Hamburg: Senatsbeschluß zum Klinikverkauf schlägt weiter hohe Wellen

Der Hamburger Senat will die Mehrheit der städtischen Krankenhäuser in zwei Tranchen dem privaten Asklepios-Konzern – trotz eines gegenteiligen Volksentscheids – übereignen (jW berichtete am Donnerstag). Diese Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) führt in der Hansestadt seitdem zu hitzigen Diskussionen. »Das ist so ziemlich das Unvernünftigste, was man machen kann«, kritisierte GAL-Bürgerschaftsabgeordneter Jens Kerstan jetzt den Senat. SPD-Chef Mathias Petersen fügt hinzu: »Der jetzt vom Senat geplante Mehrheitsverkauf in Raten ist ein billiger Trick, um die Wähler hinters Licht zu führen. Der Senat will 600 000 Hamburgerinnen und Hamburger offensichtlich für dumm verkaufen.« Was Petersen nicht sagt: Die SPD-geführte Regierung in Schleswig-Holstein hat bereits mehrere Kliniken an Asklepios verscherbelt und im SPD-PDS-regierten mecklenburg-Vorpommern wurde das Medizinische Zentrum in Schwerin an die privaten Helios-Kliniken verkauft.

600 000 Hamburger und damit fast 77 Prozent aller Wähler hatten beim Volksentscheid am 29. Februar gegen die Privatisierung des LBK gestimmt. Für verdi-Chef Wolfgang Rose wäre die Privatisierung »so, als würde man einem Gebrauchtwagenhändler eine gut geführte Mercedes-Filiale anvertrauen.« Rose verweist auf die Kliniken des Konzerns in Schleswig-Holstein, in denen nicht mal die Gehälter pünktlich gezahlt werden.

Der Asklepios Konzern betreibt in Deutschland und den USA 82 Einrichtungen (darunter 67 Kliniken) und macht nach eigenen Angaben eine Milliarde Euro Umsatz. Alleiniger Gesellschafter des Konzerns ist Dr. Bernhard Broermann, ein guter Bekannter des Hamburger Finanzsenators Wolfgang Peiner (CDU) aus dessen Zeit als Vorstand der Gothaer-Versicherung. Peiner übergibt Broermann jetzt einen Betrieb mit 12 400 Mitarbeitern, 375 000 Patienten und einen Umsatz von 700 Millionen Euro im Jahr. Der Landesbetrieb ist damit Hamburgs größter Arbeitgeber.

Zur Empörung tragen jetzt auch Einzelheiten des beabsichtigen Deals bei. Senator Peiner betonte lange Zeit, daß die Schulden des LBK durch die Stadt kaum zu begleichen wären und auch deshalb die Privatisierung notwendig sei. Diese Schulden des LBK belaufen sich auf 560 Millionen Euro. Es sind vor allem Pensionsverpflichtungen, für die in der Vergangenheit keine Vorsorge betrieben wurde. Nachdem man 1995 die Hamburger Krankenhäuser im LBK zusammengefaßt hatte, wurde diese Schuldlast dem neuen Betrieb einfach aufgedrückt. Im operativen Geschäft schreibt der Betrieb schwarze Zahlen. Von einer Übernahme dieser Schuldenlast durch den Privatinvestor ist jetzt aber keine Rede mehr. Die Schulden fließen in eine »städtische Besitzgesellschaft«, verbleiben somit also bei der Stadt. Der so entschuldete Betrieb soll dann für eine Kaufsumme von 319 Millionen Euro von Asklepios übernommen werden. Peiner sagt nun, daß er damit einen Teil der Schulden begleichen könne. Eine Milchmädchenrechnung, denn tatsächlich fließen zunächst nur 200 Millionen, von denen aber allein der LBK 180 Millionen über einen Kredit selbst finanzieren soll. Asklepios bezahlt lediglich 20 Millionen. Der LBK bezahlt seine Übernahme also selbst! Die restlichen 119 Millionen des Kaufpreises fließen erst dann, wenn der LBK an die Börse geht. Verkaufen sich die Aktien aber schlecht, fließt auch dann kein Geld. Zudem verzichtet die Stadt für 60 Jahre auf Erbbauzins- und Pachteinnahmen für die Nutzung der städtischen Grundstücke und Gebäude. Rose beziffert den Einnahmeverlust für die Stadt auf rund 190 Millionen Euro. Er befürchtet, »daß irgendwann ein US-Fonds den ganzen Laden übernimmt und allein seiner Anlagestrategie folgt: Kapital sucht Rendite«. Die Gewerkschaft will beim Verfassungsgericht klagen, denn sie sieht in der Mißachtung des Volksentscheids einen Rechtsverstoß. Gemeinsam mit dem Personalrat befürchtet die Gewerkschaft Lohneinbußen, Personalabbau und die Verringerung von Mitbestimmungsmöglichkeiten. In der Tat verweigert Asklepios die Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband und will einen Haustarif durchsetzen. Die Gesamtpersonalratsvorsitzende Katharina Ries-Heidtke kündigte deshalb jetzt Personalversammlungen in allen Krankenhäuser an. Sie will Aktionen, denn die Empörung unter den Mitarbeitern sei groß.

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