Hamburger Senat will Volksbegehren gegen Privatisierung des Landesbetriebes Krankenhäuser ignorieren. Oppositionsparteien kritisieren zwar, wollen aber keinen Krach riskieren

Auf Aufforderung des Hamburger Verfassungsgerichts sollte die Hamburger Bürgerschaft am Donnerstag eine Stellungnahme zur Klage der Volksinitiative »Gesundheit ist keine Ware« abgeben. Die Klage war beim Verfassungsgericht eingereicht worden, um Senat und Bürgerschaft daran zu hindern, sich über ein Volksbegehren vom Februar dieses Jahres hinwegzusetzen. Eine Mehrheit von 76,8 Prozent der Wahlbevölkerung (darunter auch jeder zweite CDU-Wähler) hatte sich am 29. Februar gegen die Mehrheitsprivatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) – mit 12 000 Mitarbeitern zugleich Hamburgs größter Arbeitgeber – ausgesprochen. (jW berichtete) Doch schon im Juli erklärte Bürgermeister Ole von Beust (CDU), daß er sich rechtlich nicht gebunden fühlt. Mit dem Volksbegehren sei lediglich ein »Ersuchen« an Senat und Bürgerschaft formuliert worden.

In einer turbulenten Sitzung des Hamburger Parlaments erklärte SPD-Oppositionschef Michael Neumann dazu: Wer sich »so über die Entscheidung der Bürger unserer Stadt hinwegsetzt, treibt Menschen wie am Sonntag in Sachsen und Brandenburg in die Arme von NPD und DVU«. In einem Brief an alle 121 Abgeordneten forderten die Initiatoren des Volksbegehrens, unter ihnen Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm, diese dazu auf, dem Petitum des Senats nicht zuzustimmen. Die »Volksvertreter« sollten statt dessen »den Volksentscheid respektieren und umsetzen«, denn in Volksentscheidungen nehme das Volk die Funktion eines Verfassungsorgans wahr.

Allerdings sind die Chancen, daß sich Hamburgs Gewerkschaften mit dieser Rechtsauffassung vor Gericht durchsetzen, gering. Im Unterschied zu weiteren Volksbegehren, die sich gegen die Privatisierung der Berufsschulen und der Wasserwerke wehren und die vermutlich im Mai 2005 zu Volksentscheidungen führen, läßt die Gerichtsentscheidung vom Februar erheblichen Spielraum. Neben der sprachlichen Unklarheit als »Ersuchen« wandte sich das Begehren in der Tat nur gegen eine Mehrheitsprivatisierung der Krankenhäuser. Nun verscherbelt der Senat den LBK Schritt um Schritt, wobei das Ziel der Mehrheitsveräußerung an den privaten Klinikbetreiber Asklepios aber feststeht.

Schon im vorläufigen Verfahren hat sich das Verfassungsgericht auf den Standpunkt gestellt, das Volksbegehren erschöpfe sich tatsächlich in einer »unverbindlichen Aufforderung«. CDU-Fraktionschef Bernd Reinert bewertete deshalb die Angriffe der Opposition als den Versuch, »die Rechte des Parlaments zu beschneiden«. Mit der Mehrheit seiner Fraktion werde das Parlament die Zurückweisung der Klage beim Verfassungsgericht beantragen.

Es ist absehbar, daß diese – eher unter rechtlichen Gesichtspunkten – geführte Debatte den Oppositionsparteien zwar absehbar die Möglichkeit bietet, sich als Sachwalter des Willens der Bevölkerungsmehrheit darzustellen, aber an der eigentlichen Entscheidung nichts ändert. Kritische Stimmen – so auch aus der Gewerkschaftslinken – fordern eine Politisierung des Konflikts. Nur mit einer breiten Mobilisierung sowohl der Mitarbeiter, als auch der Bevölkerung, gegen jegliche Form der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen könne die Auseinandersetzung gewonnen werden. Das aber wollen auch die Oppositionsparteien nicht.

Zudem: Sowohl im SPD-PDS-regierten Mecklenburg-Vorpommern als auch im benachbarten Schleswig-Holstein mit SPD und Grünen, sind viele Kliniken längst privatisiert. Selbst in der Chefetage des Hamburger DGB scheint ein Großkonflikt nicht wirklich gewollt zu sein, würde dabei doch schnell die Grundlinie der Politik aller in der Bürgerschaft vertretenen Parteien – »Sparmaßnahmen« umzusetzen und den »Haushalt zu konsolidieren« – ins Zentrum der Kritik geraten. Erhard Pumm ist eben nicht nur Hamburgs DGB-Chef, sondern auch Bürgerschaftsabgeordneter der SPD.

* Der Personalrat des LBK bittet um Unterstützung bei der öffentlichen Anhörung zum LBK-Verkauf am 30. September ab 17 Uhr im Gebäude der Handwerkskammer am Holstenwall

http://www.jungewelt.de/2004/09-25/016.php