolut nichts übrig, kritisierten Vertrauensleute gegenüber jW. In dem Kompromiß sei weder die angestrebte Arbeitsplatzgarantie noch eine feste Quotierung von Leiharbeit enthalten. Dagegen soll die Rücknahme der Klagen von Philips-Arbeiter Bestandteil der neuen tariflichen Vereinbarung werden.

Die Tarifkommission will jetzt eine Betriebsmitgliederversammlung der Gewerkschaft vorschlagen. Danach könnte eine Urabstimmung über die erzielte Einigung stattfinden. Jedenfalls haben viele Aktivisten im Betrieb die Hoffnung auf einen Arbeitskampf gegen den drohenden Lohnabbau und für die Sicherung der Arbeitsplätze noch nicht aufgegeben.

http://www.jungewelt.de/2005/11-25/020.php



Hamburg: Antifaschisten rufen zur Kundgebung vor Alterswohnsitz des Kriegsverbrechers Gerhard Sommer auf

In Hamburg ruft ein antifaschistisches Bündnis für diesen Samstag zu einer Kundgebung und Demonstration unter dem Motto »NS-Mörder sind unter uns!« im Stadtteil Volksdorf auf. Dort lebt der ehemalige SS-Offizier Gerhard Sommer, der im Juni 2005 von einem italienischen Militärgericht in La Spezia in Abwesenheit zu lebenslanger Haft wegen 560fachen Mordes verurteilt worden war. Das Massaker in dem italienischen Bergdorf gilt als eines der schwersten deutschen Kriegsverbrechen. Doch weil Bundesbürger nach deutschem Recht nicht ausgeliefert werden müssen und die deutsche Staatsanwaltschaft eine eigene Anklageerhebung systematisch verschleppt hat, lebt Sommer unbehelligt in einer noblen Altenresidenz.

Das Verbrechen wurde vor 61 Jahren am 12. August 1944 verübt. Angeführt vom Kompanieführer Sommer stürmten Soldaten der SS-Division »Reichsführer SS« das Bergdorf Saint’ Anna. Auf der Suche nach Partisanen stießen sie auf 560 Kinder, Frauen und viele ältere Leute, die sie innerhalb von vier Stunden erschlugen, erschossen oder verbrannten. Das gesamte Dorf wurde ausgelöscht.

Daß dieses Kriegsverbrechen erst heute verfolgt wird, geht auf die Öffnung des sogenannten »Schrankes der Schande« zurück. In den fünfziger Jahren wurden 695 von den Westalliierten angelegte Ermittlungsakten über deutsche Kriegsverbrechen in Italien mit Rücksicht auf den westdeutschen Bündnispartner auf unbestimmte Zeit in einen Aktenschrank geschlossen. Erst 1994 entdeckten Justizbeamte die Aktenbündel, mit deren Auswertung es möglich wurde, diverse Verfahren gegen noch lebende Täter einzuleiten.

Als das Verfahren gegen Sommer und seine neun Mitangeklagten im April 2004 begann, lebte der heute noch rüstige 84jährige Pensionär in einem Einfamilienhaus, das er inzwischen zugunsten einer sehr noblen Altenresidenz im Hamburger Stadtteil Volksdorf aufgegeben hat. Für mehr als 1 700 Euro im Monat verbringt er dort seine Tage in idyllischem Grün und mit ausgedehnten Spaziergängen. Reue plagt ihn dabei nicht. Er habe ein »absolut reines Gewissen«, sagte Sommer kurz nach seiner Entdeckung einem Fernsehmagazin der ARD.

Für Hamburger Antifaschisten ist die Nichtverfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechern Ausdruck einer unzureichenden Auseinandersetzung mit dem Faschismus. Die Kundgebung in Hamburg ist Teil einer Kampagne, mit der soviel Druck entwickelt werden soll, daß auch in Deutschland eine Anklageerhebung gegen Sommer erfolgt. Sonst, so Wolfram Siede, Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN/BdA), würde »Überlebenden und ihren Angehörigen erneut und endgültig öffentliche Anteilnahme und juristische Genugtuung versagt« bleiben. Am Samstag will das Bündnis Tafeln mit den Namen der Opfer an den Zaun von Sommers Altenresidenz niederlegen. Aufgerufen haben dazu die VVN, der Arbeitskreis Distimo, das Auschwitz-Komitee, die Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände, der Freidenkerverband, die Willi-Bredel-Gesellschaft, DKP, Regenbogen sowie autonome Antifa-Gruppen.

* »NS-Mörder sind unter uns!« Beginn der Demo am Samstag, 26. November, 11.30 Uhr, Gedenkstein Weiße Rose (U-Bahn Volksdorf)

http://www.jungewelt.de/2005/11-25/014.php



Hamburger Oberverwaltungsgericht stoppt Gebührenerhebung für auswärtige Studenten

Das Hamburger Oberverwaltungsgericht (OVG) hat am Montag eine von der Wissenschaftsbehörde verfügte Regelung gestoppt, wonach auswärtige Studierende ohne Wohnsitz in Hamburg zusätzliche Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester zahlen müssen. Die Entscheidung kann als Niederlage für Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) betrachtet werden, denn dieser will noch im Dezember ein Gesetz in die Bürgerschaft einbringen, mit dem allgemeine Studiengebühren für alle Studenten eingeführt werden. Doch mit der Entscheidung des OVG ist nunmehr nicht nur die Eintreibung der Gebühren für auswärtige Studierende sofort gestoppt, sondern gleichzeitig die politische Diskussion um die Studiengebühren neu entbrannt.

Nach der Regelung der Wissenschaftsbehörde mußten auswärtige Studenten schon seit April 2004 zusätzliche Gebühren zahlen, so lange sie ihren Hauptwohnsitz nicht nach Hamburg verlegten. Durch solche Wohnsitzummeldungen erhält die Stadt höhere Zahlungen beim Länderfinanzausgleich. Gegen diese Regelung hatte im März 2005 ein Student mit Wohnsitz in Hannover geklagt und vor dem Verwaltungsgericht in erster Instanz Recht erhalten. Am Montag wurde durch das OVG nun die Beschwerde des Senats gegen diesen Gerichtsentscheid zurückgewiesen. Solcherart Studiengebühren, so das Gericht, würden gegen Artikel 33 des Grundgesetzes verstoßen, in dem es heißt: »Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten«. Der Länderfinanzausgleich berücksichtige bereits besondere Belastungen einzelner Bundesländer. Zudem – so das Gericht – sei es »äußerst fraglich«, ob eine Gebührenregelung überhaupt mit dem Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbar sei.

Da sich seit April 2004 7200 auswärtige Studenten nach Hamburg umgemeldet haben, was Mehreinnahmen im Länderfinanzausgleich von 15 Millionen Euro brachte, habe die bisherige Regelung ihren Dienst bereits erfüllt, sagte die Sprecherin der Wissenschaftsbehörde Sabine Neumann. Lediglich 1500 auswärtige Studenten taten dies nicht. Zudem erklärte Neumann, daß der Senat daran festhalte, mit einem Gesetz allgemeine Studiengebühren für alle Studenten bereits zum Sommersemester 2007 einzuführen.

Demgegenüber begrüßten Vertreter der Gewerkschaften, der studentischen Interessenvertretungen und der Oppositionsparteien die Gerichtsentscheidung. SPD-Hochschulexpertin Barbara Brüning sieht – wie das Gericht – Gleichheitsgrundsätze – vernachlässigt. Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Heike Opitz, warf dem Senat vor, den rechtlichen Rahmen für Studiengebühren nicht ausreichend geprüft zu haben. Das könne nun Folgen für die geplante Einführung allgemeiner Studiengebühren haben. In einer Stellungnahme des AStA der Universität Hamburg hieß es, daß »jede Befreiung von Studiengebühren ein Erfolg« sei. AStA-Sprecher Florian Kasiske versprach Studenten seiner Uni, die gegen Studiengebühren klagen, juristische Unterstützung. So wie Kasiske forderte auch Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm erneut dazu auf, generell auf Studiengebühren zu verzichten, weil ein Studium »über alle sozialen Grenzen hinweg« weiterhin möglich sein müsse.

http://www.jungewelt.de/2005/11-23/019.php



Hanseatisches Oberverwaltungsgericht verfügt Baustopp gegen Airbus in Hamburg

Seltene Fledermäuse schaffen nun vielleicht, was jahrelanger Bürgerprotest in Hamburg nicht leisten konnte: den Stopp der umstrittenen Landebahnverlängerung im Airbus-Werk Finkenwerder. Das Hanseatische Oberverwaltungsgericht (OVG) entschied am Montag, daß ein Baumbestand auf dem Baugelände nicht abgeholzt werden dürfe, weil er Fledermäusen als Sommerquartier dient. Dem Urteil gingen die Klagen zweier Naturschutzverbände voraus, unter ihnen des BUND, dessen Sprecher Paul Schmidt nun von einem Erfolg spricht, denn die seltenen nachtaktiven Tiere, denen Baumhöhlen und Spalten als Versteck dienen, seien vom Aussterben bedroht. Die Abholzung sei deshalb, so das Gericht, nach deutschem und europäischem Recht nur unter engsten Voraussetzungen möglich, die in der Begründung zum Planfeststellungsbeschluß der Stadt aber nicht geprüft worden seien. Die Abholzung der Bäume und damit die freie Sicht vom neuen Airbus-Tower auf die Landebahn und die Landebahnerweiterung selbst ist damit erneut blockiert.

Die Landebahnerweiterung wollte Airbus, um künftig auch schwere Frachtversionen des A 380 in Hamburg landen und starten lassen zu können. Daran knüpfte der Konzern seine Standortzusage für Hamburg, wo der Innenausbau des A 380 erfolgen soll. Da sich Obstbauern und Anrainer weigerten, die benötigten Grundstücke zu verkaufen, wollte die Stadt die Grundeigentümer sogar enteignen. Wie berichtet, drohte das Projekt daraufhin zu scheitern, weil das OVG 2004 Enteignungsverfahren zunächst stoppte. Erst nach monatelanger Hetze insbesondere seitens der Springerpresse, gaben die Grundeigentümer – bis auf zwei – ihren Widerstand schließlich auf. Daraufhin konnte die Landebahnerweiterung leicht modifiziert geplant werden, womit nun allerdings das Wäldchen der Fledermäuse berührt ist. Ob der Senat mit einer Neubegründung des Planfeststellungsbeschlusses, die er bereits für nächste Woche ankündigte, den Wald doch noch abholzen kann, ist fraglich.

Unerwartete Schwierigkeiten drohen dem Senat auch von der EU-Kommission, die Ausgleichsmaßnahmen für die Zuschüttung des Mühlenberger Lochs anmahnte. Beim Mühlenberger Loch handelte es sich um eine Elbbuchtung, die zahlreiche seltene Vögel und Pflanzen aufwies und für eine Werkserweiterung von Airbus bereits vor einigen Jahren – auf Staatskosten für 650 Millionen Euro – zugeschüttet wurde (junge Welt berichtete). Gutachten haben nun ergeben, daß eine Ausgleichsmaßnahme in der Haseldorfer Marsch auf absehbare Zeit aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Ebenfalls haben Vogelzählungen ergeben, daß eine bereits durchgeführte Ausgleichsmaßnahme, bei der die Elbinsel Hahnöfersand um zwei Drittel versenkt wurde, als neues Quartier für die Löffelente erheblich schlechter geeignet ist als zunächst angenommen.

http://www.jungewelt.de/2005/11-23/015.php



Hafenarbeiter machen gegen neuen Versuch mobil, sie durch billige Schiffsbesatzungen zu ersetzen. Kampf gegen »Port Package II«

In Deutschland, Schweden, Dänemark, Belgien, Großbritannien und Spanien legen die Hafenarbeiter am heutigen Montag ihre Arbeit nieder, um sich an Veranstaltungen und Demonstrationen zu beteiligen. Koordiniert durch die Europäische Transportarbeiterföderation (ETF) gilt der Protest dem Verkehrsausschuß des Europäischen Parlaments, der am Dienstag in Brüssel über den »Richtlinienentwurf für den Marktzugang von Hafendienstleistungen« (Port PackageII) entscheiden will. Bei Zustimmung käme die Richtlinie schon im Januar 2006 zur Beschlußfassung ins Plenum des Parlaments. Tausende qualifizierte Hafenarbeitsplätze seien damit in Gefahr, begründete die ETF ihre Aktion, an der sich in Deutschland die Containerhäfen in Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Kiel und Rostock beteiligen. Weil aber Streiks nach deutschem Recht nur bei Tarifverhandlungen erlaubt sind, laden die Betriebsräte zu »Info-Veranstaltungen« ein, damit die Beschäftigten zeitweilig ihre Arbeit niederlegen können. Gleichzeitig wollen sich Hafenarbeiter aus allen EU-Staaten in Brüssel versammeln und Institutionen des Europäischen Parlaments belagern.

Schon im Novembe 2003 hatten die Hafenarbeiter einen Richtlinienentwurf der damaligen Verkehrskommissarin Loyola de Palacio zum Scheitern gebracht. Nach wochenlangen Auseinandersetzungen in den Häfen verweigerte die Parlamentsmehrheit schließlich die Annahme von Port Package I. Doch bereits am 13. Oktober 2004 brachte Palacio einen zweiten, leicht modifizierten Entwurf in das Parlament ein. Die EU-Kommission hofft nun auf Zustimmung, denn die politische Parlamentsachse hat sich im Ergebnis der Wahlen 2004 nach rechts verschoben.

Seit Port Package I stand bisher vor allem eine Frage im Zentrum der Auseinandersetzung: Können die Reeder ihre Schiffe künftig mit eigenem Billigpersonal entladen? Das hätte besser bezahlte Hafenarbeit verdrängt. Doch unmittelbar vor den Ausschußberatungen am Dienstag deutet sich nunmehr an, daß dessen Berichterstatter Gerhard Jerzembowsky (CDU) diese Bestimmung ganz aus der Richtlinie herausnehmen will. Die Reederverbände hatten zuvor verdeutlicht, daß sie keinen neuen Konflikt mit gut organisierten Hafenarbeitern haben wollen.

Auf Ablehnung stößt Port Package aber nicht nur bei Hafenarbeitern. Olaf Ohlsen, hafenpolitischer Sprecher der Hamburger CDU, verwies darauf, daß die Umschlagspreise in Europa schon jetzt niedriger seien als in den USA oder in Asien. Ohlsen und weitere Regionalpolitiker befürchten zudem, daß etablierte Hafenunternehmen durch global agierende Konzerne aus dem Geschäft vertrieben werden. Ablehnung signalisieren auch Ralf Nagel, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, der auf die Folgekosten verwies, die allein in Deutschland bei 300 Millionen Euro lägen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Studien in Holland und Großbritannien.

Die Hafenarbeiter machen sich solche Konflikte zunutze und hoffen deshalb nicht nur auf die Unterstützung der Linken im Parlament, sondern auch auf die der Sozialisten und Grünen. Bernt Kamin, Betriebsratsvorsitzender des Gesamthafenbetriebs Hamburg, der zu den Organisatoren des internationalen Protestes gehört, sagte gegenüber junge Welt aber auch, daß für den Ausgang des Konflikts der außerparlamentarische Kampf der Hafenarbeiter entscheidend bleibe. Deswegen werde es im Januar weitere Proteste geben.

http://www.jungewelt.de/2005/11-21/017.php