Erste Erfahrungen zeigen: Das System funktioniert nicht

Ein-Euro-Jobs sorgen für Freudenbekundungen auf neoliberaler Seite und für Furcht vor neuer Armut der Betroffenen. Erste Erfahrungen liegen vor. Beispiel Hamburg.

Der Einstieg war freiwillig. Weil Marlies Möller*, Mutter zweier erwachsener Kinder und arbeitslos, etwas »Sinnvolles tun und ein paar Euro hinzuverdienen wollte«, ließ sie sich in einen Ein-Euro-Job vermitteln. Seit drei Wochen »arbeitet« sie jetzt in einer Betriebsstätte des Hamburger Beschäftigungsträgers »Hamburger Arbeit« (HAB). Seitdem schnitzt sie Muster in Teppichreste, die anschließend weggeworfen werden. Andere müssen Fenster putzen, die zuvor mit Fett verschmiert wurden. Eine Putzkolonne putzt täglich einen Flur, bis zu acht Mal am Tag. Beworben hatte sich Möller für den »Garten und Landschaftsbau«. Aber aus der Halle ist sie bisher nicht raus gekommen.

Zum Pressegespräch ist auch Atze erschienen. Er ist gelernter Möbeltischler, der nach einem Arbeitsunfall 1998 seinen Job verlor. Auch er kam freiwillig zur HAB. Heute sagt er: »Man wird behandelt wie ein Vollidiot.« Im Baubereich werden Wände gemauert, die dann von Mitarbeitern der HAB wieder umgetreten werden.

Als vor einigen Wochen erste anonyme Berichte über diese Zustände durch das Hamburger Sozialforum verbreitet wurden, wollte es kaum jemand glauben. Immerhin wollen die Agentur für Arbeit und die Stadt allein in Hamburg 250 Millionen Euro jährlich für die Förderung von 10000 dieser Arbeitsgelegenheiten ausgeben. Und die Hamburger Arbeit ist mit schon jetzt 2300 Beschäftigten einer der größten Beschäftigungsträger der Stadt. Förderkurse, Weiterbildung, Qualifizierung? Fehlanzeige!

Marlies Möller hat ihre freiwillige Bewerbung für die Ein-Euro-Maßnahme bitter bereut. Aussteigen könne sie nun aber nicht mehr, denn »wenn ich schmeiße, wird mir die Sozialhilfe gestrichen.« Was von den 160 Euro Zuverdienst bleibt? Möller rechnet: 52 Euro Mehrkosten für die Fahrkarte, das Mittagessen in der Kantine der HAB für 3,50 Euro – »kaum etwas«, ist die Antwort. »Wie in einer Besserungsanstalt« kommt sich Atze vor. Er spürt die Angst, »komplett zu verblöden«.

Jedem Langzeitarbeitslosen wollte Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal (CDU) ein vernünftiges Beschäftigungsangebot unterbreiten. Von Parkpflege, Unterstützung in Altenheimen und Museumsdienst war die Rede. Doch obwohl bislang erst zweitausend der geplanten 10000 Ein-Euro-Jobs geschaffen sind, stellt sich schon jetzt heraus, dass das System einen schweren Mangel hat: Die Arbeiten müssen über das hinausgehen, was sonst sozialversicherungspflichtig Beschäftigte tun. Auch dürfen keine Regelaufgaben der Stadt über Ein-Euro-Jobs realisiert werden.

Auch Detlef Scheele, Geschäftsführer der Hamburger Arbeit, kann nach Besichtigung seiner Betriebsstätte am Dienstag nicht mehr glauben, dass das System funktioniert, wenn bisherige Kriterien aus den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einfach übertragen werden. Das Hamburger Sozialforum fordert Arbeitsbeschaffungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Die Ein-Euro-Jobs wären dagegen der Einstieg in einen »dritten« und würdelosen Arbeitsmarkt.

(* Name geändert)

Verwendung (unter Pseudonym): http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=63031&IDC=2&DB=Archiv