Hamburger Justizvollzugsanstalten werden nach den Plänen eines CDU-Hardliners umgebaut

Man stelle sich vor: Ein Gefängnis wird geschlossen, und die Knackis weinen. So ist es jetzt in Hamburg geschehen, als der Leiter der sozialtherapeutischen Anstalt Altengamme, das Aus seines Hauses vor den Gefangenen verkündete.

Die Schließung dieser sozialtherapeutischen Anstalten – so auch in Bergedorf und in Altona – ist der traurige Höhepunkt eines Umbaus im Hamburger Strafvollzug, den der alte CDU-Schill-Senat schon in der letzten Wahlperiode angeschoben hatte. Für Gerhard Rehn, langjähriger Leiter der Vollzugsgestaltung in der Justizbehörde und zuletzt Mitglied im Beirat eines der größten deutschen Gefängnisse, der Vollzugsanstalt Fuhlsbüttel, nun ein Grund zum Rücktritt.

Rehn konkretisierte am Montag seine Kritik gegenüber der Presse. Als »Akt der Verzweiflung« will er seinen Rücktritt verstanden wissen und fügte hinzu: »Es ist mir unbegreiflich, wie ein einzelner soviel Schaden anrichten und wertvolle Teile eines Strafvollzugssystems zerstören kann«. Gemeint ist Justizsenator Roger Kusch (CDU).

Für den ist das lediglich eine Frage der Kosten: 700 000 Euro bringe die »Einsparung« der Anstalten. Der sozialtherapeutische Bereich werde »ohne Qualitätsverlust« in die bestehenden Haftanstalten eingegliedert. Daß dies nur mit millionenschweren Investitionen möglich wäre, verschweigt er. Bereits zuvor hatte Kusch die Hälfte aller Plätze im offenen Vollzug der Haftanstalten gestrichen. Den offenen Vollzug sieht das Strafgesetzbuch aber als Regelhaft vor. Er soll den schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenwirken. So soll Resozialisierung ermöglicht werden. Kusch aber möchte »das Wort Resozialisierung nicht nutzen«. Er spricht von »erhöhter Sicherheit«, schließlich habe sich nun die Anzahl der Ausbrüche reduziert.

Tatsächlich hat der Senator ganz andere Pläne. Im August 2002 besuchte Kusch Sheriff Joe Arpaio in Phoenix (US-Bundesstaat Arizona) und rechtfertigte dies damit, daß er es für unerläßlich halte, »im Interesse der Modernisierung des Hamburger Strafvollzugs aus einem breiten Feld von Möglichkeiten Anregungen zu holen«. Joe Arpaio gilt als der »härteste Sheriff der USA«, der seine Gefangenen in rosa Unterwäsche und in der Nähe von Müllhalden hält, damit diese »gleich wissen, wo sie hingehören«. Kusch eifert seinem Vorbild kräftig nach: Spritzentausch-Automaten für Drogenabhängige hat er beseitigt, Vollzugslockerungen eingeschränkt, die Einschlußzeiten in den Zellen drastisch erhöht, Freizeitangebote gekappt und Besuchsmöglichkeiten eingeschränkt. Auch das Telefonieren, für viele Gefangene der einzige Draht zur Außenwelt, wird nur noch unter strenger Auflage genehmigt. 23 Stunden am Tag sind Gefangene nun in »Santa Fu« – jenem bekannten Haus 2 der Haftanstalt Fuhlsbüttel – am Wochenende in ihren Zellen isoliert. Und die neue Haftanstalt Billwerder, mit 800 Haftplätzen ursprünglich als »offene Anstalt« konzipiert, mutierte zu einer Art Hamburger »Alcatraz«.

Für ver.di-Landeschef Wolfgang Rose entpuppt sich Kusch damit als »Sicherheitsrisiko«. »Die Wende im Strafvollzug bedroht die Sicherheit in der Stadt.« Diesen Vorwurf erhebt auch das »Forum Hamburger Strafvollzug und Straffälligenhilfe«, zu dem sich Fachleute, darunter Kriminologen, Juristen und Suchtärzte, zusammengeschlossen haben. Das Ziel des Senators, immer mehr Straffällige möglichst lange wegzusperren und in den Anstalten nur zu verwahren, sei kontraproduktiv: »Dies wird langfristig nicht mehr, sondern weniger Sicherheit bringen.« Für den Kriminologen Prof. Klaus Sessar wächst unter Kusch »in den Gefängnissen eine Generation potentieller Rückfalltäter heran.« Für Richter Reinhold Roth ist »der Verwahrvollzug nicht nur gesetzeswidrig, sondern schlicht verfassungswidrig«. Das Bundesverfassungsgericht habe immer wieder betont, daß das Ziel der Resozialisierung unumstößlich sei. Dem einzelnen Gefangenen müsse deshalb, so Roth, »ein Grundrecht auf soziale Wiedereingliederung zugebilligt werden«. Dies diene auch dem Opferschutz.

Die Situation in den Hamburger Gefängnissen gleicht inzwischen einem Pulverfaß. Bereits um die Jahreswende kam es zu ersten Meutereien, in deren Folge in »Santa Fu« der Ausnahmezustand verhängt werden mußte. Die Behörde befürchtete eine offene Revolte.

http://www.jungewelt.de/2004/06-30/011.php