Krisenstimmung im Hamburger Rathaus: Das neue Auslieferungszentrum für den Airbus 380 ist in Gefahr
Einen festen Zeitplan hatte Hamburgs Senat für die von Airbus geforderte Verlängerung der Landebahn im Flugzeugwerk Finkenwerder mit dem Konzern bereits beschlossen: um 589 Meter sollte die 2,68 Kilometer lange Landebahn erweitert werden. Doch am 9. August entschied das Hamburger Oberverwaltungsgericht, dass die dafür notwendige Enteignung von 15 Grundeigentümern unrechtmäßig sei. Airbus – samt dem neuen Auslieferungszentrum A 380 – käme auch ohne eine Landebahnverlängerung aus. Nur die Frachtflugzeuge des neuen A 380 könnten hier nicht landen, für diese wenigen Flugzeuge sei aber der Lufthansa-Airport eine durchaus denkbare Alternative.
Airbus-Konzernchef Noel Forgeard knüpft seine Zustimmung für ein Auslieferungszentrum in Hamburg dennoch weiter an die Landebahnverlängerung. Bestünde diesbezüglich bis Ende Oktober keine Planungssicherheit, so sagte er es dem nach Toulouse geeiltem Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU), entscheide sich Airbus neu.
170 Hektar Natur sind schon zugeschüttet
Für dieses Auslieferungszentrum hat Hamburg 170 Hektar des Mühlenberger Lochs – ein großes Naturschutzgebiet – zugeschüttet. 750 Millionen Euro kostete das die Stadt. Nichts war dem Senat zu teuer um den A 380 nach Hamburg zu holen. Bis vor drei Jahren schien selbst die Endmontage des A 380 eine Option für Hamburg. 10 000 Arbeitsplätze sollten so entstehen. Doch diese Endmontage, das stand schnell fest, geht nach Toulouse. Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal (CDU) musste deshalb seine Schätzungen immer wieder korrigieren. Zum Schluss ist er bei 2 000 neuen Arbeitsplätzen gelandet. Filmregisseur Hark Bohm – einer der prominentesten Kritiker des Projekts – bezweifelt selbst dies. Neue Arbeitsplätze – so Bohm – entstünden vor allem bei kleineren Modellreihen, während das Auslieferungszentrum selbst „maximal“ 100 bis 150 brächte.
Airbus-Werk bekam Status der Gemeinnützigkeit
Die Landebahnverlängerung wurde erst öffentlich, als das Mühlenberger Loch bereits zugeschüttet war. Weitere 56 Millionen Euro kostet das nun. Zur Befriedung auch dieses Wunsches beschloss eine große Allparteienkoalition noch vor den Wahlen dem Airbus-Werk per Gesetz den Status der Gemeinnützigkeit zu verleihen. Eine Enteignung der Grundeigentümer schien so besser möglich. 236 Anrainer bildeten darauf hin die Klagegemeinschaft „Schutzbündnis für die Elbregion“. An der Spitze steht die Obstbäuerin Gabi Quast, deren Familie hier schon in der elften Generation ansässig ist.
Dem Bündnis geht es um ein großes Obstanbaugebiet und um das 943 Jahre alte Dorf Neuenfelde. Nun aber sollen rote Backsteinhäuser und Apfelbaumplantagen weichen. Immer wieder verwiesen die Anrainer darauf, dass die Landebahnerweiterung gar nicht nötig sei. Ihre Heimat für vage Zukunftsplanungen zu opfern, kam für sie nicht in Frage.
Eigner wollen sich nicht kaufen lassen
So war es kein Wunder, dass der Senat auch bei weiteren Initiativen auf Widerstand stieß. Nach verlorener Gerichtsschlacht dachten sich die Hamburger Politiker das, was sie immer denken: alles ist eine Frage des Preises. So verdreifachte der Senat sein Kaufangebot für die begehrten Grundstücke auf satte 61,50 Euro pro Quadratmeter. Gleichzeitig aber setzte er die Bedingung, dass die nun bis 1. Oktober verkauft haben. Doch sieben dieser Eigner sind Teil des Schutzbündnisses. Sie hielten an ihrer Entscheidung fest: „Wir bleiben, wo wir sind.“
Ole von Beust: „Es geht um nationale Interessen“
Seitdem herrscht hektische Betriebsamkeit im Rathaus. Am 12. Oktober trat Ole von Beust schließlich vor die Landespressekonferenz. 100 Journalisten drängten sich im Raum 151 des Rathauses. So voll war es seit der Entlassung von Schill nicht mehr. Beust zog alle Register: Es gehe um „nationale Interessen“, denn nur noch in wenigen Bereichen könnten wir „weltweit mithalten“. Dazu zähle die Luftfahrtindustrie. Hier gehe es nicht um einen Kampf „David gegen Goliath“, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in der ganzen Welt.
Ganz der Stadtvater, gab es aber auch warme Worte des Verständnisses: Legitim und nachvollziehbar sei der Widerstand gewesen. Nun aber müsse Schluss sein, denn die „Glaubwürdigkeit des Landes als internationaler Industriestandort“ sei sonst erschüttert.
Definitiv sei dies die letzte Werkserweiterung, so der Bürgermeister, der nun selbst eine Bestandsgarantie für das Dorf abgeben wollte. Gute Nachbarschaft will auch Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken. Drei Millionen Euro spendet er dem Dorf, vorausgesetzt die Grundstücke werden endlich verkauft. Zuschüsse für die freiwillige Feuerwehr und den Sportverein seien möglich. Was, so fragt Gabi Quast, sei aber eine Bestandsgarantie wert, wenn Airbus selbst diese nicht gebe? Und auch die Spende des Konzerns konnte das Dorf nicht wirklich erfreuen. John-Henry Köster vom Vorstand der Kirchengemeinde bringt es auf den Punkt: „Was soll eine Gemeinde mit Geld, wenn sie keine Gemeinde mehr hat.“
Mit EADS auf Augenhöhe zu US-Amerikanern
Ändert sich an der Haltung der Eigner bis Ende Oktober nichts, könnte der Stadt eine große Subventionspleite drohen. Auf der anderen Seite bildet aber die Luftfahrtindustrie nicht zufällig ein Prioritätsprojekt Deutsch-Französischer Zusammenarbeit. Hier besteht eine enge Symbiose zur Rüstungsindustrie.
Airbus gehört zu zwei Dritteln der „European Aeronatic Defence and Space Company“ (EADS), die den Kern eines neuen militärisch-industriellen Komplexes darstellt. Über die Vereinigung der deutschen DASA (Daimler Crysler und die Deutsche Bank) mit dem französischen Rüstungskonzern „Aerospatiale Matra“ ist ein Konzern entstanden, der insbesondere von staatlichen Subventionen wie Rüstungsaufträgen lebt, ja dafür geschaffen wurde. „Mit EADS sind die Europäer endlich auf Augenhöhe mit den Amerikanern“ schwärmte der damalige Co-Chef von EADS Rainer Hertrich schon bei der Gründung des europäischen Riesen. Kürzlich konnten sogar Nautikaufträge aus dem Pentagon übernommen werden.
Träumt Ole von Beust schon vom Airbus 400 M?
Zum Produktionsprogramm der Airbus gehört auch das neue Militärtransportflugzeug A 400 M. Ist es nicht denkbar, dass Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, nach verlorener Schlacht mit den Bauern – und mit bekannt unschuldiger Miene – dann von Verhandlungen mit Konzernchef Forgeard zurückkommt, um die Übernahme der Produktion des A 400 M oder bestimmter Komponenten daran zu feiern? Im benachbarten Bremen wird darüber schon spekuliert. Jedenfalls ist es schwer vorstellbar, dass 750 Millionen Euro staatlicher Subventionen und 600 Millionen Euro betrieblicher Investitionen einfach so in den Sand gesetzt werden.
http://www.dkp-online.de/uz/3643/s0604.htm