Ver.di-Linke nimmt Stellung zur BAT-Reform

Berno Schuckart gehört zur »Initiative Gewerkschaftslinke« und ist im Hamburger Ver.di-Landesvorstand

Im Öffentlichen Dienst steht die aktuelle Tarifrunde im Zeichen einer allgemeinen Reform des Tarifgefüges und der »leeren Kassen«. Ver.di sollte sich trotzdem weder Nullrunden noch Mehrarbeit aufnötigen lassen und nicht ohne Forderung in die Verhandlungen starten, so die Gewerkschaftslinke.

ND: Frank Bsirske hat in einem Brief an alle ver.di-Spitzenfunktionäre für die Tarifrunde 2005 gefordert, diese ganz im Zeichen der Reform des Bundesangestelltentarifs (BAT) zu sehen. Was bedeutet das?

Schuckart: Seit zwei Jahren gibt es diese Diskussion zur Neugestaltung des BAT. Das hat Einfluss auf 4 bis 5 Millionen Beschäftigte. Aber diese Diskussion wurde bisher nur in kleinen Zirkeln geführt. Außerdem ist die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) nicht mehr an den Modernisierungsverhandlungen beteiligt, weil sie die Vereinbarungen zur Arbeitszeit, zu den Sonderzuwendungen und zum Urlaubsgeld einseitig kündigte. Auch deshalb halten wir konkrete Forderungen zu Gehalt und Arbeitszeit für wichtig.

Der Ver.di-Tarifpolitiker Kurt Martin sagt, dass in der Tarifrunde 2005 zusätzliche Arbeitgeberkosten durch die Tarifrechtsreform berücksichtigt werden müssen.

Die Ausgangsposition der Arbeitgeber lautet Kostenneutralität. Das bedeutet, wenn wir nicht opponieren: Arbeitszeitverlängerung, Nullrunde mindestens 2005, Verschlechterungen bei der BAT-Reform. Wenn wir uns die These von den leeren Kassen im Öffentlichen Dienst kritiklos aneignen, kommen wir keinen Schritt voran. Die Abteilung Wirtschaftspolitik bei ver.di hat doch viele Vorschläge erarbeitet, wie mehr Geld in die öffentlichen Kassen kommen könnte.Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, dass Frank Bsirske Leistungslöhne und Arbeitszeitverlängerungen für Beamte bereits vereinbart hat.

Nun gut – aber sind offensivere Positionen derzeit durchsetzbar?

Natürlich gab es die Niederlagen der IG Metall. Aber dann müssen wir doch innerhalb unserer eigenen Gewerkschaft diskutieren über das, was die Mitglieder wollen, wie wir uns offensiv aufstellen, wie und ob wir bestimmte Forderungen durchsetzen können.

Was bemängeln sie an der BAT-Konzeption von ver.di?

Zum Beispiel die Einführung eines Arbeitszeitkorridors (ohne Überstundenzuschlag) auf 45 Stunden in der Woche. Die neue Eingruppierungstabelle, die mit 1286 Euro im Westen und 1189 Euro im Osten beginnt. Das liegt weit unter unserer Forderung für einen Mindestlohn von 1400 Euro. Höhere Einstiegsgehälter für Jüngere sollen mit einer Absenkung für Ältere verbunden sein. Natürlich gibt es Bestandsschutz. Aber wird es ein dynamischer Bestandsschutz oder nur ein statischer für den Übergangszeitraum vereinbart? Da gibt es keine klare Aussage.

Welche Forderungen wären für sie adäquat?

Die Gewerkschaftslinke orientiert sich an der IG Metall, die innerhalb des neutralen Verteilungsspielraumes vier Prozent fordert. Das Gebot der Stunde wäre, für kürzere Arbeitszeiten zu kämpfen, zumindest aber doch um den Erhalt des Status Quo. Nach dem 3. April, den Montagsdemonstrationen und dem Perspektivenkongress sollte sich Tarifpolitik politischer gestalten. Wie können wir Arbeitslosigkeit reduzieren? Doch nicht durch Gehaltsverzicht. Wir benötigen eine breite gesellschaftliche Debatte. Das beginnt in der Aufklärung, Mobilisierung und Beteiligung unserer eigenen Basis. Wir brauchen den Dialog mit den sozialen Bewegungen. Aber stattdessen lassen wir uns durch die kommunalen Arbeitgeber unter Druck setzen, wenn diese sagen: Wir verhandeln mit euch nur weiter, wenn ihr Arbeitszeitverlängerungen akzeptiert und auf Lohnforderungen verzichtet. Da sind wir in der Falle. Kaum jemand wird sich für eine solche Tarifrunde mobilisieren lassen. Wir fordern, dass die Tarifkommission am 16. Dezember entsprechend ihren Beschluss korrigiert.

Verwendung (unter Pseudonym): http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=63063&IDC=42&DB=Archiv