Ratschlag der deutschen Netzwerksektion

Rund 300 Aktivisten des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac trafen sich Ende der Woche in Hamburg zum Herbstratschlag.

Einstimmig verabschiedeten die Attac-Mitglieder eine Resolution gegen den vorliegenden Entwurf der EU-Verfassung und eine Aufklärungs- und Unterschriftenkampagne. Zudem wird sich Attac an einer europaweiten Kampagne gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie (»Bolkestein-Richtlinie«) und an einer europaweiten Demonstration am 19. März 2005 in Brüssel beteiligen.

Die EU offenbare sich als treibende Kraft der neoliberalen Globalisierungsmaschinerie, sagte Stephan Lindner, Mitglied der EU-AG und neu im Attac-Koordinierungskreis. Der inhaltlich kaum bekannte Verfassungsentwurf schreibe eine militaristische, neoliberale Politik dauerhaft fest und versage dem Parlament zentrale Rechte.

Zuvor hatte Oliver Moldenhauer, Mitglied des Koordinierungsrates, auf einer Pressekonferenz eine positive Bilanz der Entwicklung des globalisierungskritischen Netzwerkes gezogen. Mit jetzt 16 000 Mitgliedern habe der Zuwachs im laufenden Jahr bei 5,9 Prozent gelegen. Über 170 Ortsgruppen und zahlreiche Arbeitsgemeinschaften hätten an wichtigen Projekten Anteil gehabt. Dazu zählte Moldenhauer die Großdemonstration vom 3. April, die Unterstützung der Montagsdemonstrationen, Aufklärungsaktivitäten über die Welthandelsorganisation WTO und über das Problem der Steuerhinterziehung.

Künftig sei es aber besonders wichtig, dass Attac sich wieder Problemen mit größerer internationaler Dimension zuwende. So könne es 2005 wieder zu einem Aufschwung außerparlamentarischer Aktivitäten kommen. Kurskorrekturen seien nicht in erster Linie über parlamentarische Aktivitäten oder eine neue Linkspartei zu erreichen, sondern durch soziale Bewegung.

Auf Nachfrage räumte der Attac-Sprecher ein, dass sich der »heiße Herbst« aber nicht so entwickelt habe, wie man es Anfang 2004 dachte. Moldenhauer kritisierte in diesem Zusammenhang die zu zögerliche Haltung des DGB. Man halte aber eine Wiederbelebung der Proteste ab Frühjahr 2005 für wahrscheinlich.

Bei der Antragsberatung zu den Schwerpunkten für 2005 gestaltete sich der Attac-Ratschlag sehr kontrovers. Unter dem Titel »Arbeit solidarisch umverteilen« sollte die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung herausgestellt werden. Nur so sei Erwerbslosigkeit zu reduzieren. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit müsse bei 30 Stunden liegen. Diese Forderung sei jedoch »strategisch problematisch«, meinte dazu Attac-Mitglied Harry Klimenta. Erinnert wurde daran, dass die IG Metall gerade mit ihrer Forderung nach Arbeitszeitverkürzung gescheitert ist. Andere Teilnehmer sahen in der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung eine unzulässige Vereinfachung von komplexen Problemen. Mehrfach wurde das Wort von der »defensiven Offensive« bemüht, angesichts dessen, dass neoliberale Gedanken in der Gesellschaft tief verwurzelt seien. Diese Diskussionen sollen nun – so der Kompromiss – auf einer Tagung fortgeführt werden. Umstritten war auch die Forderung nach einem Grundeinkommen für alle. Das müsse zunächst breit diskutiert werden.

Verwendung: Printausgabe Neues Deutschland, 01.11.04