Erfolgreiches Begehren zu Volksentscheid gegen Privatisierung von Berufsschulen und Wasserwerken

Mit Einkaufswagen und Transparenten zogen am Dienstag morgen Lehrer, Eltern und Berufsschüler zum Hamburger Rathaus. Im Gepäck: 121000 Unterschriften unter dem Volksbegehren »Bildung ist keine Ware«. Bereits zuvor hatten die Initiatoren des parallel laufenden Volksbegehrens »Unser Wasser Hamburg« 147000 Unterschriften beim Landeswahlleiter abgegeben. 14 Tage – zwischen dem 23. August und dem 6. September – hatten die Initiativen Zeit, um die nach dem Hamburgischen Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheide nötigen Unterschriften zu sammeln. Nach dem seit 1996 gültigen Gesetz, ist ein Volksbegehren dann erfolgreich, wenn fünf Prozent der Wahlbevölkerung die Forderungen einer Initiative unterstützen. Das sind etwa 61000 Personen. Die Bürgerschaft hat nun drei Monate Zeit sich den Anliegen anzuschließen und entsprechende Gesetze zu verabschieden. Geschieht dies nicht, finden im Mai 2005 Volksentscheide statt, die rechtlich bindend sind.

Das Volksbegehren »Bildung ist keine Ware« richtet sich gegen die Privatisierung der 48 Hamburger Berufsschulen, die in eine wirtschaftsorientierte Stiftung überführt werden sollen. Damit würden Vertreter der Handelskammer wichtigen Einfluß auf die Ausbildung gewinnen. Bereits im Juni hatte die GEW auf die Verfassungswidrigkeit des Vorhabens hingewiesen (jW berichtete). Im Auftrag der GEW hatte der Oldenburger Wissenschaftler Prof. Dr. Dieter Sterzel ein Gutachten erarbeitet. Dessen Kernaussagen: Entstaatlichung der Berufsschule hebelt die Grundsätze der dualen Berufsausbildung aus und widerspricht dem im Grundgesetz festgelegten staatlichen Bildungsauftrag. Nach Ansicht von Dr. Stephanie Odenwald, Landesvorsitzende der GEW, ist umfassende Bildung aber nur gewährleistet, »wenn die beruflichen Schulen uneingeschränkt bei den staatlichen Behörden bleiben«. Die Handelskammer will hingegen, daß »Lerninhalte besser an die Bedürfnisse der Praxis« angepaßt werden, womit der Wegfall allgemeinbildender Fächer und die Reduzierung des theoretischen Unterrichts auf reinen Fachunterricht gemeint ist.

Mit dem Volksbegehren »Unser Wasser Hamburg« will diese Initiative eine Privatisierung der Wasserwerke verhindern. Die Initiatoren befürchten eine Verschlechterung der Trinkwasserqualität und erhebliche Preissteigerungen für die Verbraucher. Bewußt hatten beide Initiativen die Volksbegehren parallel durchgeführt, um sich beim Sammeln gegenseitig zu unterstützen. Besonders genau achteten die Initiativen auf die Formulierung ihrer Anliegen. »Bildung ist keine Ware« fordert unmißverständlich, »daß die beruflichen Schulen wie bisher unter unmittelbarer und uneingeschränkter staatlicher Leitung und Verantwortung« verbleiben.

»Unser Wasser Hamburg« will, daß die öffentliche Wasserversorgung »weiterhin vollständig Eigentum« der Stadt bleibt. Beim Volksentscheid gegen die Privatisierung des Landesbetriebes Krankenhäuser hatte die Gewerkschaft ver.di lediglich ein »Ersuchen« formuliert, zudem wurde eine Teilprivatisierung nicht explizit ausgeschlossen. Obwohl 77 Prozent aller Wähler sich gegen die Privatisierung am 29. Februar aussprachen, bot dies dem Senat die Möglichkeit, die rechtliche Bindung des Volksentscheids in Frage zu stellen. Ver.di muß nun eine Klage beim Verfassungsgericht einreichen.

Für Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sind die Volksbegehren eine erhebliche Niederlage, denn die Privatisierung der Berufsschulen gehört für ihn zu den »ehrgeizigsten Reformvorhaben« der Hamburger Regierung. Diese ist nun auf Eis gelegt.

http://www.jungewelt.de/2004/09-08/016.php