Hamburger Bürgerschaft beschloss nach heftigen Debatten Doppelhaushalt 2005/2006

In Hamburg ist in der vergangenen Woche nach mehrtägigen Beratungen ein Doppelhaushalt für die Jahre 2005 und 2006 in der Bürgerschaft beschlossen worden.

Nach vier Tagen Debattenmarathon mit zum Teil heftigen gegenseitigen Vorwürfen in der Bürgerschaft der Hansestadt ist der Doppelhaushalt 2005 und 2006 unter Dach und Fach: Auf 20,5 Milliarden Euro sind die Einnahmen prognostiziert, davon allein 1,35 Milliarden über erneute Kreditaufnahme. Bei den Ausgaben verschlingen die Kreditzinsbelastungen allein 2 Milliarden Euro, ist doch der Schuldenstand auf 26 Milliarden Euro angewachsen. Mit einer Belastung von 830 Millionen Euro rechnet die Stadt im Länderfinanzausgleich. Für Investitionen sind 2 Milliarden, für Personalausgaben 6,9 Milliarden und für Sach- und Fachausgaben 8,2 Milliarden Euro vorgesehen.

Hamburg gehöre zu den wenigen Ländern, so Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU), die einen verfassungskonformen Etat vorlegen. Peiner hob hervor, dass sich die Netto-Neuverschuldung reduziere, Investitionen von der Netto-Kreditaufnahme entkoppelt seien und der Betriebshaushalt 2006 ausgeglichen werde.

Die Regierung setze zu einseitig auf einen Konjunkturaufschwung, blockiere den Abbau von Subventionen kritisierte der GAL-Finanzexperte Wilfried Maier. Experten bezweifeln zudem die Prognosen zum Länderfinanzausgleich, rechnen mit höheren Belastungen. Kritik aus den Oppositionsparteien auch an der Investitionspolitik. Ein erheblicher Teil der Aufwendungen sei für Prestigeobjekte vorgesehen, wie die U-Bahnanbindung für die Hafencity, die 275 Millionen Euro koste. Der Haushalt sei deshalb unausgewogen.

DGB: Wirtschaftsinteressen im Vordergrund

Für Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm ist der Haushalt vor allem durch Wirtschaftsinteressen gekennzeichnet, während soziale Belange zu kurz kämen. Die örtliche PDS verweist auf Forderungen, wie die Einnahmesituation für die Länder verbessert werden könne: etwa durch Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer und den Abbau von Steuervergünstigungen für Konzerne. Kritisiert wird die Konzentration auf Großprojekte.

In der Bürgerschaft kam es in der Debatte über den Haushalt zu heftigen Wortduellen zwischen Regierung und Opposition. Im Zentrum stand zunächst der Streit um die Zuschüsse für Hamburgs Kindertagesstätten. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) wollte Zuwendungskürzungen um 40 Millionen Euro durchsetzen, die sie nach Demonstrationen auf die Hälfte reduzierte. Da sich die Anzahl der Kita-Plätze aber um 5000 erhöht, forderte SPD-Fraktionschef Michael Neumann eine Aufstockung des Etats um 50 Millionen. Er verwies auf Minderausgaben durch Hartz IV. Als »linken Populismus« bezeichnete dies Wilfried Maier von der GAL, denn die Mittel seien längst verplant. Erneut war auch der Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) umstritten. Das Geschäft sei nur persönlichen Verbindungen des Finanzsenators mit Asklepios-Kliniken-Chef Bernhard Broermann geschuldet, der den LBK kaufen will, sagte Neumann. Bessere Angebote seien dem Parlament unterschlagen worden. Dass die Mehrheit der Hamburger jegliche Form der Mehrheitsprivatisierung ablehnt, spielte kaum noch eine Rolle.

Lange Kürzungsliste im öffentlichen Sektor

Scharfe Auseinandersetzungen gab es auch zum Sozialetat. Für den SPD-Abgeordneten Walter Zuckerer handele der Senat nach dem Motto »Geiz ist geil«. Kürzungen bei sozialen Einrichtungen, in der Arbeitsmarktpolitik, beim Blindengeld und in der Frauenförderung, bei öffentlichen Bibliotheken, Volkshochschulen und Sportverbänden sind vorgesehen. Ebenfalls sollen Schulstandorte und Schwimmbäder geschlossen werden.

Verwendung (unter Pseudonym): http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=64760&IDC=2&DB=Archiv



In Hamburg hält der Streit um die Arbeitsgelegenheiten an

Trotz der neuen Ein-Euro-Jobs stehen zahlreiche Hamburger Beschäftigungsträger vor dem Aus.

Nach einer jetzt bekannt gewordenen Liste der Hamburger Wirtschaftsbehörde sollen vor allem Billiganbieter den Zuschlag für die Ein-Euro-Jobs erhalten. Da die bisherigen ABM auslaufen, befürchtet Petra Lafferentz, Geschäftsführerin von Alraune, die mehrere soziale Projekte betreibt, eine Zerschlagung der bisherigen Beschäftigungs-Infrastruktur in Hamburg. Schon jetzt ist von 400 Kündigungen in der Branche die Rede.

Bereits im Frühherbst hatte die Hamburger Wirtschaftsbehörde die einschlägigen Firmen dazu aufgefordert, Angebote für die Hartz-IV-Arbeitsgelegenheiten abzugeben. Als Vergabekriterium hob man später nicht die Qualität des Projekts, sondern dessen Preis hervor. Auf 10000 für 2005 geplante Ein-Euro-Stellen gab es von 99 Anbietern rund 20000 Angebote, darunter auch von Weiterbildungsbetrieben. Diese hofften, mit den Zuschüssen für die Ein-Euro-Jobs die Kürzungen beim Kerngeschäft kompensieren zu können. »Die Fachlichkeit wurde nicht bedacht«, rügte Ulli Dressler vom Träger Passage. So kämen Anbieter mit Dumping-Preisen zum Zuge, die den Billigjobbern weder Betreuung noch Qualifizierung bieten oder die Produkte herstellen lassen.

Bleibe es beim alleinigen Kriterium Preis, müssen viele Beschäftigungsträger zum Jahresanfang 2005 schließen, bekräftigt Marlies Strehlow, Co-Geschäftsführerin von Koala, die 20 soziale Stadtteilprojekte betreut. Weil Hamburg zudem zum Bundeszuschuss nichts zuzahlen will, können Träger mit aufwendigen eigenen Betriebsstätten beim Bieten nicht mithalten, kritisierte auch Manfred Gans vom Jenfelder Träger Quadriga, der Frühstück in Schulen bringt. Auch Quadriga steht vor der Insolvenz.

Durchsetzen konnte sich hingegen die Hamburger Arbeit, die jüngst wegen unsinniger Beschäftigungstherapien Aufsehen erregte. Ebenfalls zu den Gewinnern gehören »Beschäftigung und Bildung e.V.« sowie die »Altonaer Arbeitsförderungsgesellschaft«. Beide Träger betreiben uniformierte Service-Kolonnen und betätigen sich als Personalverleiher. Im »City-Service« müssen Ein-Euro-Jobber beispielsweise zwei Mal am Tag Straßen im Einzugsgebiet großer Kaufhauskonzerne reinigen. Qualifizierung findet nicht statt.
Für Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm ist das ein Skandal, denn die Qualifizierung sei der einzige Nutzen, den Betroffene von den umstrittenen Ein-Euro-Jobs überhaupt noch haben. Der Gewerkschafter fordert eine Aufstockung der Zuzahlungen durch die Stadt. Für die Wirtschaftsbehörde ist der Protest nur Anlass dafür, den Trägern noch mal Gelegenheit zu geben, die Angebote »nachzubessern«, wenngleich es auch dann eine Garantie auf den Zuschlag nicht geben könne, so Sprecherin Claudia Steinbach. Die Träger wollen nun rechtliche Schritte prüfen, sie meinen, die Vergabe sei nicht korrekt verlaufen.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=64640&IDC=3&DB=Archiv



Parlament ist an Willen des Volkes nicht gebunden
Volksgesetzgebung in Hamburg per Gericht de facto eliminiert

Das Hamburger Verfassungsgericht hat die Beschwerde der Gewerkschaften gegen die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser zurückgewiesen. Nebenbei wurde die gesamte Volksgesetzgebung in Frage gestellt.

77 Prozent der Hamburger Wahlbürger sprachen sich am 29. Februar gegen die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) aus. »Der Senat wird aufgefordert, sicherzustellen, dass die Freie und Hansestadt Hamburg Mehrheitseigentümer des Landesbetriebs Krankenhäuser bleibt«, so der Abstimmungstext anlässlich der Bürgerschaftswahlen. Die Gewerkschaften hatten dann eine Klage beim Verfassungsgericht eingereicht, um Bürgermeister Ole von Beust (CDU) daran zu hindern, den LBK – trotz Volksentscheid – an den privaten Klinikbetreiber Asklepios zu verkaufen.

Beust hatte argumentiert, dass der Volksentscheid rechtlich nicht bindend sei, da lediglich ein Ersuchen formuliert worden sei. Das ist nun gerichtlich bestätigt. Auch für Wilhelm Rapp, Präsident des Hamburger Verfassungsgerichts, steht fest, dass eine rechtliche Bindung von Bürgerschaft und Senat nicht gegeben sei, wie er am Mittwoch bei der Urteilsverkündung betonte.

So kann die Bürgerschaft nun den Verkauf des LBK zum 1.Januar 2005 beschließen. Tarifabsenkungen, Kündigungen und der Abbau sozialer Standards für die Mitarbeiter sind damit verbunden. Noch schlimmer: Zukünftig kann das Parlament auch jeden anderen Volksentscheid sofort wieder aufheben. In seiner Urteilsbegründung betonte Rapp die Gleichrangigkeit von Volksgesetzgebung und parlamentarischer Gesetzgebung. Deshalb könne die Bürgerschaft jederzeit ein Gesetz mit anderem Inhalt beschließen. Einem Volksentscheid käme keine höhere Verbindlichkeit als einem Bürgerschaftsbeschluss zu. Das Parlament müsse nur gründlich abwägen, dürfe sich aus Gründen der Organtreue nicht leichtfertig über einen Volksentscheid hinwegsetzen. Eine gründliche Abwägung habe es im Fall des LBK aber durch eine Vielzahl von Erörterungen und Abstimmungen in der Bürgerschaft und in den Ausschüssen gegeben.

Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (CDU) freute sich sichtlich: Der Beschluss des Gerichts setze klare Spielregeln. Röder hat Grund zur Freude, denn immer wieder gelang es Hamburgs Gewerkschaften, Privatisierungsvorhaben des CDU-Senats mit Volksbegehren und Volksentscheiden zu hinterfragen. Entnervt wollte die CDU zuletzt das Volksgesetzgebungsverfahren schon korrigieren und den Volksinitiativen höhere Hürden setzen. Eine »Volksinitiative zur Rettung des Volksentscheids« kündigte Widerstand an (ND berichtete).
Das Verfassungsgericht hat diesen Streit nun faktisch entschieden. Jürgen Kühling, Anwalt der Gewerkschaften und selbst ehemaliger Verfassungsrichter betonte nach dem Urteilsspruch, dass Volksentscheide keinen Sinn machen, wenn diese vom Parlament sofort wieder außer Kraft gesetzt werden können. Die Niederlage der Hamburger Gewerkschaften ist fundamental. Denn auch die bisherigen Volksentscheide etwa gegen die Privatisierung der Berufsschulen und der Wasserwerke könnten nun ignoriert werden.

Schon im August hatte Rapp zu erkennen gegeben, dass die Klage der Gewerkschaften in Sachen LBK nur geringe Erfolgsaussichten hat. Gerald Kemski, Sprecher der AG Gewerkschaftspolitik der örtlichen PDS, forderte deshalb, Entscheidungen nicht nur auf juristischem Weg zu suchen, sondern auch den politischen Druck durch Aktionen der Beschäftigten zu verstärken. Kemski konnte sich seinerzeit nicht durchsetzen. Jetzt sind Hamburgs Gewerkschaften zur Strategieüberprüfung gezwungen.

Verwendung (unter Pseudonym): http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=64654&IDC=2&DB=Archiv



In Hamburg fragen sich Beschäftigungsgesellschaften, ob sie bei Hartz IV mitmachen sollen

Anfang 2005 wird mit Hartz IV alles anders: Bisherige ABM und Beschäftigungsprojekte werden flächendeckend von Ein-Euro-Jobs abgelöst. In Hamburg fragen sich die Trägerfirmen, ob sie dabei mitmachen sollen.

Wände mauern, die wieder abgerissen werden, Teppichreste zerlegen, die im Mülleimer landen, Fliesen kleben, die wieder abgehauen werden. So soll es zugehen beim größten Hamburger Beschäftigungsträger, der städtischen »Hamburger Arbeit« (HAB). Zwei Wochen ist es her, als zwei 1-Euro-Jobber vor die Presse traten und die »Sinnhaftigkeit« der ihnen gegebenen Arbeit hinterfragten. 225 Millionen Euro sollen in Hamburg im Jahr 2005 »zur Förderung und Beschäftigung von Arbeitslosen« ausgegeben werden. Im Zentrum stehen zehntausend 1-Euro-Jobs, 2000 davon gibt es schon. Der neue Markt ist umkämpft: 18000 Anfragen liegen bereits vor.

2500 Teilnehmerplätze hat die HAB. Bei einer Besichtigung einer seiner Betriebsstätten beruhigt Geschäftsführer Detlef Scheele, dass sich die Vorfälle nur auf Übungsphasen beziehen. Zweieinhalb Monate dauern die im Schnitt. Danach stünden 1500 Kooperationsarbeitsplätze zur Verfügung: bei Bildungseinrichtungen, Bezirksämtern, im Theater und anderenorts.

ABM wird es an der Alster nicht mehr geben

Bei der Beschäftigung arbeitsloser Sozialhilfebezieher nach §19 des Bundessozialhilfegesetzes hatte die HAB lange ein Monopol. Bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) – dem Kerngeschäft der freien Träger – sind Aufträge nur zulässig, wenn diese ohne Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden. Ausgeschlossen sind öffentliche Regelaufgaben. Zudem ist öffentliches Interesses vorgeschrieben. Für die neuen Arbeitsgelegenheiten (1-Euro-Jobs) gilt das nun gleichermaßen. Bleibe es dabei, sagt Scheele, erweise sich das Programm als »Luftbuchung«.

Nicht nur für die HAB hat sich viel geändert. ABM wird es in Hamburg nicht mehr geben. Ohne die Ein-Euro-Jobs kann keiner der Träger überleben. Gleichzeitig sinken die monatlichen Pauschalen für die Träger. Statt zuletzt 850 sind es jetzt nach Hartz IV maximal 500 Euro pro Teilnehmer. Davon müssen Betriebsstätten, Maschinen, Material und auch das Personal finanziert werden. Für die Teilnehmer ist eine Mehraufwandsentschädigung von im Schnitt 210 Euro pro Monat kalkuliert. Gibt es das zusätzlich oder ist es Teil der Trägerfinanzierung? Keiner weiß es genau. Jeder Träger macht sein eigenes Angebot. Sie fragen sich: Sollen wir unter solchen Bedingungen weiter machen? Für die HAB ist das kein Thema, für die freien Träger schon. Die Debatte ist aufgeheizt.

Einer dieser Träger ist die »Kooperation Arbeiten und Lernen in Altona« (KoALA), zu der sich vier kleinere Träger zusammenschlossen. Projektidentität ist wichtig. Da gibt es die Suppenküche für diejenigen, »deren Magen sonst leer bleibt«, das »Restaurant zum kleinen Zinken«, Servicestationen für ältere Mitbürger und Hilfsbedürftige. Hinzu kommen Gartenbau und eine Holzwerkstatt sowie diverse andere Projekte. Seit dem Frühjahr 2004 diskutieren die KoALA-Mitarbeiter, ob und wie weitergemacht werden könne. Es sei schwer akzeptabel, dass es für Teilnehmer keine Arbeitsverträge mehr gäbe, sagt Geschäftsführer Aram Ockert. Auch die Bezahlung löse keine Begeisterung aus. Andererseits sei aber, bei Einrechnung staatlicher Zuwendungen, der materielle Unterschied zu ABM nicht gravierend.

Werkstätten sind bei den meisten Trägern inzwischen gestrichen. Die Einrichtung und der Unterhalt der Holzwerkstatt kostet viel, sagt Ockert. Die Erfahrung zeige aber, dass hier viel gelernt und das Selbstwertgefühl der Teilnehmer steigt. Das Bedürfnis Sinnvolles zu tun, sei enorm. Zur Werkstatt gehören 20 Teilnehmer, 4ABM-Anleiter und ein Meister. Die Einarbeitung erfolgt im Team. Gilt nun mit den 1-Euro-Jobs Masse statt Klasse? Ockert schüttelt den Kopf: »Die Anleiter sagen dir konkret, was machbar ist und was nicht. Ausgelastet ist ausgelastet! Wenn die Leute herum stehen, nichts zu tun haben, gibt es hohe Krankenstände.« Der Druck, Billigangebote zu unterbreiten, ist groß. Da gehen dann Leute »auftragsgemäß« durch den Stadtteil und schauen nach einem Abfallhaufen, der dann der Müllreinigung gemeldet wird. Bei KoALA will das niemand. Jede Tätigkeit soll sinnvoll, nützlich und qualifizierend sein. Hohe Betreuungsintensität sei wichtig. Dafür haben die Mitarbeiter Gehaltseinbußen hinnehmen müssen. Ein gutes Betriebsklima und Spaß seien trotzdem vorhanden. So lange das auch im Verhältnis zu den Teilnehmern bleibt, will KoALA nicht aufgeben. Gesunder Egoismus paart sich mit Empathie für die Zielgruppe.

Zu den Mitbewerbern gehört die Abakus GmbH. Das Unternehmen existiert seit 20 Jahren. Dienstleistungen in benachteiligten Quartieren zu erbringen gehört auch hier zur Philosophie. So existieren verschiedene Stadtteilangebote, eine Schulmensa, Angebote der Kinder- und Jugendarbeit, eine Tischlerei und ein Projekt zur Berufsvorbereitung, das den Übergang in Ausbildung vorsieht. Gut ausgestattet sind die Betriebsstätten. Abakus will aber seinen Betrieb zum 31. Dezember 2004 einstellen. »Wahrhaft keine spaßige Angelegenheit«, meint Geschäftsführerin Gaby Gottwald. Als klar wurde, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigung durch 1-Euro-Jobs ersetzt wird, habe Abakus gesagt: Das geht nicht. Gottwald verweist auf die Geschichte des Trägers, auf Profil. Qualifizierung, individuelle Förderung, die gewollte Parteinahme für sozial Schwache und Freiwilligkeit sind Prüfkriterien, die Mitarbeiter aufgestellt haben. Mit Ein-Euro-Jobs sei das nicht möglich. Skandalös sei es, wenn Menschen gezwungen sind Arbeit zu verrichten, die keinen Sinn mache und Qualifizierung nicht enthalte. »Deshalb haben wir gesagt: Tschüs, das war es, das machen wir nicht mit. Das ist das Ende.« Gottwald argumentiert betriebswirtschaftlich: Die Fallkostenpauschale werde ständig gesenkt, der Zwang für immer mehr Teilnehmer bei schlechterer Ausstattung größer. Würde man das akzeptieren, hätten 40 Prozent des Personals entlassen werden müssen. Weiterer Qualitätsverlust wäre die Folge. Dann wäre es an die Rücklagen gegangen. »Aber wir wollen doch nicht diese Politik mit unseren Rücklagen finanzieren«, sagt die streitbare Geschäftsführerin. Sanierung mache nur Sinn, wenn Perspektive entstehe. Manchmal sei es besser, eine Sache zu verlassen, bevor einen die Sache verlässt. Alle Abakus-Mitarbeiter erhalten eine Abfindung nach dem BAT. Für ein Jahr wird eine Transfergesellschaft gegründet: Zeit für jeden, neue Perspektiven zu entwickeln. Das sei besser als sich zu Tode zu sanieren, sagt Gottwald und fügt hinzu: »Wenn schon Beerdigung, dann bestellen wir die Musik.« Das aber könne man nur so lange, wie man noch nicht fertig ist. »Kürzen, kürzen, kürzen« führe zu nichts, denn Inhalte gehen verloren. Wie lange könne man das machen, fragt sich Gottwald, um noch ehrlichen Herzens in den Spiegel schauen zu können.

Ulli Dreßler (60), Geschäftsführer der Passage gGmbH, war früher Vorsitzender des Landesjugendrings. »Da hatte ich es auch mit der Vorbereitung der Weltfestspiele zu tun, um alle zu beteiligen: von der SDAJ bis zur katholischen Jugend«. Nach dem Studium drängte es Dreßler wieder in die Praxis. Als Christ gründete er eine sozialpädagogische Beratungsstelle. 1998 dann die Rathauspassage. Die Idee: 50 Meter Luftlinie vom Bürgermeisterbüro entfernt, sollte deutlich werden, was es heißt, von Arbeit ausgeschlossen zu sein. Für die Sanierung sammelte Dreßler 1,6 Millionen DM Spenden. Daraus wurde ein kleiner Beschäftigungsträger. Anfang des Jahres kamen die Textilwerkstatt in Altona, »Sanft und Seife« in Steilshoop und die Jugendwerkstatt Rosenallee hinzu. Dreßler kommt gerade von der Jugendwerkstatt. Im Vergabeverfahren hat sie nichts bekommen. Irgendwie will Dreßler es schaffen, die Mitarbeiter abzufedern. Er denkt sich: »Gut, dass wir Teil des Diakonie sind.«

Das wollen auch die Mitarbeiter der »Gesellschaft für Arbeit, Technik und Entwicklung« (GATE) GmbH in Harburg sein. Vor Jahren betrieb die Gesellschaft große ABM-Projekte. Dann mussten Bereiche geschlossen und Kündigungen ausgesprochen werden. Die Gehälter sanken. Seit dem 15. November ist GATE Teil der Passage: »Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz«. Zwei Dienstleistungszentren bringt die Gesellschaft ein. Dazu gehören ein Mittagstisch, das Callcenter sowie der Bereich häusliche Pflege.

Nichts von dem, was Gaby Gottwald sagte, hält Dreßler für falsch. Er zieht andere Konsequenzen. Haben wir nicht die Pflicht unser Wissen, unsere Plätze, unsere Ideen für die einzusetzen, die unverschuldet in die Arbeitslosigkeit gekommen sind, fragt Dreßler. Keiner könne sagen, was dabei rauskommt. Qualitätsverlust sei unbestreitbar. Das Herz krampft sich ihm zusammen, wenn Dreßler vom Verlust der Arbeitsverträge für Teilnehmer spricht. Das müsse geändert werden! Andererseits gäbe es viele Familien, die schon seit Generationen Sozialhilfe beziehen. »Die fragen: Was habe ich am Ende?«

Freiwillige Arbeit ist motivierender

Wirklich furchtbar wären gewisse Einzelheiten bei Hartz IV: Wenn jemand krank wird, der sich gerade eine Monatskarte gekauft habe und dann keine Mehraufwandsentschädigung erhalte. Die, die sich zunächst dafür entschieden haben, weiterzumachen, müssten jetzt sehen, wie ein Optimum herauszuholen ist. Sonst laufe man mit angezogener Handbremse auf der Überholspur der Autobahn. Nachdenklich fügt Dreßler hinzu: »Wenn wir jetzt unsere Infrastruktur aufgeben, kommt sie nie wieder.«

Und die Freiwilligkeit? Für Ulli Dreßler ist das ein Essential. Er bekäme Angstschweiß, wenn er sich vorstelle, dass eine 89-Jährige, die zwei Inflationen erlebt hat, nun im Alter einem Unwilligen ausgesetzt wird. Aram Ockert verweist auf eine Erklärung der Agentur für Arbeit, des Städtetages und der Arbeitsgemeinschaft freier Wohlfahrtspflege. Dort heißt es, dass erhöhte Freiwilligkeit die Motivation steigere. Träger sollen entscheiden können, ob sie jemanden nehmen oder nicht. Damit kann ich leben, sagt Ockert. Nicht leben könne er mit Zwangszuweisungen, die die Träger dann nehmen müssen. Detlef Scheele von der HAB sagt hingegen: »Wir nehmen jeden«.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=63578&IDC=2&DB=Archiv



Verlagerung von Hamburg nach Toulouse angedroht

Im Streit um die geplante Erweiterung des Airbus-Standorts Hamburg-Finkenwerder setzen Konzern und Lokalpolitik auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die Gegner des Vorhabens weiter unter Druck.

Das neue Auslieferungszentrum für den Super-Jet A 380 kommt zum Sitz der Airbus-Konzernzentrale nach Toulouse. Zumindest für ein Jahr wird der französische Standort den ab 2006 eigentlich für Hamburg vorgesehenen Anteil von Auslieferungen mit übernehmen. Damit entfallen für die Hansestadt auch der Innenausbau und die Lackierung der neuen Flugzeuge. Eine Rückverlagerung nach Hamburg sei möglich – aber nur wenn die Stadt endlich Planungssicherheit für die geforderte Verlängerung der Start- und Landepiste im dortigen Airbuswerk Finkenwerder herstelle, so Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken am Donnerstag. Gegen eine endgültige Absage an Hamburg hatte sich in den letzten Tagen auch die Bundesregierung in Person von Wirtschaftsstaatssekretär Dietmar Staffelt eingesetzt.
Airbus gehört zu zwei Dritteln dem Luft- und Raumfahrtriesen EADS, zu der sich einst die deutsche DASA und der französischen Rüstungskonzern Aerospatiale Matra zusammenschlossen hatten. Der in hohem Maße auf öffentliche Subventionen angewiesen Konzern wird von einer deutsch-französischen Führungsspitze gelenkt. Puttfarcken betonte, dass die nationale Balance nicht geändert werden solle. Doch faktisch ist nun eine Gewichtsverlagerung zu Gunsten von Toulouse gegeben. Schon wird in Hamburg darüber spekuliert, dass die Airbus-Spitze eine solche Standortentscheidung schon länger vorbereitet habe.

Dennoch begrüßte Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) die Übereinkunft mit Airbus und kündigte nunmehr die Enteignung von Grundstücksbesitzern an, die sich nach wie vor weigern, ihre Immobilien für die Verlängerung der Start- und Landebahn zu veräußern, die Airbus zur Bedingung gesetzt hat, das Auslieferungszentrum in Hamburg zu errichten.

Ausgelöst wurde die gemeinsame Pressekonferenz durch eine Mitteilung des Kirchenvorstands der evangelischen Sankt-Pankratius-Gemeinde, »fortan keine außergerichtlichen Gespräche« über den Verkauf ihres Grundstücks mehr zu führen. Dieses wird für die Erweiterung der Landepiste allerdings benötigt. Zudem verhandelt die Kirchengemeinde auch für mehrere Obstbauern, die sich ebenfalls weigern, ihre Immobilien zu veräußern. Dabei hatte der Kirchenvorstand die Gespräche mit der Stadt abgebrochen, da keinerlei Konzessionen in Sicht waren, ließ sich aber auf Druck der Kirchenleitung auf weitere Gespräche mit Airbus ein. Diese wurden jetzt mit einstimmigem Beschluss wieder abgesagt.

Die Kirchengemeinde begründet ihre Haltung damit, dass sich Airbus weigert, Arbeitsplatzgarantien zu übernehmen, sollte die Landebahnerweiterung tatsächlich erfolgen. Für zusätzlichen Unmut sorgt, dass auch die vom Bürgermeister ausgesprochene Bestandsgarantie für das angrenzende Dorf Neuenfelde zeitlich befristet ist.

Landesbischöfin Maria Jepsen zeigte sich jetzt nach der Erklärung des Kirchenvorstandes verärgert und forderte die Respektierung öffentlicher Interessen. Die Bischöfin drohte damit, den widerständigen Gemeindevorstand abzusetzen. Doch laut der Kirchenverfassung der evangelisch-lutherischen Glaubensgemeinschaft ist eine solche Absetzung nur zulässig, wenn eine beharrliche Pflichtverletzung nachgewiesen werden kann. Dies wäre aber angesichts eines Gerichtsurteils von Anfang August, das die Bauarbeiten für die Landebahnerweiterung stoppte und deren Gemeinnützigkeit verneinte, kaum begründbar. In dem Gerichtsverfahren konnte Airbus nicht nachweisen, dass eine Landebahnerweiterung für den A 380 nötig ist und zu mehr Arbeitsplätzen führen würde.

Bürgermeister von Beust will für die nun angekündigten Enteignungen den Planfeststellungsbeschluss nachbessern. Er betont, seit der Standortentscheidung von Airbus für Hamburg seien zahlreiche neue Arbeitsplätze entstanden, 1900 Stellen allein bei Luftfahrtzulieferern. Auch habe der Konzern angekündigte Investitionen getätigt.

Experten indes sagen, dass der Arbeitsplatzgewinn vor allem mit der Auftragsflut bei kleineren Modellreihen der Typen A318 bis A321 zu tun habe. Damit bleibt auch ein weiteres Enteignungsverfahren ungewiss.

Verwendung (unter Pseudonym): http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=63519&IDC=3&DB=Archiv



Port Package II soll erneut die Hafenwirtschaft in Frage stellen – Protestkundgebungen in deutschen Häfen

Am 20. November 2003 lehnte das Europäische Parlament mit 229 zu 209 Stimmen die Richtlinie zur „Liberalisierung von Hafendienstleistungen“ (Port Package) ab. Erstmalig hatten sich gewerkschaftliche Positionen im EU-Parlament durchgesetzt. Das war eine Sensation. Ein Jahr später sehen sich die Hafenarbeiter erneut herausgefordert. In sieben Ländern und in Rostock, Wismar, Lübeck, Kiel, Brake, Bremen, Bremerhaven, Emden, Nordenham und in Hamburg legten Arbeiter der ersten Schicht am Freitag für dreißig Minuten die Arbeit nieder. Sie informierten sich zum neuen Richtlinien-Entwurf (Port Package II), den die scheidende EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio am 13. Oktober einbrachte. Die Parlamentsentscheidung aus dem Vorjahr hält sie für nicht akzeptabel.

Mit Port Package steht die ganze Hafenwirtschaft in Frage: Dienstleistungen sollen ausgeschrieben, Schiffsabfertigungen durch Seeleute oder Billig-Jobber erledigt und auf Lotsendienste soll verzichtet werden. Jan Kahmann vom ver.di-Bundesvorstand befürchtet Qualitätsverlust und Sicherheitsmängel beim Warenumschlag. 10 000 Arbeitsplätze wären allein in den Kernbelegschaften gefährdet, 4 000 in Hamburg. Zudem gehe die Tarifbindung verloren. Gute soziale Bedingungen, modernste Technik und hohe Qualitätsstandards prägen die Häfen. Mit Port Package wäre das vorbei. Die Ausschreibung von Hafendienstleistungen für maximal 12 Jahre führe zum Verlust sozialer und technischer Standards, sagt Kahmann. Transnationale Konzerne würden dann Umschlag und Logistik konzentrieren. Tausende weitere Arbeitsplätze wären verloren.

Für den Hamburger Eurogate-Betriebsrat Wilkens waren die Aktionen am Freitag ein Zeichen in Richtung Brüssel: Wer Hafenarbeiter abschreibt, müsse mit Widerstand rechnen. Auch Armin Blechschmidt, VK-Leitung HHLA Burchardkai, TCT-Betriebsrat Harro Jakobs und Thomas Mendrzik, BR-Vorsitzender bei HHLA CT Altenwerder, sind sich einig: Das muss verhindert werden. Mendrzik fügt nachdenklich hinzu: mit der neuen „Bolkestein-Richtlinie“ zur Liberalisierung des europäischen Binnenmarktes sei jetzt ein weiteres Problem vorhanden. Dereguliert wird nun alles, was nicht explizit geregelt ist. Wie die neue Strategie der Europäischen Transportarbeitergewerkschaft (EFT) dagegen aussehen wird, wurde am Montag dieser Woche in der Leitung der Europäischen Transportarbeiterföderation beraten.

Lobbyarbeit allein reiche nicht, sagte Bernt Kamin vor 1 1/2 Jahren der UZ. Außerparlamentarischer Kampf müsse dazu. In der Tat: Erst in dieser Kombination konnte Port Package I verhindert werden. Für den Kommunisten Kamin, Betriebsratsvorsitzender im Gesamthafenbetrieb Hamburg, war es wichtig diese Aktionen mit verschiedenen Ländern zu koordinieren. So gelang das, was bisher selten eingelöst wurde: Grenzüberschreitende politische Arbeitskämpfe. Bevor es nun um neue Strategien gehe, sagt Kamin, müssen deshalb diese Erfahrungen ausgewertet werden.

Die meisten Transportarbeitgewerkschaften in Europa sind Mitglied der Internationalen Transportarbeiter Förderation (ITF) und ihrer europäischen Dependance ETF. Trotzdem blieb es häufig beim Informationsaustausch. Zu unterschiedlich sind die rechtlichen Bedingungen (z. B. Streikrecht), das Verhältnis zum Establishment, Agreements mit Regierungen. Zudem existiert neben dem ITF dasIinternationale Dockworkers Council (IDC), dem die französische CGT und die spanische Coordinadora angehören. Zu den sprachlichen kamen strukturelle Blockaden.

In Deutschland gibt es nur noch 16 000 Hafenarbeiter. Aber diese arbeiten an einem Kernpunkt volkswirtschaftlicher Transportketten. Ein Flaschenhals: Zugedreht, ist der Zu- oder Abfluss von Gütern gestoppt, und die Hafenarbeiter sind gut organisiert. Als im Mai 2003 an der Westküste der USA Arbeitskämpfe stattfanden, bezifferte die Bush-Regierung den Schaden auf 2 Milliarden Dollar am Tag. Just-in-time-Produktion verträgt Transportunterbrechungen nicht.

Um diese Stärke auf Europa zu übertragen war die Verständigung auf ein Kernthema notwendig. Das war die Selbstabfertigung der Schiffe durch Seeleute oder Billigpersonal. Die Hafenarbeiter forderten: Hafenarbeit für Hafenarbeiter, wie es die ILO-Norm 137 vorsieht. Vier strategische Elemente waren das Ergebnis der Verständigung. Das Werben im Parlament für die Rücknahme der Richtlinie. Lobbyarbeit für Korrekturen zur Sicherung sozialer, ökologischer und sicherheitstechnischer Mindeststandards. Kann Letzteres nicht erreicht werden, müssten Restriktionen in die Richtlinie rein, sodass sich diese wieder aufhebt. Koordinierte außerparlamentarische Aktionen, Demonstrationen und Arbeitsniederlegungen. Die Botschaft war klar: Wir werden nicht zulassen, dass Hafenarbeit durch Billig-Jobber oder Seeleute verrichtet wird. Wir sind gut organisiert, durchsetzungsfähig und kampfwillig. Schiffseigner sollten damit rechnen, dass ihre Schiffe notfalls boykottiert werden: in Europa und weltweit. Bei gegebenem Anlass sollten Aktionen zeitgleich in allen Ländern der EU stattfinden. Die CGT konnte über „Nord-Range-Konferenzen“ der belgischen BTB einbezogen werden. Auch das war eine klare Botschaft: die Hafenarbeiter sind koordiniert.

Um das zu erreichen mussten Unterschiede beachtet werden: Was im vereinigten Königreich die Pausenaktion war, war in Malta eine mehrstündige Demonstration, in Deutschland das „Recht auf Demonstration“ (vier Stunden pro Schicht), war in Holland, Frankreich und Belgien ein 24-stündiger Streik. Politisch begründete Arbeitsniederlegungen konnten so in 14 Ländern gleichzeitig stattfinden. Jede Organisation sollte im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitmachen und das wurde respektiert. Bernt Kamin zeichnet dafür das Bild einer Familie: da gibt es Stärkere und Schwächere, Kleine und Große, Mutige und nicht so Mutige. Aber eine Familie hält im entscheidenden Moment zusammen. Dann ist alles gleich wichtig.

Die Strategie des Widerstandes entstand im Prozess. Alles wurde mit der Basis rückgekoppelt. 20 000 Hafenarbeiter kamen so aus allen Teilen Europas am 29. September 2003 nach Rotterdam und Barcelona. Das war der Tag, an dem der EU-Vermittlungsausschuss Positionen festlegte. Zuvor hatte es 200 Anträge von EU-Parlamentariern gegeben. Heute sagen die Hafenarbeiter: Wir haben gelernt, wie man gewinnen kann, und es war gar nicht so schwierig.

http://www.dkp-online.de/uz/3648/s0403.htm



Ver.di-Linke nimmt Stellung zur BAT-Reform

Berno Schuckart gehört zur »Initiative Gewerkschaftslinke« und ist im Hamburger Ver.di-Landesvorstand

Im Öffentlichen Dienst steht die aktuelle Tarifrunde im Zeichen einer allgemeinen Reform des Tarifgefüges und der »leeren Kassen«. Ver.di sollte sich trotzdem weder Nullrunden noch Mehrarbeit aufnötigen lassen und nicht ohne Forderung in die Verhandlungen starten, so die Gewerkschaftslinke.

ND: Frank Bsirske hat in einem Brief an alle ver.di-Spitzenfunktionäre für die Tarifrunde 2005 gefordert, diese ganz im Zeichen der Reform des Bundesangestelltentarifs (BAT) zu sehen. Was bedeutet das?

Schuckart: Seit zwei Jahren gibt es diese Diskussion zur Neugestaltung des BAT. Das hat Einfluss auf 4 bis 5 Millionen Beschäftigte. Aber diese Diskussion wurde bisher nur in kleinen Zirkeln geführt. Außerdem ist die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) nicht mehr an den Modernisierungsverhandlungen beteiligt, weil sie die Vereinbarungen zur Arbeitszeit, zu den Sonderzuwendungen und zum Urlaubsgeld einseitig kündigte. Auch deshalb halten wir konkrete Forderungen zu Gehalt und Arbeitszeit für wichtig.

Der Ver.di-Tarifpolitiker Kurt Martin sagt, dass in der Tarifrunde 2005 zusätzliche Arbeitgeberkosten durch die Tarifrechtsreform berücksichtigt werden müssen.

Die Ausgangsposition der Arbeitgeber lautet Kostenneutralität. Das bedeutet, wenn wir nicht opponieren: Arbeitszeitverlängerung, Nullrunde mindestens 2005, Verschlechterungen bei der BAT-Reform. Wenn wir uns die These von den leeren Kassen im Öffentlichen Dienst kritiklos aneignen, kommen wir keinen Schritt voran. Die Abteilung Wirtschaftspolitik bei ver.di hat doch viele Vorschläge erarbeitet, wie mehr Geld in die öffentlichen Kassen kommen könnte.Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, dass Frank Bsirske Leistungslöhne und Arbeitszeitverlängerungen für Beamte bereits vereinbart hat.

Nun gut – aber sind offensivere Positionen derzeit durchsetzbar?

Natürlich gab es die Niederlagen der IG Metall. Aber dann müssen wir doch innerhalb unserer eigenen Gewerkschaft diskutieren über das, was die Mitglieder wollen, wie wir uns offensiv aufstellen, wie und ob wir bestimmte Forderungen durchsetzen können.

Was bemängeln sie an der BAT-Konzeption von ver.di?

Zum Beispiel die Einführung eines Arbeitszeitkorridors (ohne Überstundenzuschlag) auf 45 Stunden in der Woche. Die neue Eingruppierungstabelle, die mit 1286 Euro im Westen und 1189 Euro im Osten beginnt. Das liegt weit unter unserer Forderung für einen Mindestlohn von 1400 Euro. Höhere Einstiegsgehälter für Jüngere sollen mit einer Absenkung für Ältere verbunden sein. Natürlich gibt es Bestandsschutz. Aber wird es ein dynamischer Bestandsschutz oder nur ein statischer für den Übergangszeitraum vereinbart? Da gibt es keine klare Aussage.

Welche Forderungen wären für sie adäquat?

Die Gewerkschaftslinke orientiert sich an der IG Metall, die innerhalb des neutralen Verteilungsspielraumes vier Prozent fordert. Das Gebot der Stunde wäre, für kürzere Arbeitszeiten zu kämpfen, zumindest aber doch um den Erhalt des Status Quo. Nach dem 3. April, den Montagsdemonstrationen und dem Perspektivenkongress sollte sich Tarifpolitik politischer gestalten. Wie können wir Arbeitslosigkeit reduzieren? Doch nicht durch Gehaltsverzicht. Wir benötigen eine breite gesellschaftliche Debatte. Das beginnt in der Aufklärung, Mobilisierung und Beteiligung unserer eigenen Basis. Wir brauchen den Dialog mit den sozialen Bewegungen. Aber stattdessen lassen wir uns durch die kommunalen Arbeitgeber unter Druck setzen, wenn diese sagen: Wir verhandeln mit euch nur weiter, wenn ihr Arbeitszeitverlängerungen akzeptiert und auf Lohnforderungen verzichtet. Da sind wir in der Falle. Kaum jemand wird sich für eine solche Tarifrunde mobilisieren lassen. Wir fordern, dass die Tarifkommission am 16. Dezember entsprechend ihren Beschluss korrigiert.

Verwendung (unter Pseudonym): http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=63063&IDC=42&DB=Archiv



Erste Erfahrungen zeigen: Das System funktioniert nicht

Ein-Euro-Jobs sorgen für Freudenbekundungen auf neoliberaler Seite und für Furcht vor neuer Armut der Betroffenen. Erste Erfahrungen liegen vor. Beispiel Hamburg.

Der Einstieg war freiwillig. Weil Marlies Möller*, Mutter zweier erwachsener Kinder und arbeitslos, etwas »Sinnvolles tun und ein paar Euro hinzuverdienen wollte«, ließ sie sich in einen Ein-Euro-Job vermitteln. Seit drei Wochen »arbeitet« sie jetzt in einer Betriebsstätte des Hamburger Beschäftigungsträgers »Hamburger Arbeit« (HAB). Seitdem schnitzt sie Muster in Teppichreste, die anschließend weggeworfen werden. Andere müssen Fenster putzen, die zuvor mit Fett verschmiert wurden. Eine Putzkolonne putzt täglich einen Flur, bis zu acht Mal am Tag. Beworben hatte sich Möller für den »Garten und Landschaftsbau«. Aber aus der Halle ist sie bisher nicht raus gekommen.

Zum Pressegespräch ist auch Atze erschienen. Er ist gelernter Möbeltischler, der nach einem Arbeitsunfall 1998 seinen Job verlor. Auch er kam freiwillig zur HAB. Heute sagt er: »Man wird behandelt wie ein Vollidiot.« Im Baubereich werden Wände gemauert, die dann von Mitarbeitern der HAB wieder umgetreten werden.

Als vor einigen Wochen erste anonyme Berichte über diese Zustände durch das Hamburger Sozialforum verbreitet wurden, wollte es kaum jemand glauben. Immerhin wollen die Agentur für Arbeit und die Stadt allein in Hamburg 250 Millionen Euro jährlich für die Förderung von 10000 dieser Arbeitsgelegenheiten ausgeben. Und die Hamburger Arbeit ist mit schon jetzt 2300 Beschäftigten einer der größten Beschäftigungsträger der Stadt. Förderkurse, Weiterbildung, Qualifizierung? Fehlanzeige!

Marlies Möller hat ihre freiwillige Bewerbung für die Ein-Euro-Maßnahme bitter bereut. Aussteigen könne sie nun aber nicht mehr, denn »wenn ich schmeiße, wird mir die Sozialhilfe gestrichen.« Was von den 160 Euro Zuverdienst bleibt? Möller rechnet: 52 Euro Mehrkosten für die Fahrkarte, das Mittagessen in der Kantine der HAB für 3,50 Euro – »kaum etwas«, ist die Antwort. »Wie in einer Besserungsanstalt« kommt sich Atze vor. Er spürt die Angst, »komplett zu verblöden«.

Jedem Langzeitarbeitslosen wollte Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal (CDU) ein vernünftiges Beschäftigungsangebot unterbreiten. Von Parkpflege, Unterstützung in Altenheimen und Museumsdienst war die Rede. Doch obwohl bislang erst zweitausend der geplanten 10000 Ein-Euro-Jobs geschaffen sind, stellt sich schon jetzt heraus, dass das System einen schweren Mangel hat: Die Arbeiten müssen über das hinausgehen, was sonst sozialversicherungspflichtig Beschäftigte tun. Auch dürfen keine Regelaufgaben der Stadt über Ein-Euro-Jobs realisiert werden.

Auch Detlef Scheele, Geschäftsführer der Hamburger Arbeit, kann nach Besichtigung seiner Betriebsstätte am Dienstag nicht mehr glauben, dass das System funktioniert, wenn bisherige Kriterien aus den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einfach übertragen werden. Das Hamburger Sozialforum fordert Arbeitsbeschaffungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Die Ein-Euro-Jobs wären dagegen der Einstieg in einen »dritten« und würdelosen Arbeitsmarkt.

(* Name geändert)

Verwendung (unter Pseudonym): http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=63031&IDC=2&DB=Archiv



Hamburger Volksinitiative will Plebiszite retten

Am Freitag haben in Hamburg Gewerkschaften, Oppositionsparteien und Initiativen eine »Volksinitiative zur Rettung des Volksentscheids« angemeldet. Sie will die Schwelle für Plebiszite niedrig halten.

Die Hamburger Initiative hat ein eigenes Gesetz für die Veränderung des Hamburger Volksgesetzgebungsverfahrens vorgestellt. Jetzt muss sie 10000 Wahlbürger als Unterstützer finden, damit der Bürgerschaft das Gesetz eingereicht werden kann. Das will Angelika Gardiner von »Mehr Demokratie e.V.« schon bis Februar erreicht haben. Lehnt das Parlament den Entwurf dann ab, muss ein Volksbegehren stattfinden, bei dem fünf Prozent der Hamburger Wähler die Initiative unterstützen müssen. Bleibt die Bürgerschaft auch dann ablehnend, gibt es einen Volksentscheid, der bei den Bundestagswahlen 2006 stattfinden soll.

Geschlossen reagiert Hamburgs parlamentarische und außerparlamentarische Opposition damit auf ein Vorhaben der regierenden CDU, die seit 1996 gültige Volksgesetzgebung zu verschärfen. Danach sollen Volksabstimmungen nicht mehr zu Wahlterminen und als Briefwahlen stattfinden. Unterschriften für Volksbegehren dürfen nicht mehr gesammelt, sondern müssen direkt auf Ämtern abgegeben werden. Damit aber werden die Hürden so hoch gehängt, dass Experten von einer »De-facto-Abschaffung« der Volksgesetzgebung sprechen.

Für die Wirksamkeit eines Volksentscheids soll zudem ein Zustimmungs-Mindestquorum von 25 Prozent der gesamten Wahlbevölkerung erreicht sein. Die Volksinitiative will hingegen eine weitere Liberalisierung der Volksgesetzgebung durchsetzen. Das Bündnis geht davon aus, das eigene Vorhaben bereits zu den von der CDU geplanten neuen Bedingungen durchsetzen zu müssen. Manfred Brandt von der Initiative »Mehr Demokratie«: »Wir werden ein sehr breites Bündnis auf die Beine bringen müssen.«

DGB-Chef Erhard Pumm sagt der CDU eine schwere Niederlage voraus, und SPD-Fraktionschef Mathias Petersen betont: »Die CDU hat kein Gespür für die Anliegen der Menschen.« Die Hamburger haben mehrfach Vorhaben des Senats zu Fall gebracht. So sprachen sich im Februar 77 Prozent gegen die Privatisierung der landeseigenen Krankenhäuser aus. Im Mai setzte die Initiative »Mehr Demokratie« ein neues Wahlrecht durch, das mehr Bürgereinfluss sichert und die Fünf-Prozent-Hürde für die Bezirksversammlungen kassierte.

268000 Hamburger unterstützten im September Begehren gegen die Privatisierung der Berufsschulen und Wasserwerke. Aus Angst, eine Schlappe bei Volksentscheiden einzufahren, die noch nach dem alten Recht hätten stattfinden müssen, lenkte der Senat ein.

Verwendung (unter Pseudonym): http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=64362&IDC=2&DB=Archiv



Wie Ein-Euro-Jobs die Weiterbildung ersetzen – das Beispiel Hamburg

Folgen der Hartz-Reformen in der Weiterbildung: Statt der bisherigen Umschulungen konzentrieren sich die Träger auf Ein-Euro-Jobs. Mögliche Konsequenzen sind absurde Beschäftigungsprogramme und massenhafter Stellenabbau bei Bildungsträgern.

Zwischen 8000 und 10000 Arbeitslose nahmen bisher jährlich in Hamburg an Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung teil. Ein Viertel davon im Rahmen von Umschulungsmaßnahmen. In diesem Jahr ist deren Anzahl bereits auf 3108 Personen gesunken. 2005 – so hat es der Verwaltungsausschuss der Hamburger Agentur für Arbeit gerade festgelegt – werden es nun nur noch 1300 sein. Umschulungen wird es kaum noch geben.

Der Kahlschlag bei den Umschulungen ist kein Einzelfall. Auch andere Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik laufen im Gefolge der »Arbeitsmarktreformen« aus. So hat sich die Anzahl der ABM-Beschäftigten in der Hansestadt von 4700 in den 90ern auf 1700 in 2004 verringert. Für 2005 ist eine weitere Absenkung auf nur noch 600 Plätze vorgesehen, und 2006 soll es ABM dann in Hamburg gar nicht mehr geben. Auch die Berufsförderungswerke, die ausschließlich Rehabilitanten fördern, schlagen inzwischen Alarm. Denn Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat die Umschulung auch für diesen Bereich in Frage gestellt.

Ronald Kohsiek, Arbeitsmarktexperte bei ver.di, sieht darin einen dramatischen Niedergang der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Fast alle Ressourcen konzentrieren sich nun auf die Ein-Euro-Jobs oder kurzfristige »Aktivierungen«, also Trainingsmaßnahmen. Allein in Hamburg sollen 10000 dieser Ein-Euro-Jobs entstehen (ND berichtete).
Das werde, so Kohsiek, nicht funktionieren. Denn obwohl erst ein Fünftel dieser Ein-Euro-Jobs in Hamburg existiert, hat die städtische Hamburger Arbeits- und Beschäftigungsgesellschaft (HAB), die den größten Teil des Kontingents verwaltet, bereits jetzt erhebliche Schwierigkeiten, adäquate Beschäftigung zu finden. Durch die Umstellung der Programme sei es der HAB nur noch möglich, Arbeitsgelegenheiten im Rahmen gemeinnütziger zusätzlicher Beschäftigung anzubieten, so HAB-Sprecherin Heike Baumann. Dies schränke aber das Tätigkeitsspektrum erheblich ein.

Am Kriterium der Zusätzlichkeit wollen die Gewerkschaften aber unbedingt festhalten, denn sonst würden reguläre Arbeitsplätze schleichend durch Ein-Euro-Jobs ersetzt. Monatelang will die HAB deshalb die Ein-Euro-Jobber nun mit Übungsmaßnahmen beschäftigen: Wände würden gemauert, gestrichen und dann wieder eingerissen. Flure würden geputzt – und anschließend »mit einem Eimer Schmierdreck« für den nächsten Ein-Euro-Jobber wieder hergerichtet, berichten empörte Teilnehmer.

Diese Politik vernichtet Arbeitsplätze, sagt Peter Petersen, Sprecher des Betriebsräte-Arbeitskreises der Hamburger Weiterbildungsträger. Bereits 1000 fest angestellte Mitarbeiter wurden in seinem Bereich entlassen. Bundesweit hätten in der Weiterbildung in den letzten 18 Monaten 30000 Beschäftigte ihren Job verloren, die Entlassungen bei ABM-Gesellschaften gar nicht eingerechnet. Für 2005 rechnet Petersen allein im Berufsförderungswerk Hamburg mit 140 weiteren Streichungen. Gehe das so weiter, werde die Weiterbildungsbranche Ende 2005 »faktisch nicht mehr existieren«.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=62695&IDC=42&DB=Archiv



Ratschlag der deutschen Netzwerksektion

Rund 300 Aktivisten des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac trafen sich Ende der Woche in Hamburg zum Herbstratschlag.

Einstimmig verabschiedeten die Attac-Mitglieder eine Resolution gegen den vorliegenden Entwurf der EU-Verfassung und eine Aufklärungs- und Unterschriftenkampagne. Zudem wird sich Attac an einer europaweiten Kampagne gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie (»Bolkestein-Richtlinie«) und an einer europaweiten Demonstration am 19. März 2005 in Brüssel beteiligen.

Die EU offenbare sich als treibende Kraft der neoliberalen Globalisierungsmaschinerie, sagte Stephan Lindner, Mitglied der EU-AG und neu im Attac-Koordinierungskreis. Der inhaltlich kaum bekannte Verfassungsentwurf schreibe eine militaristische, neoliberale Politik dauerhaft fest und versage dem Parlament zentrale Rechte.

Zuvor hatte Oliver Moldenhauer, Mitglied des Koordinierungsrates, auf einer Pressekonferenz eine positive Bilanz der Entwicklung des globalisierungskritischen Netzwerkes gezogen. Mit jetzt 16 000 Mitgliedern habe der Zuwachs im laufenden Jahr bei 5,9 Prozent gelegen. Über 170 Ortsgruppen und zahlreiche Arbeitsgemeinschaften hätten an wichtigen Projekten Anteil gehabt. Dazu zählte Moldenhauer die Großdemonstration vom 3. April, die Unterstützung der Montagsdemonstrationen, Aufklärungsaktivitäten über die Welthandelsorganisation WTO und über das Problem der Steuerhinterziehung.

Künftig sei es aber besonders wichtig, dass Attac sich wieder Problemen mit größerer internationaler Dimension zuwende. So könne es 2005 wieder zu einem Aufschwung außerparlamentarischer Aktivitäten kommen. Kurskorrekturen seien nicht in erster Linie über parlamentarische Aktivitäten oder eine neue Linkspartei zu erreichen, sondern durch soziale Bewegung.

Auf Nachfrage räumte der Attac-Sprecher ein, dass sich der »heiße Herbst« aber nicht so entwickelt habe, wie man es Anfang 2004 dachte. Moldenhauer kritisierte in diesem Zusammenhang die zu zögerliche Haltung des DGB. Man halte aber eine Wiederbelebung der Proteste ab Frühjahr 2005 für wahrscheinlich.

Bei der Antragsberatung zu den Schwerpunkten für 2005 gestaltete sich der Attac-Ratschlag sehr kontrovers. Unter dem Titel »Arbeit solidarisch umverteilen« sollte die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung herausgestellt werden. Nur so sei Erwerbslosigkeit zu reduzieren. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit müsse bei 30 Stunden liegen. Diese Forderung sei jedoch »strategisch problematisch«, meinte dazu Attac-Mitglied Harry Klimenta. Erinnert wurde daran, dass die IG Metall gerade mit ihrer Forderung nach Arbeitszeitverkürzung gescheitert ist. Andere Teilnehmer sahen in der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung eine unzulässige Vereinfachung von komplexen Problemen. Mehrfach wurde das Wort von der »defensiven Offensive« bemüht, angesichts dessen, dass neoliberale Gedanken in der Gesellschaft tief verwurzelt seien. Diese Diskussionen sollen nun – so der Kompromiss – auf einer Tagung fortgeführt werden. Umstritten war auch die Forderung nach einem Grundeinkommen für alle. Das müsse zunächst breit diskutiert werden.

Verwendung: Printausgabe Neues Deutschland, 01.11.04



Hamburgs CDU setzt auf Etatkürzung/Entlassungen und Qualitätseinbußen befürchtet

50 Millionen Euro sollen Hamburgs Kindertagesstätten ab 1. Januar 2005 einsparen. Gleichzeitig soll sich die Anzahl der Kita-Plätze von 50000 auf 55000 erhöhen. Die 9500 Mitarbeiter fürchten Entlassungen, Gehaltskürzungen und schlechtere Arbeitsbedingungen. Die GEW warnt vor einem Qualitätsverlust.

Der Unmut der Hamburger Kita-Beschäftigten entlud sich Anfang September in Betriebsversammlungen und der größten Kita-Demo, die Hamburg seit 20 Jahren erlebte: 8000 Mitarbeiter, Eltern und Kinder zogen vor das Rathaus. Der Grund: Im »Kita-Kompromiss« zwischen der regierenden CDU und der oppositionellen SPD konnte im April 2004 zwar eine Ausweitung der Betreuungsansprüche für Kinder von Berufstätigen sowie für Drei- bis Sechsjährige erreicht werden. Unklar blieb aber, wie die Mehrkosten finanziert werden sollen. Während SPD und die Träger von Umschichtungen im Haushalt ausgingen, will Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) den Etat kürzen.

Erreicht werden soll das Sparziel vor allem durch Kürzungen beim Personal. 49 Millionen Euro sollen durch Stellenstreichungen und abgesenkte Löhne eingefahren werden. Bei der städtischen »Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten« – hier sind rund die Hälfte der Kita-Plätze konzentriert – fürchtet der Betriebsrat den Verlust jeder vierten Stelle. Verhandlungen zwischen den Trägern und der Sozialbehörde blieben bislang ohne Ergebnis. »In Verantwortung für die von uns betreuten Kinder, können wir den Forderungen nicht entsprechen«, erklärte Michael Edele von der »Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände«, der Verhandlungsführer der Kitas. Für den Fall, dass die Gespräche scheitern, will die Senatorin gerüstet sein. Am 27. Oktober steht das »Einführungsgesetz zum neuen Kinderbetreuungsgesetz« in der Bürgerschaft auf der Tagesordnung. Per Verordnung sollen Kostensätze einfach diktiert werden.

Vor der Bürgerschaftssitzung findet am 22. Oktober im Rathaus eine öffentliche Expertenanhörung statt. Ronni Prieß vom Kita-Bündnis, in dem sich Vertreter nahezu aller Einrichtungen zusammenschlossen, will den Druck auf die Abgeordneten erhöhen. Selbst als Experte der SPD berufen, will er verdeutlichen, dass das Gesetz rechtswidrig ist und stützt sich dabei auf Rechtsgutachten.

Für den 26. Oktober plant das Bündnis eine Großdemonstration, der sich viele Hamburger anschließen wollen. Prieß will die CDU zur Rücknahme des Gesetzes zwingen. Schließlich war die Kita-Problematik eines der Themen, die Ende des letzten Jahres zum Bruch des alten CDU-Schill-FDP-Senats führten.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=61748&IDC=2&DB=Archiv



Krisenstimmung im Hamburger Rathaus: Das neue Auslieferungszentrum für den Airbus 380 ist in Gefahr

Einen festen Zeitplan hatte Hamburgs Senat für die von Airbus geforderte Verlängerung der Landebahn im Flugzeugwerk Finkenwerder mit dem Konzern bereits beschlossen: um 589 Meter sollte die 2,68 Kilometer lange Landebahn erweitert werden. Doch am 9. August entschied das Hamburger Oberverwaltungsgericht, dass die dafür notwendige Enteignung von 15 Grundeigentümern unrechtmäßig sei. Airbus – samt dem neuen Auslieferungszentrum A 380 – käme auch ohne eine Landebahnverlängerung aus. Nur die Frachtflugzeuge des neuen A 380 könnten hier nicht landen, für diese wenigen Flugzeuge sei aber der Lufthansa-Airport eine durchaus denkbare Alternative.

Airbus-Konzernchef Noel Forgeard knüpft seine Zustimmung für ein Auslieferungszentrum in Hamburg dennoch weiter an die Landebahnverlängerung. Bestünde diesbezüglich bis Ende Oktober keine Planungssicherheit, so sagte er es dem nach Toulouse geeiltem Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU), entscheide sich Airbus neu.

170 Hektar Natur sind schon zugeschüttet

Für dieses Auslieferungszentrum hat Hamburg 170 Hektar des Mühlenberger Lochs – ein großes Naturschutzgebiet – zugeschüttet. 750 Millionen Euro kostete das die Stadt. Nichts war dem Senat zu teuer um den A 380 nach Hamburg zu holen. Bis vor drei Jahren schien selbst die Endmontage des A 380 eine Option für Hamburg. 10 000 Arbeitsplätze sollten so entstehen. Doch diese Endmontage, das stand schnell fest, geht nach Toulouse. Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal (CDU) musste deshalb seine Schätzungen immer wieder korrigieren. Zum Schluss ist er bei 2 000 neuen Arbeitsplätzen gelandet. Filmregisseur Hark Bohm – einer der prominentesten Kritiker des Projekts – bezweifelt selbst dies. Neue Arbeitsplätze – so Bohm – entstünden vor allem bei kleineren Modellreihen, während das Auslieferungszentrum selbst „maximal“ 100 bis 150 brächte.

Airbus-Werk bekam Status der Gemeinnützigkeit

Die Landebahnverlängerung wurde erst öffentlich, als das Mühlenberger Loch bereits zugeschüttet war. Weitere 56 Millionen Euro kostet das nun. Zur Befriedung auch dieses Wunsches beschloss eine große Allparteienkoalition noch vor den Wahlen dem Airbus-Werk per Gesetz den Status der Gemeinnützigkeit zu verleihen. Eine Enteignung der Grundeigentümer schien so besser möglich. 236 Anrainer bildeten darauf hin die Klagegemeinschaft „Schutzbündnis für die Elbregion“. An der Spitze steht die Obstbäuerin Gabi Quast, deren Familie hier schon in der elften Generation ansässig ist.

Dem Bündnis geht es um ein großes Obstanbaugebiet und um das 943 Jahre alte Dorf Neuenfelde. Nun aber sollen rote Backsteinhäuser und Apfelbaumplantagen weichen. Immer wieder verwiesen die Anrainer darauf, dass die Landebahnerweiterung gar nicht nötig sei. Ihre Heimat für vage Zukunftsplanungen zu opfern, kam für sie nicht in Frage.

Eigner wollen sich nicht kaufen lassen

So war es kein Wunder, dass der Senat auch bei weiteren Initiativen auf Widerstand stieß. Nach verlorener Gerichtsschlacht dachten sich die Hamburger Politiker das, was sie immer denken: alles ist eine Frage des Preises. So verdreifachte der Senat sein Kaufangebot für die begehrten Grundstücke auf satte 61,50 Euro pro Quadratmeter. Gleichzeitig aber setzte er die Bedingung, dass die nun bis 1. Oktober verkauft haben. Doch sieben dieser Eigner sind Teil des Schutzbündnisses. Sie hielten an ihrer Entscheidung fest: „Wir bleiben, wo wir sind.“

Ole von Beust: „Es geht um nationale Interessen“

Seitdem herrscht hektische Betriebsamkeit im Rathaus. Am 12. Oktober trat Ole von Beust schließlich vor die Landespressekonferenz. 100 Journalisten drängten sich im Raum 151 des Rathauses. So voll war es seit der Entlassung von Schill nicht mehr. Beust zog alle Register: Es gehe um „nationale Interessen“, denn nur noch in wenigen Bereichen könnten wir „weltweit mithalten“. Dazu zähle die Luftfahrtindustrie. Hier gehe es nicht um einen Kampf „David gegen Goliath“, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in der ganzen Welt.

Ganz der Stadtvater, gab es aber auch warme Worte des Verständnisses: Legitim und nachvollziehbar sei der Widerstand gewesen. Nun aber müsse Schluss sein, denn die „Glaubwürdigkeit des Landes als internationaler Industriestandort“ sei sonst erschüttert.

Definitiv sei dies die letzte Werkserweiterung, so der Bürgermeister, der nun selbst eine Bestandsgarantie für das Dorf abgeben wollte. Gute Nachbarschaft will auch Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken. Drei Millionen Euro spendet er dem Dorf, vorausgesetzt die Grundstücke werden endlich verkauft. Zuschüsse für die freiwillige Feuerwehr und den Sportverein seien möglich. Was, so fragt Gabi Quast, sei aber eine Bestandsgarantie wert, wenn Airbus selbst diese nicht gebe? Und auch die Spende des Konzerns konnte das Dorf nicht wirklich erfreuen. John-Henry Köster vom Vorstand der Kirchengemeinde bringt es auf den Punkt: „Was soll eine Gemeinde mit Geld, wenn sie keine Gemeinde mehr hat.“

Mit EADS auf Augenhöhe zu US-Amerikanern

Ändert sich an der Haltung der Eigner bis Ende Oktober nichts, könnte der Stadt eine große Subventionspleite drohen. Auf der anderen Seite bildet aber die Luftfahrtindustrie nicht zufällig ein Prioritätsprojekt Deutsch-Französischer Zusammenarbeit. Hier besteht eine enge Symbiose zur Rüstungsindustrie.

Airbus gehört zu zwei Dritteln der „European Aeronatic Defence and Space Company“ (EADS), die den Kern eines neuen militärisch-industriellen Komplexes darstellt. Über die Vereinigung der deutschen DASA (Daimler Crysler und die Deutsche Bank) mit dem französischen Rüstungskonzern „Aerospatiale Matra“ ist ein Konzern entstanden, der insbesondere von staatlichen Subventionen wie Rüstungsaufträgen lebt, ja dafür geschaffen wurde. „Mit EADS sind die Europäer endlich auf Augenhöhe mit den Amerikanern“ schwärmte der damalige Co-Chef von EADS Rainer Hertrich schon bei der Gründung des europäischen Riesen. Kürzlich konnten sogar Nautikaufträge aus dem Pentagon übernommen werden.

Träumt Ole von Beust schon vom Airbus 400 M?

Zum Produktionsprogramm der Airbus gehört auch das neue Militärtransportflugzeug A 400 M. Ist es nicht denkbar, dass Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, nach verlorener Schlacht mit den Bauern – und mit bekannt unschuldiger Miene – dann von Verhandlungen mit Konzernchef Forgeard zurückkommt, um die Übernahme der Produktion des A 400 M oder bestimmter Komponenten daran zu feiern? Im benachbarten Bremen wird darüber schon spekuliert. Jedenfalls ist es schwer vorstellbar, dass 750 Millionen Euro staatlicher Subventionen und 600 Millionen Euro betrieblicher Investitionen einfach so in den Sand gesetzt werden.

http://www.dkp-online.de/uz/3643/s0604.htm



Hamburgs Senat will mit Hartz IV viel Geld sparen und so den Etat sanieren

In Hamburg haben die Arbeitsagentur und die Behörde für Wirtschaft und Arbeit ein 225-Millionen-Euro-Programm »zur Förderung und Beschäftigung von Arbeitslosen« vereinbart.

10000 Ein-Euro-Jobs, weitere 20000 »Aktivierungen«, also Trainingsmaßnahmen und Ähnliches – so soll Hartz IV im kommenden Jahr in Hamburg aussehen. Damit soll »jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen« ein Angebot unterbreitet werden. 83000 Arbeitslose und 90000 »erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger« zählt die Hansestadt-Statistik.

Angesichts dieses Missverhältnisses von Angebot und Nachfrage dürften Maßnahmenabbrüche einkalkuliert sein – ebenso wie die daraufhin gekürzten Arbeitslosengelder. Aus der Sicht des Senats ein lukratives Geschäft. Um 58 Millionen Euro reduzierte Ausgaben sind für 2005 vorgesehen.

Für Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) bieten die Ein-Euro-Jobs eine Gelegenheit für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, zum Ausgleich für erhaltene Hilfeleistungen Tätigkeiten auszuüben, die im öffentlichen Interesse liegen. Hier setzt die Kritik der Gewerkschaft ver.di an. Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose sprach vom »dritten Arbeitsmarkt« ohne Arbeitnehmerrechte. Sein Arbeitsmarktexperte Roland Kohsiek fürchtet, dass »reguläre, tariflich gesicherte Tätigkeiten nun Stück für Stück an Billig-Jobber vergeben werden«. Tausende Arbeitsplätze seien in Gefahr, denn zeitgleich werde der Druck auf öffentliche Dienstleistungsbereiche durch Haushaltskürzungen erhöht. Die Versuchung, dann schrittweise Personal durch Ein-Euro-Kräfte zu ersetzen, sei groß. Kohsiek denkt an die Kitas, Pflegeberufe, den städtischen Gartenbau, Friedhöfe, Bibliotheken und Museen. Hier drohe ein Verdrängungswettbewerb zu Lasten qualifizierter Fachkräfte.

In einem Brief an Uldall und die Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) fordert die Gewerkschaft eine Vereinbarung mit dem Senat. Dieser solle sich verpflichten, die Einrichtung solcher »Arbeitsgelegenheiten« an die Zustimmung der Betriebs- und Personalräte zu knüpfen. Unabdingbares Prüfungskriterium sei die »Zusätzlichkeit« der Tätigkeiten. Die Gewerkschaft fordert zudem, dass diese Neubeschäftigten sozial- und krankenversichert sind. Ein regulärer Arbeitsvertrag sei auch deshalb unabdingbar, damit diese Arbeitnehmer einen Betriebsrat haben, der für sie zuständig ist.

Auch generell kritisiert Wolfgang Rose das Hartz IV-Gesetz. Er fordert, das Arbeitslosengeld II nicht pauschal zu zahlen, sondern nach dem vorherigen Lohn zu bemessen – also deutlich zu erhöhen.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=61386&IDC=2&DB=Archiv



DORF AUF DER ROLLBAHN

In Sachen Flughafenerweiterung für das Airbus-Werk droht Hamburg eine große Subventionspleite

Dort, wo es in Hamburg nach Elbe riecht und der Wind auf die Deiche drückt, ist das größte Werk von Airbus Deutschland. Hier soll das Auslieferungszentrum A 380 entstehen. 170 Hektar des Mühlenberger Lochs – als Süßwasserwatt ein großes Naturschutzgebiet – wurden dafür zugeschüttet. 750 Millionen Euro kostete das die Stadt. Doch nichts ist zu teuer, um das „Flaggschiff des 21. Jahrhunderts“ an die Elbe zu holen.

Eigentlich war die Endmontage des A 380 Ziel- und Ausgangspunkt für diese Subvention. Doch die geht ins südfranzösische Toulouse zum Sitz der Konzernzentrale. Für das Auslieferungszentrum sind der Innenausbau und die Lackierung der Flugzeuge vorgesehen. 1.550 Flugzeuge des A 380, davon 350 Frachter, will Airbus in den kommenden 20 Jahren verkaufen. Der Konkurrenzkampf mit Boeing scheint damit entschieden. Deren Jumbo-Jet 747 erreicht nicht annähernd die Kapazitäten des A 380, der mit einem Rumpf von 73 Metern neun Meter länger ist. Zahlreiche Fluggesellschaften haben bereits das 555 Passagiere tragende Super-Flugzeug bestellt.

Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sieht die Hansestadt so in einer Reihe mit den wichtigsten Standorten des europäischen Flugzeugbaus. Von 10.000 neuen Arbeitsplätzen war in den Neunzigern die Rede. Heute spricht Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal (CDU) nur noch von 2.000. Doch auch das ist umstritten. Experten sagen: vor allem bei kleineren Modellreihen entstünden neue Arbeitsplätze.

Der Subventionswahnsinn kennt keine Grenzen. Kaum war der Widerstand der Naturschutzverbände gebrochen, entstand ein neuer Kriegsschauplatz. Damit auch die Frachtversion des A 380 und noch größere künftige Varianten des Flugzeugs landen können, soll die Landebahn um 589 Meter verlängert werden. Damit stehen Teile des angrenzenden Obstanbaugebietes und des Dorfes Neuenfelde zur Disposition. Die Familien, die hier ansässig sind, haben ihre Betriebe über viele Generationen errichtet. Kommt die Landebahn ins Dorf, müssen rote Backsteinhäuser und Apfelbaumplantagen weichen.

Um dies zu erreichen, beschlossen CDU, Schill-Partei, FDP und SPD noch vor der Wahl ein neues Gesetz. Das Airbus-Projekt errang – ein einmaliger Vorgang – den Status der Gemeinnützigkeit. So konnten die Rechtsansprüche der Ausbaugegner so weit gemindert werden, dass Enteignungsverfahren für die Grundstücke – unmittelbar betroffen sind 15 Eigentümer – möglich wurden. 236 Anrainer schlossen sich zu einer Klagegemeinschaft, dem „Schutzbündnis für die Elbregion“ zusammen. An der Spitze steht Gabi Quast, Frau des Obstbauern Cord Quast und hier in der elften Generation zu Hause. Und siehe da: In letzter Instanz gab das Oberverwaltungsgericht am 9. August 2004 den Anrainern recht. Mögliche zukünftige Entwicklungen seien kein Kriterium für das deutsche Planungsrecht. Just verdreifachte der Senat nun sein Kaufangebot und bot satte 61,50 Euro pro Quadratmeter, sollten die benötigten Grundstücke bis 1. Oktober verkauft sein. Doch die Mehrheit der Eigner blieb standhaft. Ihre Heimat aufzugeben, kommt für sie nicht in Frage.

Krisenstimmung herrscht seitdem im Rathaus, denn Hamburg hat längst den Zeitplan mit Airbus vertraglich geregelt. Eilig flog der Bürgermeister nach Toulouse, um bei Konzernchef Noel Forgeard für gute Laune zu sorgen. Der setzte ein Ultimatum: Bestehe nicht binnen vier Wochen Planungssicherheit, könne sich der Konzern auch andernorts umsehen. Hektische Betriebsamkeit setzte ein. Von Beust trat am 12. Oktober vor die Landespressekonferenz. Er zog alle Register: Es gehe um „nationale Interessen“, denn „industriell ist Deutschland eine Wüste“. Nur noch in wenigen Bereichen könnten wir „weltweit mithalten“. Dazu zähle die Luftfahrtindustrie. Hier gehe es nicht um ein paar Obstbauern, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland. Dann wandte sich der Regierungschef an seine Bürger in Neuenfelde: Legitim sei der Widerstand gewesen, Verständnis habe er für sie. Aber nun müsse Schluss sein, denn sonst sei die „Glaubwürdigkeit des Landes als internationaler Industriestandort“ erschüttert. Für das Dorf will Beust eine Bestandsgarantie geben. Gute Nachbarschaft wünschte sich auch Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken. Drei Millionen Euro will er dem Dorf spenden, vorausgesetzt die Grundstücke werden verkauft.

Doch das Schutzbündnis reagiert abwehrend: Was, so fragt Gabi Quast, sei eine Bestandsgarantie wert, wenn Airbus selbst diese nicht gebe sondern der Bürgermeister? Der Gemeinschaftsfonds von Airbus löste Spott aus. Das Geld reiche gerade für die entstandenen Schäden. Zwei Jahre donnerten LKWs über den Nincoper Deich, um das Mühlenberger Loch zuzuschütten. Anrainer Franz-Josef Oberließen spricht von einer „Lachnummer“. Gabi Quast bringt es auf den Punkt: das Dorf soll „gespalten werden, damit wir kapitulieren“. Das aber komme nicht in Frage.

Die Springerpresse verbreitet jetzt Panik. So sei die Stadt im internationalen Wettbewerb erledigt. Auch die ehemaligen (SPD-) Stadtoberhäupter appellieren öffentlich und unter dem Motto „Helft Hamburg“. „Neutrale Vermittler“ werden vorgeschlagen. Doch nach wie vor will die Mehrheit der Eigner nicht verkaufen. Ändert sich daran bis Ende Oktober nichts, droht der Stadt eine große Subventionspleite.

http://www.freitag.de/2004/44/04440201.php



Vom Kampf des Hamburger „Kita-Bündnisses“

Fünfzig Millionen Euro sollen Hamburgs Kindertagesstätten ab 1. Januar 2005 „einsparen“. Gleichzeitig will der Senat aber die Anzahl der Kita-Plätze um 5 000 erhöhen. Mit weniger Geld mehr Plätze? Entlassungen, Gehaltskürzungen und schlechtere Arbeitsbedingungen befürchten die 9 500 Mitarbeiter. Eltern, Erziehungswissenschaftler und die GEW warnen vor einem Qualitätsverlust in der frühkindlichen Bildung. Sie sagen: Insbesondere Kinder aus sozial schwachen Familien fallen schon jetzt durchs Raster. Der Unmut ist groß. In Betriebsversammlungen, Aktionen und Demonstrationen formiert sich Widerstand. 8 000 Mitarbeiter, Eltern und Kinder zogen Anfang September mit Losungen wie „Macht ihr erst die Kita platt, wächst nichts mehr in dieser Stadt“ vor das Rathaus. Doch die Verhandlungen zwischen den Trägern und der Sozialbehörde blieben ohne Ergebnis. Das Hamburger „Kita-Bündnis“ – in dem sich Betriebsräte und Vertreter vieler Träger zusammenschlossen – weitet nun seine Proteste aus.

Darum geht es: Seit dem 1. August 2003 gilt in Hamburg ein neues Kita-Gutscheinsystem. Eltern erhalten einen Gutschein, auf dem die Leistung und die Anzahl der Betreuungsstunden vermerkt sind. Sie lösen diesen bei einer Einrichtung ihrer Wahl ein. Jeder Gutschein hat einen pauschalisierten Gebäude-, Personal- und Sachkostenwert, auch Entgelt genannt. Bei der Umstellung auf dieses System reagierten Initiativen und die oppositionelle SPD mit einem Volksbegehren. Standards sollten gesichert werden. Nach den Bürgerschaftswahlen schlossen CDU und SPD den „Kita-Kompromiss“. Vordergründig war von einer Ausweitung der „Rechtsansprüche für Kinder von Berufstätigen“ sowie des „Betreuungsanspruches für die Drei- bis Sechsjährigen von vier auf fünf Stunden“ die Rede. Da aber auch letzteres mit erhöhten Eigenleistungen der Eltern kombiniert ist, ergibt sich tatsächlich eine Abkehr von der Prioritätensetzung für sozial benachteiligte Kinder. Unklar blieb zudem, wie die Mehrkosten für die Ausweitung der Kita-Plätze zu finanzieren sind. Mitte des Jahres sprach Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) Klartext: Ihr gehe es nicht um Mehrkosten, sondern um eine Kürzung der Kita-Mittel. Nominell veranschlagte sie eine 50 Millionen-Haushaltskürzung, die sich aber schnell auf satte 80 Millionen hochrechnet, werden Mehrausgaben bei den Trägern aus der größeren Anzahl von Kita-Plätzen einberechnet.

Erreicht werden soll das „Sparziel“ vor allem durch eine Absenkung der Personalkosten. 49 Millionen sollen durch Stellenstreichungen und abgesenkte Löhne eingefahren werden. Bei der städtischen „Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten“ – hier sind rund die Hälfte der Kita-Plätze konzentriert – fürchtet der Betriebsrat deshalb um jede vierte Stelle. Erhebliche Kürzungen sind auch bei den Sachmitteln und den Gebäudekosten avisiert. Durch pauschalisierte Sätze werden zudem die kleineren Träger benachteiligt. Sie errechnen nun (völlig irreale) Gruppengrößen im Hortbereich von bis zu 31 Kindern, was viele tatsächlich in die Pleite führen würde.

Michael Edele, Verhandlungsführer der „Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände“ stellte hierzu fest: „Das Verhandlungsangebot der Behörde ist nicht akzeptabel. In Verantwortung für die von uns betreuten Kinder können wir den Forderungen nicht entsprechen.“ Doch für den Fall, dass die Verhandlungen scheitern, will die Senatorin gerüstet sein. Mit Hilfe eines „Einführungsgesetzes“ sollen neue Kostensätze den Trägern dann per Rechtsverordnung einfach diktiert werden. Am 27. Oktober steht das Gesetz in zweiter Lesung zur Beschlussfassung auf der Tagesordnung der Bürgerschaft. Um sich abzusichern gab die Sozialbehörde ein Rechtsgutachten in Auftrag. Doch nun wird dessen Veröffentlichung verweigert, sickerte doch durch, dass die bestellten Gutachter das Gesetz für rechtswidrig halten. Es sei nicht zulässig, bestimmte Ausstattungsstandards hinsichtlich Personal und Flächen einfach vorzugeben, wenn zugleich die Finanzierung den Bedarf nicht decke, so die trockene Bilanz namhafter Juristen.

Gleichzeitig lassen die Proteste der Erzieher und Eltern nicht nach. Nach einer Betriebsversammlung bei der „Vereinigung“ gingen erneut tausend Menschen auf die Straße. Sie wehrten sich gegen die Pläne ihres eigenen Geschäftsführers Dr. Martin Schaedel, der – dem Senat zum Wohlgefallen – bereits Kürzungen im hauswirtschaftlichen Bereich ankündigte und Tarifstrukturen in Zweifel zog. Hamburgs ver.di-Chef Wolfgang Rose vertritt hier eine klare Linie: „Wir werden nicht zum Vorreiter einer Dumpingspirale nach unten, auf die dann andere aufspringen und noch weitergehende Absenkungsforderungen stellen“, stellte Rose klar.

Kämpferisch gibt sich auch das Hamburger „Kita-Bündnis“, in dem sich die Betriebsräte der großen Träger, Vertreter kleinerer Träger und Elterverbände vereinigt haben. Das Bündnis fordert die Vielfalt der Einrichtungen und damit verbundene Wahlmöglichkeiten für Eltern zu erhalten. Zudem sei jede Kürzung ein weiterer Schritt in Richtung sozialer Ausgrenzung, denn soziale Prioritäten bei der Aufnahme würden immer weiter zurückgedrängt. Um gut zu arbeiten, dürfe der Haushalt nicht gekürzt, sondern müsse erweitert werden. Vehement wendet sich das Bündnis gegen die Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld und die vorgesehene Fremdvergabe des hauswirtschaftlichen Bereichs. Entlassungen will das Bündnis nicht hinnehmen. Sprecher Ronni Prieß erklärte gegenüber der UZ, dass nur mit verstärktem Protest ein Kurswechsel erreicht werden könne. Wörtlich: „Wenn am 22. Oktober um 17 Uhr im Rathaus die Expertenanhörung zum Thema stattfindet, dann sollte der Saal sehr voll sein. Und wenn wir am 26. Oktober erneut demonstrieren, dann sollten sich Tausende Hamburger diesem Protest anschließen.“

http://www.dkp-online.de/uz/3642/s0602.htm



Millionenangebot für Anrainer des Hamburger Werks

Im Streit um die Startbahnverlängerung am Airbus-Werk in Hamburg hat der Flugzeughersteller den Anwohnern die Einrichtung eines gemeinnützigen Fonds in Höhe von 3 Millionen Euro angeboten.

In der langjährigen Auseinandersetzung um die Verlängerung der Start- und Landebahn im Airbus-Werk Hamburg vollzieht die Landesregierung einen Strategiewechsel. Statt erneut die Grundeigentümer auf juristischem Weg zur Aufgabe ihrer Grundstücke zu zwingen, die für eine Landebahnerweiterung benötigt werden, machte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) am Dienstagnachmittag den Grundeigentümern ein Angebot. Von Beust betonte, ihm gehe es darum, »neues Vertrauen zu schaffen«.

Bereits im Juli war ein geplantes Enteignungsverfahren vom Oberlandesgericht untersagt worden. Die Stadt verdreifachte dann ihr Kaufangebot für die Grundstücke auf satte 61,50 Euro pro Quadratmeter. Doch die Mehrheit der Eigentümer weigert sich trotz des lukrativen Preises. Diese sehen nicht nur die gesamte Region – ein großes Obstanbaugebiet –, sondern auch den Fortbestand ihres Stadtteils Neuenfelde als gefährdet an.

Es bleibt unklar, ob Hamburg den Zuschlag als Auslieferungszentrum für das größte Passagierflugzeug der Welt erhält, denn Airbus-Chef Noel Forgeard hatte vor einer Woche ein Ultimatum gesetzt. Beim Besuch des Bürgermeisters in Toulouse forderte er binnen vier Wochen »Planungssicherheit«, ob die 2,68 Kilometer lange Startbahn um weitere 589 Meter verlängert werden kann. Geschehe dies nicht, so ergänzte Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken, könne sich der Konzern nach anderen Standorten umsehen. 1550 Maschinen der Modellreihe A380 wolle Airbus in den nächsten 20 Jahren verkaufen. Doch mit kurzer Piste gehe das Geschäft an Hamburg vorbei.

Bei dem neuen Angebot des Bürgermeisters geht es nicht nur um Geld. Die Vertrauensbasis mit den Anwohnern soll durch Gespräche wieder hergestellt werden. Von Beust will zusichern, dass die geplante Landebahnverlängerung die letzte in den nächsten 20 Jahren ist. Selbstkritisch räumt er ein, dass die Stadt Erweiterungspläne immer nur scheibchenweise veröffentlicht habe. Den Anwohnern sollen lukrative städtische Grundstücke angeboten werden. Schließlich wird auch das Angebot zum Aufkauf der Grundstücke noch einmal kräftig erhöht. Die dörfliche Gemeinschaft soll zudem mit einem gemeinnützigen Fond in Höhe von drei Millionen Euro geködert werden, den Airbus zur Verfügung stellt. Die Rede ist von Zuschüssen für die freiwillige Feuerwehr und den Sportverein. Auch Klagekosten will der Konzern den Bürgern ersetzen, entscheiden sich diese zum Verkauf.

Auf die Startbahnverlängerung will Airbus nicht verzichten. Über 750 Millionen Euro hat Hamburg bereits für Infrastrukturmaßnahmen ausgegeben, um den A380 nach Hamburg zu holen. Für eine Werkserweiterung wurde das Naturschutzgebiet Mühlenberger Loch zugeschüttet. Für die dann im Frühjahr geforderte Landebahnerweiterung hatte Hamburg, noch vor dem Entscheid des Oberverwaltungsgerichts einen Vertrag mit Airbus unterzeichnet. Gerät die Stadt jetzt in Verzug, wäre womöglich auch Schadensersatzklagen des Konzerns möglich.

Unterdessen halten sich Vertreter des »Schutzbündnisses für Hamburgs Elbregion« bedeckt. Die Obstbäuerin Gabi Quast steht den Angeboten des Bürgermeisters skeptisch gegenüber. Solange Airbus keine Bestandsgarantie für Neuenfelde abgebe, seien die Angebote des Bürgermeisters wertlos. Die Vertreterin des Bündnisses sieht im jetzigen Angebot eher den Versuch den öffentlichen Druck auf die Anwohner zu erhöhen, damit diese, so Quast wörtlich »kapitulieren«.
Das alles hätte vermieden werden können, wenn sich Airbus 1998 für den Produktionsstandort Rostock entschieden hätte. Der Produktionsstandort Laage bot genügend Platz. Doch mit der Hamburger Subventionspolitik konnten die Rostocker nicht mithalten.

Verwendung: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=61188&IDC=3&DB=Archiv



Hamburg hat als erstes Bundesland ein Hartz-IV-Umsetzungsprogramm beschlossen: Jobs ohne Vertrag und angemessene Bezahlung für Tausende. Qualifizierungsmaßnahmen ersatzlos gestrichen

Als erstes Bundesland hat Hamburg jetzt ein konkretes Programm zur Umsetzung von Maßnahmen vorgelegt, die sich aus Hartz IV ergeben. 225 Millionen Euro sollen dafür ausgegeben werden – 175 Millionen aus Beiträgen der Arbeitslosenversicherung bei der Bundesagentur für Arbeit, der Rest aus städtischen Mitteln. Für die Hansestadt ein lukratives Geschäft, rechnet diese doch mit Kostensenkungen bei der Sozialhilfe und zusätzlichen Einnahmen oder Kostensenkungen aus den Ein-Euro Jobs.

Nach dem vorgelegten Programm werden für die rund 100000 Arbeitslosen in Hamburg 30000 »Maßnahmeplätze« vorgesehen. Mit 10000 Ein- oder Zwei-Euro-Jobs bilden diese den Schwerpunkt des Pakets. Neben diesen Billigjobs, die die Verantwortlichen als »Aktiv-Jobs« bezeichnen, geht es um eine Vielzahl von »Trainingsmaßnahmen«. Für die Förderung von »Arbeitsplätzen im Niedriglohnsektor« sollen zusätzliche 3500 Plätze direkt in der Wirtschaft eingerichtet werden.

2000 weitere Ein-Euro-Jobs sollen schon ab November 2004 angeboten werden. Gleichzeitig werden zahlreiche Bildungseinrichtungen zur Qualifizierung von Arbeitslosen, wie die Hauptschulabschlußprojekte für Jugendliche oder Weiterbildungseinrichtungen für Erwachsene, ersatzlos gestrichen.

Bei der Vorstellung ihres Programms betonten Wirtschaftssenator Gunnar Ulldal (CDU) und Arbeitsamtsdirektor Rolf Steil (SPD), daß damit erheblich mehr Arbeitslose betroffen sein werden. Da viele der Maßnahmen kein ganzes Jahr dauern und auch Abbrüche einkalkuliert werden, könne somit »jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Hamburg ein Angebot zur Förderung oder Integration unterbreitet werden«.

Einen besonderen Schwerpunkt in diesem Programm bilden arbeitslose Jungerwachsene unter 25 Jahren. Hintergrund: Schon jetzt werden viele Sozialhilfeempfänger aus diesem Personenkreis zu solchen »Jobs« bei der städtischen »Hamburger Arbeit« verpflichtet. Die Abbrecherquote liegt hier mit über 50 Prozent besonders hoch. Kürzungen oder Streichungen bei der Sozialhilfe sind tägliche Praxis. In einer offiziellen Stellungnahme heißt es hierzu: »Mit der Durchsetzung des Prinzips »Fördern und Fordern« wird Arbeitsmarktpolitik verbindlich – und zwar für beide Seiten: Arbeitslose sind verpflichtet, die gemeinsam mit den Fallmanagern vereinbarten Eingliederungsmaßnahmen auch aktiv anzugehen, wenn sie Hilfeleistungen wie Arbeitslosengeld II und die Erstattung der Kosten der Unterkunft weiter beanspruchen wollen.« Mit den öffentlich geförderten Arbeitsangeboten solle zudem eine Gelegenheit gegeben sein, zum »Ausgleich für empfangene Hilfeleistungen« Tätigkeiten auszuüben, die im öffentlichen Interesse liegen.

Zehn Monate beträgt die Laufzeit dieser Arbeitsgelegenheiten. Die Bezeichnung »Job« ist dabei in der Tat irreführend. Im Unterschied zu einem tatsächlichen Job haben die Betroffenen weder einen Arbeitsvertrag, noch daraus resultierende Rechte. Bei »Fehlverhalten« kommt es zu erheblichen Leistungskürzungen, ohne daß es Widerspruchsverfahren gibt, von Betriebsräten ganz zu schweigen. Schließlich werden auch die Inhalte dieser Arbeitsgelegenheiten benannt: Das Sauberhalten öffentlicher Plätze und Einrichtungen (Straßen, Kinderspielplätze, Plätze, Parks, Sportstätten) steht im Zentrum. Auch »Assistenztätigkeiten« in Schulen, Wohnanlagen, Freizeiteinrichtungen und sozialen Einrichtungen sind vorgesehen. Schließlich geht es um die »Präsenz zur Vermittlung von mehr Sicherheit in öffentlich genutzten Räumen, wie Parkanlagen, Parkhäuser, U- und S-Bahn-Stationen«.

http://www.jungewelt.de/2004/09-28/015.php



Hamburger Senat will Volksbegehren gegen Privatisierung des Landesbetriebes Krankenhäuser ignorieren. Oppositionsparteien kritisieren zwar, wollen aber keinen Krach riskieren

Auf Aufforderung des Hamburger Verfassungsgerichts sollte die Hamburger Bürgerschaft am Donnerstag eine Stellungnahme zur Klage der Volksinitiative »Gesundheit ist keine Ware« abgeben. Die Klage war beim Verfassungsgericht eingereicht worden, um Senat und Bürgerschaft daran zu hindern, sich über ein Volksbegehren vom Februar dieses Jahres hinwegzusetzen. Eine Mehrheit von 76,8 Prozent der Wahlbevölkerung (darunter auch jeder zweite CDU-Wähler) hatte sich am 29. Februar gegen die Mehrheitsprivatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) – mit 12 000 Mitarbeitern zugleich Hamburgs größter Arbeitgeber – ausgesprochen. (jW berichtete) Doch schon im Juli erklärte Bürgermeister Ole von Beust (CDU), daß er sich rechtlich nicht gebunden fühlt. Mit dem Volksbegehren sei lediglich ein »Ersuchen« an Senat und Bürgerschaft formuliert worden.

In einer turbulenten Sitzung des Hamburger Parlaments erklärte SPD-Oppositionschef Michael Neumann dazu: Wer sich »so über die Entscheidung der Bürger unserer Stadt hinwegsetzt, treibt Menschen wie am Sonntag in Sachsen und Brandenburg in die Arme von NPD und DVU«. In einem Brief an alle 121 Abgeordneten forderten die Initiatoren des Volksbegehrens, unter ihnen Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm, diese dazu auf, dem Petitum des Senats nicht zuzustimmen. Die »Volksvertreter« sollten statt dessen »den Volksentscheid respektieren und umsetzen«, denn in Volksentscheidungen nehme das Volk die Funktion eines Verfassungsorgans wahr.

Allerdings sind die Chancen, daß sich Hamburgs Gewerkschaften mit dieser Rechtsauffassung vor Gericht durchsetzen, gering. Im Unterschied zu weiteren Volksbegehren, die sich gegen die Privatisierung der Berufsschulen und der Wasserwerke wehren und die vermutlich im Mai 2005 zu Volksentscheidungen führen, läßt die Gerichtsentscheidung vom Februar erheblichen Spielraum. Neben der sprachlichen Unklarheit als »Ersuchen« wandte sich das Begehren in der Tat nur gegen eine Mehrheitsprivatisierung der Krankenhäuser. Nun verscherbelt der Senat den LBK Schritt um Schritt, wobei das Ziel der Mehrheitsveräußerung an den privaten Klinikbetreiber Asklepios aber feststeht.

Schon im vorläufigen Verfahren hat sich das Verfassungsgericht auf den Standpunkt gestellt, das Volksbegehren erschöpfe sich tatsächlich in einer »unverbindlichen Aufforderung«. CDU-Fraktionschef Bernd Reinert bewertete deshalb die Angriffe der Opposition als den Versuch, »die Rechte des Parlaments zu beschneiden«. Mit der Mehrheit seiner Fraktion werde das Parlament die Zurückweisung der Klage beim Verfassungsgericht beantragen.

Es ist absehbar, daß diese – eher unter rechtlichen Gesichtspunkten – geführte Debatte den Oppositionsparteien zwar absehbar die Möglichkeit bietet, sich als Sachwalter des Willens der Bevölkerungsmehrheit darzustellen, aber an der eigentlichen Entscheidung nichts ändert. Kritische Stimmen – so auch aus der Gewerkschaftslinken – fordern eine Politisierung des Konflikts. Nur mit einer breiten Mobilisierung sowohl der Mitarbeiter, als auch der Bevölkerung, gegen jegliche Form der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen könne die Auseinandersetzung gewonnen werden. Das aber wollen auch die Oppositionsparteien nicht.

Zudem: Sowohl im SPD-PDS-regierten Mecklenburg-Vorpommern als auch im benachbarten Schleswig-Holstein mit SPD und Grünen, sind viele Kliniken längst privatisiert. Selbst in der Chefetage des Hamburger DGB scheint ein Großkonflikt nicht wirklich gewollt zu sein, würde dabei doch schnell die Grundlinie der Politik aller in der Bürgerschaft vertretenen Parteien – »Sparmaßnahmen« umzusetzen und den »Haushalt zu konsolidieren« – ins Zentrum der Kritik geraten. Erhard Pumm ist eben nicht nur Hamburgs DGB-Chef, sondern auch Bürgerschaftsabgeordneter der SPD.

* Der Personalrat des LBK bittet um Unterstützung bei der öffentlichen Anhörung zum LBK-Verkauf am 30. September ab 17 Uhr im Gebäude der Handwerkskammer am Holstenwall

http://www.jungewelt.de/2004/09-25/016.php



Hamburger Sozialpädagogen, Eltern und Lehrer protestieren für Erhalt der »integrativen Regelklassen«

Die Welle des Protests gegen den Abbau sozialer Leistungen durch den Hamburger Senat reißt nicht ab. Für den heutigen Mittwoch ist eine Demonstration von Lehrern, Sozialpädagogen und Eltern zum Rathaus der Hansestadt geplant. Hintergrund: die von der allein regierenden CDU geplante Neukonzeption der sonderpädagogischen Förderung. Kernstück der »Reform« ist der Wegfall der »integrativen Regelklassen«, wie sie derzeit in 36 der 235 Hamburger Grundschulen bestehen. Statt dieser Regelklassen will die CDU schulferne »Diagnose- und Förderzentren« einrichten. Diese kosten, so das christdemokratische Kalkül, erheblich weniger.

Damit werde aber ein Konzept verfolgt, »welches im wissenschaftlichen Diskurs seit 1973 als problematisch eingestuft wurde«, kritisiert Professor Karl Dieter Schuck von der Uni Hamburg in einer Erklärung. Es stehe fest, daß die Förderung von lernschwachen und lernbehinderten Kindern am effektivsten »unterrichtsintegriert« und somit in den allgemeinen Schulen zu realisieren sei. Zu frühe Selektion und zu geringe individuelle Förderung benachteilige gerade diese Kinder, argumentiert der Sozialwissenschaftler.

Mit dem Hamburger Modell der »integrativen Regelklasse« sollen die zusätzlichen Ressourcen der integrativen Pädagogik vor allem in das normale System der Grundschulen eingebracht werden. Es reiche nicht aus, so der »Verband Integration an Hamburger Schulen«, wenn »eine schulfremde Lehrkraft hin und wieder einmal in die Klasse kommt«. Die Beseitigung dieser Regelklassen werde zu erneuter Aussonderung lernbehinderter und lernschwacher Kinder in Sonderschulen führen, befürchten die Kritiker.

Neben der heutigen sind in der Hansestadt weitere Demonstrationen gegen die »Sparpolitik« des Senats angekündigt: Blinde wehren sich gegen Streichungen beim Blindengeld. Beschäftigte in Volkshochschulen, Frauenhäusern, Bücherhallen, bei der Filmförderung, in Drogeneinrichtungen, Schwimmbädern und von Weiterbildungsträgern bereiten Proteste gegen Mittelkürzungen in ihren Bereichen vor. Angehörige des öffentlichen Dienstes wollen gegen die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes protestieren. Die Gewerkschaft ver.di und das Sozialforum Hamburger Süden schlagen vor, die Proteste Anfang November zu einer gemeinsamen Aktionswoche zusammenzuführen.

* Demonstration von GEW, Elternverein und anderen Initiativen: heute, 16 Uhr, Treffpnkt: Hauptbahnhof Hamburg

http://www.jungewelt.de/2004/09-22/022.php



Kitas sollen in der Hansestadt 50 Millionen Euro »einsparen«, aber 5000 Plätze mehr anbieten

Knapp zwei Wochen nach der Demonstration von 8000 Beschäftigten der Hamburger Kindertagesstätten am 2. September (jW berichtete), gingen am Dienstag abend erneut Mitarbeiter der Kitas in Hamburg auf die Straße. Zuvor hatte eine Personalversammlung der »Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten« stattgefunden, an der rund 2 400 Mitarbeiter teilnahmen. In der Vereinigung sind rund 4 800 der insgesamt 10 000 Beschäftigten im Bereich der Hamburger Kindertagesstätten beschäftigt. Fünfzig Millionen Euro sollen Hamburgs Kindertagesstätten ab 1. Januar 2005 »einsparen«. Gleichzeitig soll sich aber die Anzahl der Kita-Plätze um 5 000 erhöhen. So befürchten Hamburgs Erzieher drastische Verschlechterungen nicht nur beim Gehalt, sondern auch bei ihren Arbeitsbedingungen und in den Standards der Kinderbetreuung.

Die Personalversammlung der städtischen Vereinigung sollte – wie bei anderen Trägern auch – bereits am 2. September stattfinden, war dann aber durch die Geschäftsführung untersagt worden. Für die Betriebsratsvorsitzende Irene Gröne ein Skandal, denn inzwischen sind Fakten geschaffen worden. In einem Brief an die Mitarbeiter im Hauswirtschaftsbereich (Küchen und Reinigungsdienste) kündigte Geschäftsführer Dr. Martin Schaedel Personalkürzungen insbesondere für diesen Bereich an. Darüber hinaus soll bei den Kita-Leitungen Personal eingespart werden. Aber auch im Bereich der Erzieher will Schaedel Fakten schaffen, um sich so in eine bessere Verhandlungsposition mit der Behörde zu setzen: Befristete Arbeitsverträge laufen aus, Versetzungen werden vorgenommen und die Vergütungen für das Personal nach Durchschnittswerten im Bereich der Kitas pauschalisiert. Wie Schaedel den entsetzten Mitarbeitern vorrechnete, kann dies zu Lohnkürzungen für einzelne Erzieherinnen von mehreren Tausend Euro im Jahr führen. Co-Geschäftsführerin Hedi Colberg-Schrader versuchte die angeheizte Stimmung mit einem Appell an das pädagogische Pflichtgefühl der Mitarbeiter zu besänftigen. Sie sollten trotz dieser extremen Kürzungen Standards der Kinderbetreuung nicht aufgeben. Sie erntete Pfiffe.

Die Kampfbereitschaft in den Kitas ist hoch. Ronni Prieß vom Bündnis der Hamburger Kita-Beschäftigten sprach bereits am 2. September von möglichen Streiks. In einem offenen Brief, der im Anschluß an die Demonstration der zuständigen Senatorin Birgit Schnieber-Jastram(CDU) übergeben wurde, forderte er nun dazu auf, endlich den Dialog mit den Mitarbeitern der verschiedenen Träger aufzunehmen. Prieß, der auch im Hamburger Sozialforum aktiv ist, gegenüber jW: »Der Zusammenhalt der Beschäftigten im Kita-Bereich ist heute so groß wie nie zuvor. Wir sind kampfbereit und werden diese Kürzungen nicht hinnehmen.«

http://www.jungewelt.de/2004/09-17/015.php



Hamburger Senat stellt Volksentscheid gegen Krankenhausprivatisierung in Frage. Klage vor Verfassungsgericht

Da Hamburgs Regierungspolitiker einen gültigen Volksentscheid mißachten, ruht jetzt die Hoffnung der Bevölkerung auf Richtern. Am 15. September reichten die Initiatoren des Hamburger Volksentscheids »Gesundheit ist keine Ware« Klage beim Hamburgischen Verfassungsgericht ein.

Hintergrund: Am 29. Februar hatten sich 600000 Hamburger in einem Volksentscheid gegen die Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser ausgesprochen. Hamburgs Senat stellt diese Entscheidung aber in Frage und will die sieben Krankenhäuser mit ihren 12000 Mitarbeitern an den privaten Klinikbetreiber Asklepios verscherbeln. (jW berichtete).

»Die Krankenhäuser gehören den Bürgern, nicht Bürgermeister Ole von Beust. Der Senat will den Volksentscheid in den Papierkorb werfen. Aber das Votum des Volkes vom Februar gilt. Das Verfassungsgericht soll den vom CDU-Senat beabsichtigten Verkauf der Mehrheitsanteile am Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) verhindern«, sagte ver.di-Landeschef Wolfgang Rose. Rechtsanwalt Dr. Jürgen Kühling, Verfassungsrechtler und bis 2001 Richter am Bundesverfassungsgericht, vertritt die Kläger vor Gericht.

Da der Senat der Bürgerschaft eine Gesetzesvorlage zugeleitet hat, die die Voraussetzungen für eine Privatisierung des LBK schaffen soll, verklagt die Volksinitiative nun die Bürgerschaft mit dem Ziel, einen entsprechenden Gesetzesbeschluß zu unterbinden. Das Verfassungsgericht soll feststellen, daß auch die Bürgerschaft an die Volksentscheidung gebunden ist und deswegen ein solches Gesetz nicht erlassen darf, solange sich keine grundlegend neuen Umstände oder Erkenntnisse ergeben.

»Die Privatisierungspläne des Senats sind von den Hamburger Bürgern in einem Volksentscheid mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden. Wir klagen, damit das Gericht diesen Verfassungsbruch stoppen kann«, so Rose: »Dieser Senat macht einen großen Fehler. Er nutzt seine absolute Mehrheit aus ideologischen Motiven zu einem Bruch der Verfassung und verletzt damit auch den politischen Anstand. Der Senat will ein Vermögen verschleudern, das dem Volk gehört«.

Kühling argumentiert in der Klageschrift, daß der Volksentscheid nicht mittels juristischer Winkelzüge ignoriert werden dürfe. Schließlich hätten die Hanseaten nicht eine unverbindliche Empfehlung ausgesprochen, sondern einen »Entscheid« durchgeführt, der auch für die politischen Organe verbindlich sei.

http://www.jungewelt.de/2004/09-17/012.php



Erfolgreiches Begehren zu Volksentscheid gegen Privatisierung von Berufsschulen und Wasserwerken

Mit Einkaufswagen und Transparenten zogen am Dienstag morgen Lehrer, Eltern und Berufsschüler zum Hamburger Rathaus. Im Gepäck: 121000 Unterschriften unter dem Volksbegehren »Bildung ist keine Ware«. Bereits zuvor hatten die Initiatoren des parallel laufenden Volksbegehrens »Unser Wasser Hamburg« 147000 Unterschriften beim Landeswahlleiter abgegeben. 14 Tage – zwischen dem 23. August und dem 6. September – hatten die Initiativen Zeit, um die nach dem Hamburgischen Gesetz über Volksbegehren und Volksentscheide nötigen Unterschriften zu sammeln. Nach dem seit 1996 gültigen Gesetz, ist ein Volksbegehren dann erfolgreich, wenn fünf Prozent der Wahlbevölkerung die Forderungen einer Initiative unterstützen. Das sind etwa 61000 Personen. Die Bürgerschaft hat nun drei Monate Zeit sich den Anliegen anzuschließen und entsprechende Gesetze zu verabschieden. Geschieht dies nicht, finden im Mai 2005 Volksentscheide statt, die rechtlich bindend sind.

Das Volksbegehren »Bildung ist keine Ware« richtet sich gegen die Privatisierung der 48 Hamburger Berufsschulen, die in eine wirtschaftsorientierte Stiftung überführt werden sollen. Damit würden Vertreter der Handelskammer wichtigen Einfluß auf die Ausbildung gewinnen. Bereits im Juni hatte die GEW auf die Verfassungswidrigkeit des Vorhabens hingewiesen (jW berichtete). Im Auftrag der GEW hatte der Oldenburger Wissenschaftler Prof. Dr. Dieter Sterzel ein Gutachten erarbeitet. Dessen Kernaussagen: Entstaatlichung der Berufsschule hebelt die Grundsätze der dualen Berufsausbildung aus und widerspricht dem im Grundgesetz festgelegten staatlichen Bildungsauftrag. Nach Ansicht von Dr. Stephanie Odenwald, Landesvorsitzende der GEW, ist umfassende Bildung aber nur gewährleistet, »wenn die beruflichen Schulen uneingeschränkt bei den staatlichen Behörden bleiben«. Die Handelskammer will hingegen, daß »Lerninhalte besser an die Bedürfnisse der Praxis« angepaßt werden, womit der Wegfall allgemeinbildender Fächer und die Reduzierung des theoretischen Unterrichts auf reinen Fachunterricht gemeint ist.

Mit dem Volksbegehren »Unser Wasser Hamburg« will diese Initiative eine Privatisierung der Wasserwerke verhindern. Die Initiatoren befürchten eine Verschlechterung der Trinkwasserqualität und erhebliche Preissteigerungen für die Verbraucher. Bewußt hatten beide Initiativen die Volksbegehren parallel durchgeführt, um sich beim Sammeln gegenseitig zu unterstützen. Besonders genau achteten die Initiativen auf die Formulierung ihrer Anliegen. »Bildung ist keine Ware« fordert unmißverständlich, »daß die beruflichen Schulen wie bisher unter unmittelbarer und uneingeschränkter staatlicher Leitung und Verantwortung« verbleiben.

»Unser Wasser Hamburg« will, daß die öffentliche Wasserversorgung »weiterhin vollständig Eigentum« der Stadt bleibt. Beim Volksentscheid gegen die Privatisierung des Landesbetriebes Krankenhäuser hatte die Gewerkschaft ver.di lediglich ein »Ersuchen« formuliert, zudem wurde eine Teilprivatisierung nicht explizit ausgeschlossen. Obwohl 77 Prozent aller Wähler sich gegen die Privatisierung am 29. Februar aussprachen, bot dies dem Senat die Möglichkeit, die rechtliche Bindung des Volksentscheids in Frage zu stellen. Ver.di muß nun eine Klage beim Verfassungsgericht einreichen.

Für Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sind die Volksbegehren eine erhebliche Niederlage, denn die Privatisierung der Berufsschulen gehört für ihn zu den »ehrgeizigsten Reformvorhaben« der Hamburger Regierung. Diese ist nun auf Eis gelegt.

http://www.jungewelt.de/2004/09-08/016.php



8000 demonstrierten in Hamburg gegen Ausverkauf der Kinderbetreuung

Die Kürzungspläne des Senats im Bereich der Kindertagesstätten (jW berichtete am Mittwoch) haben Hamburg die größte Kita-Demo seit 20 Jahren eingebracht. Mehr als 8 000 Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und Kinder zogen am Donnerstag abend durch die Innenstadt, um mit Losungen wie »Macht ihr erst die Kita platt, wächst nichts mehr in dieser Stadt« gegen die vorgesehenen »Einsparungen« in Höhe von 85 Millionen Euro zu protestieren. Schon zuvor zogen die Demonstranten sternförmig aus verschiedenen Stadtbezirken zum Jungfernstieg, um sich dort zu vereinigen. Ins Visier nahmen die Protestierer insbesondere Bürgermeister Ole von Beust (CDU), dem sie Wahlbetrug vorwarfen. Bereits vor der Demonstration war es in zahlreichen Einrichtungen zu Betriebsversammlungen gekommen, so daß die meisten Kindertagesstätten leer blieben. Erstmals war es gelungen, die Beschäftigten nahezu aller Träger der Kindertagesstätten zum gemeinsamen Handeln zu vereinen.

Ronny Pries vom Bündnis der Hamburger Kita-Beschäftigten und aktiv im Hamburger Sozialforum wies auf drohende Arbeitszeiterhöhungen, die Kürzung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie bevorstehende Stellenstreichungen hin. Darauf, so Pries, werde das Bündnis auch weiterhin reagieren – mit Demos, Betriebsversammlungen und »demnächst auch Streiks«.

http://www.jungewelt.de/2004/09-04/011.php



Hamburger Senat will bei Kitas drastisch kürzen. Erzieher und Eltern fürchten unzumutbare Bedingungen

Fünfzig Millionen Euro sollen Hamburgs Kindertagesstätten ab 1. Januar 2005 »einsparen«. Gleichzeitig soll sich aber die Anzahl der Kita-Plätze um 5 000 erhöhen. Mit weniger Geld mehr Plätze? Hamburgs Erzieher fürchten drastische Verschlechterungen nicht nur beim Gehalt, sondern auch bei ihren Arbeitsbedingungen und in den Standards der Kinderbetreuung.

Der Unmut ist so groß, daß schon am Abend des 26. August 700 Mitarbeiter – unter lautstarkem Protest – an einer Sitzung des Familienausschusses der Bürgerschaft teilnahmen. Für den 2. September haben die Mitarbeitervertretungen nun flächendeckend Aktionen und Demonstrationen angekündigt. Erstmals werden an diesem Tag fast alle Einrichtungen der Kinderbetreuung in der Hansestadt schließen.

Darum geht es: Seit dem 1. August 2003 gilt in Hamburg ein neues Kita-Gutscheinsystem. Eltern erhalten dabei einen Gutschein, auf dem die Leistung und die Anzahl der Betreuungsstunden vermerkt sind, und lösen diesen bei einer Einrichtung ihrer Wahl ein. Jeder Gutschein hat einen pauschalierten Gebäude-, Personal- und Sachkostenwert, auch Entgelt genannt. Bei der Umstellung vom Pflegesatz- auf dieses Gutscheinsystem hatten Sozialinitiativen, freie Träger und die oppositionelle SPD mit einem Volksbegehren reagiert, um vorhandene Standards zu sichern. Das Hamburger »Kita-Chaos« war eines der großen Themen, die zur Auflösung des alten CDU-FDP-Schill-Senats führten.

Nach den Wahlen im Frühjahr sagte die SPD das Volksbegehren im Alleingang einfach ab. Im »Kita-Kompromiß« mit der regierenden CDU setzte die SPD eine Ausweitung von Rechtsansprüchen für die Betreuung durch. So besteht ab 1. Januar 2006 ein Rechtsanspruch in der Kita-Betreuung für bis zu 14 Jahre alte Kinder von Berufstätigen. Schon ab 1. Januar 2005 wird für alle Drei- bis Sechsjährigen der Betreuungsanspruch von vier auf fünf Stunden ausgeweitet. Experten berechneten, daß damit schon für 2005 eine Steigerung bei den Kita-Plätzen von 50 000 auf 55 000 erforderlich ist. Nun wird um die Mehrkosten gestritten. Während die anbietenden Träger von zusätzlichen Mitteln ausgingen, will Hamburgs zweite Bürgermeisterin und Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram, aber nicht aufstocken, sondern die Zuschüsse um 50 Millionen Euro kürzen. Bei Einrechnung der zusätzlich anzubietenden Kita-Plätze – so rechnete der Wohlfahrtsverband SOAL jetzt vor – eine tatsächliche Mittelkürzung um satte 85 Millionen Euro zum 1. Januar 2005.

Die Senatorin will ihr »Sparziel« insbesondere durch eine Absenkung der Personalkosten erreichen. 49 Millionen Euro sollen durch Stellenstreichungen (jeder vierte Arbeitsplätze) und abgesenkte Löhne »eingespart« werden. Die Gruppenfrequenzen erhöhen sich damit drastisch: Im Hortbereich steigt die Anzahl der Kinder zum Beispiel von 20 auf 25 pro Gruppe. Hinzu kommen beträchtliche Kürzungen im Sachmittelhaushalt.

Michael Edele, Geschäftsführer der »Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege« stellte hierzu am 17. August fest: »Das Verhandlungsangebot der Behörde ist für die Verbände nicht akzeptabel. In Verantwortung für die von uns betreuten Kinder können wir den Forderungen nicht entsprechen.«

Schnieber-Jastram greift nun zu härteren Methoden. Ganz unverhohlen droht sie mit einem neuen Gesetz. Dieses soll den Senat in die Lage versetzen, widerspenstigen Trägern Betreuungsstandards einfach vorzuschreiben. In einer junge Welt vorliegenden und noch nicht veröffentlichten Bürgerschaftsdrucksache heißt es zur Begründung des geplanten Gesetzes: »Mit der Leistungsverordnung werden die Leistungsmerkmale auch im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten verbindlich festgelegt. Der beschriebene Leistungsumfang bildet damit zugleich die Grundlage für die Kalkulation der erstattungsfähigen Kosten.«

»Ohne Rücksicht auf bestehende Vergütungstarife und Arbeitsverträge, ohne Rücksicht auf bestehende Leistungszusagen gegenüber den Eltern und ohne Rücksicht auf die hohe Verantwortung, der sich die Träger durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz mit seinem Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsauftrag verpflichtet haben« – so die Gewerkschaften GEW und ver.di in einer gemeinsamen Stellungnahme – wolle Frau Schnieber-Jastram nun die Kürzungen einfach anordnen.

Ohne das Wort vom »Streik« zu nutzen, sind Hamburgs Erzieher nun zum Äußersten entschlossen. Für den 2. September sind Aktionen, Betriebsversammlungen und Demonstrationen in nahezu allen Einrichtungen angekündigt. In mehreren Marschsäulen werden sie zum Jungfernstieg demonstrieren, um sich dort – ab 17 Uhr – zu einer gemeinsamen und großen Demonstration zu vereinigen. Unterstützung erhalten die Erzieherinnen und Erzieher dabei von der GEW, der Gewerkschaft ver.di und dem Hamburger Sozialforum.

http://www.jungewelt.de/2004/09-01/014.php



Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Ermordung des KPD-Vorsitzenden in Hamburg geplant

Aus Anlaß des 60. Jahrestages der Ermordung des ehemaligen KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann soll in Hamburg eine große Gedenk- und Kulturveranstaltung stattfinden. Wie das »Kuratorium Gedenkstätte Ernst Thälmann« jetzt mitteilte, werden dazu prominente Redner erwartet. Zu ihnen gehören der ehemalige DDR-Staatsratsvorsitzende Egon Krenz und der Vorsitzende der DKP, Heinz Stehr. Die Veranstaltung soll am 20. August im Landesinstitut für Lehrerbildung in der Felix-Dahn-Straße ab 19 Uhr stattfinden. Wie Manfred Eger, stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums, jetzt mitteilte, ist das Kuratorium darum bemüht, Unterstützer für einen Aufruf zu dieser Veranstaltung zu gewinnen.

Das Kuratorium betreibt seit 1969 in Hamburg-Eppendorf eine ständige Ausstellung zum politischen Wirken von Ernst Thälmann. In das um die Jahrhundertwende erbaute Eckhaus Tarpenbekstraße 66 zog Thälmann – damals als KPD-Vorsitzender hauptsächlich in Berlin arbeitend – 1929 mit seiner Familie ein. In der Ausstellung mit zahlreichen Bildern und Dokumenten erschließt sich dem Besucher ein lebendiges Bild der Geschichte der KPD. Sah sich der Hamburger Senat 1985 veranlaßt, den Platz vor der Gedenkstätte in »Ernst-Thälmann-Platz« umzubenennen, häuften sich Anfang der 90er Jahre massive Angriffe auf die Gedenkstätte. CDU-Bürgerschaftsabgeordnete verlangten, dem Kuratorium den Status der Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Heute steht die Gedenkstätte auf sicheren Füßen und ist für Schulklassen und Hunderte Besucher aus dem In- und Ausland alljährlich ein wichtiger Anlaufpunkt, um sich mit diesem Teil Hamburger Geschichte zu beschäftigen.

Der Hafen- und Transportarbeiter Ernst Thälmann trat 1918 zunächst der USPD bei, deren Hamburger Ortsvorsitzender und Bürgerschaftsabgeordneter er wurde. Mit der Vereinigung des Mehrheitsflügels der USPD mit der KPD zur VKPD übernahm Thälmann schnell Spitzenfunktionen in seiner Partei. Wiederholt trat er als kommunistischer Präsidentschaftskandidat an. Als 39jähriger übernahm Thälmann schließlich am 1. September 1925 – auf Vorschlag der Kommunistischen Internationale – die politische Führung der KPD. In den folgenden Jahren konnte die KPD beträchtliche Wahlerfolge realisieren und wurde zu einer Massenpartei. Am 3. März 1933 wurde Thälmann ohne Haftbefehl verhaftet und eingekerkert. Nach über elfjähriger Haftzeit wurde er im August 1944 ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht und dort von Angehörigen der SS erschossen.

http://www.jungewelt.de/2004/08-02/011.php



»Palette e.V.« in Hamburg muß wegen Mittelkürzung eines ihrer drei Beratungszentren aufgeben

Radikale Streichungen bei den Zuwendungen führen in Hamburg dazu, daß die bekannte Drogenreinrichtung »Palette e.V.« eines ihrer drei Beratungszentren aufgeben muß. Zum 1. Oktober wird das Hilfezentrum in der Schillerstraße in Altona schließen. Der Hälfte der 32 festangestellten Mitarbeiter des Vereins, soll noch im August die Kündigung zugestellt werden, nachdem sich der Verein bereits zuvor von Mitarbeitern trennen mußte. Doch auch den verbliebenen Mitarbeitern drohen drastische Gehaltskürzungen.

Wie jetzt bekannt wurde, werden auch die Kosten für die Abfindung der teilweise langjährigen Mitarbeiter nicht übernommen. Für Ulrike Winkelmann, Betriebsratsvorsitzende der »Palette« ein Skandal: »Die Behörde zwingt uns zu Entlassungen, sieht sich jetzt aber nicht in der Pflicht, die Kosten dafür zu übernehmen.« So drohen dem gebeutelten Träger Arbeitsgerichtsverfahren mit erheblichen Folgekosten, die ihn insgesamt in seiner Existenz gefährden.

Für die »ständige Betriebsrätekonferenz der freien Träger in der Hamburger Drogenhilfe«, dort haben sich die Interessenvertreter der Mitarbeiter aus rund 40 Einrichtungen zusammengeschlossen, handelt der Senat mit seinen Haushaltsplänen, mit denen bis 2006 zwei Millionen Euro an Zuwendungen gestrichen werden, verantwortungslos. Gegenüber junge Welt betonten Vertreter der Betriebsrätekonferenz, daß sich die Anzahl der Drogenkonsumenten in Hamburg auf die Marke von 20 000 zu bewege. Mit der Streichung von Angeboten in der akzeptierenden Drogenarbeit, bestehe die Gefahr der Kriminalisierung kranker und hilfsbedürftiger Menschen.

http://www.jungewelt.de/2004/07-27/012.php



Hamburg: Senatsbeschluß zum Klinikverkauf schlägt weiter hohe Wellen

Der Hamburger Senat will die Mehrheit der städtischen Krankenhäuser in zwei Tranchen dem privaten Asklepios-Konzern – trotz eines gegenteiligen Volksentscheids – übereignen (jW berichtete am Donnerstag). Diese Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) führt in der Hansestadt seitdem zu hitzigen Diskussionen. »Das ist so ziemlich das Unvernünftigste, was man machen kann«, kritisierte GAL-Bürgerschaftsabgeordneter Jens Kerstan jetzt den Senat. SPD-Chef Mathias Petersen fügt hinzu: »Der jetzt vom Senat geplante Mehrheitsverkauf in Raten ist ein billiger Trick, um die Wähler hinters Licht zu führen. Der Senat will 600 000 Hamburgerinnen und Hamburger offensichtlich für dumm verkaufen.« Was Petersen nicht sagt: Die SPD-geführte Regierung in Schleswig-Holstein hat bereits mehrere Kliniken an Asklepios verscherbelt und im SPD-PDS-regierten mecklenburg-Vorpommern wurde das Medizinische Zentrum in Schwerin an die privaten Helios-Kliniken verkauft.

600 000 Hamburger und damit fast 77 Prozent aller Wähler hatten beim Volksentscheid am 29. Februar gegen die Privatisierung des LBK gestimmt. Für verdi-Chef Wolfgang Rose wäre die Privatisierung »so, als würde man einem Gebrauchtwagenhändler eine gut geführte Mercedes-Filiale anvertrauen.« Rose verweist auf die Kliniken des Konzerns in Schleswig-Holstein, in denen nicht mal die Gehälter pünktlich gezahlt werden.

Der Asklepios Konzern betreibt in Deutschland und den USA 82 Einrichtungen (darunter 67 Kliniken) und macht nach eigenen Angaben eine Milliarde Euro Umsatz. Alleiniger Gesellschafter des Konzerns ist Dr. Bernhard Broermann, ein guter Bekannter des Hamburger Finanzsenators Wolfgang Peiner (CDU) aus dessen Zeit als Vorstand der Gothaer-Versicherung. Peiner übergibt Broermann jetzt einen Betrieb mit 12 400 Mitarbeitern, 375 000 Patienten und einen Umsatz von 700 Millionen Euro im Jahr. Der Landesbetrieb ist damit Hamburgs größter Arbeitgeber.

Zur Empörung tragen jetzt auch Einzelheiten des beabsichtigen Deals bei. Senator Peiner betonte lange Zeit, daß die Schulden des LBK durch die Stadt kaum zu begleichen wären und auch deshalb die Privatisierung notwendig sei. Diese Schulden des LBK belaufen sich auf 560 Millionen Euro. Es sind vor allem Pensionsverpflichtungen, für die in der Vergangenheit keine Vorsorge betrieben wurde. Nachdem man 1995 die Hamburger Krankenhäuser im LBK zusammengefaßt hatte, wurde diese Schuldlast dem neuen Betrieb einfach aufgedrückt. Im operativen Geschäft schreibt der Betrieb schwarze Zahlen. Von einer Übernahme dieser Schuldenlast durch den Privatinvestor ist jetzt aber keine Rede mehr. Die Schulden fließen in eine »städtische Besitzgesellschaft«, verbleiben somit also bei der Stadt. Der so entschuldete Betrieb soll dann für eine Kaufsumme von 319 Millionen Euro von Asklepios übernommen werden. Peiner sagt nun, daß er damit einen Teil der Schulden begleichen könne. Eine Milchmädchenrechnung, denn tatsächlich fließen zunächst nur 200 Millionen, von denen aber allein der LBK 180 Millionen über einen Kredit selbst finanzieren soll. Asklepios bezahlt lediglich 20 Millionen. Der LBK bezahlt seine Übernahme also selbst! Die restlichen 119 Millionen des Kaufpreises fließen erst dann, wenn der LBK an die Börse geht. Verkaufen sich die Aktien aber schlecht, fließt auch dann kein Geld. Zudem verzichtet die Stadt für 60 Jahre auf Erbbauzins- und Pachteinnahmen für die Nutzung der städtischen Grundstücke und Gebäude. Rose beziffert den Einnahmeverlust für die Stadt auf rund 190 Millionen Euro. Er befürchtet, »daß irgendwann ein US-Fonds den ganzen Laden übernimmt und allein seiner Anlagestrategie folgt: Kapital sucht Rendite«. Die Gewerkschaft will beim Verfassungsgericht klagen, denn sie sieht in der Mißachtung des Volksentscheids einen Rechtsverstoß. Gemeinsam mit dem Personalrat befürchtet die Gewerkschaft Lohneinbußen, Personalabbau und die Verringerung von Mitbestimmungsmöglichkeiten. In der Tat verweigert Asklepios die Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband und will einen Haustarif durchsetzen. Die Gesamtpersonalratsvorsitzende Katharina Ries-Heidtke kündigte deshalb jetzt Personalversammlungen in allen Krankenhäuser an. Sie will Aktionen, denn die Empörung unter den Mitarbeitern sei groß.

http://www.jungewelt.de/2004/07-12/013.php



Hamburger Senat beschloß entgegen früherer Versprechen Verkauf des Landesbetriebes für Kliniken

Der Hamburger Senat will den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) nun doch verkaufen. Darauf hat sich die Landesregierung am Dienstag abend geeinigt. 49,9 Prozent der Anteile sollen sofort verkauft verkauft werden, 25 Prozent zwei Jahre später. Einziger Interessent für den Kauf ist der Klinikbetreiber Asklepios. Wie zu hören ist, soll der Verkauf des ersten Anteils »für ’n Appel und ’n Ei« erfolgen. Der Senat begründet den Verkauf mit notwendigen Modernisierungen, die man nicht finanzieren könne.

Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) hatte mit Asklepios bereits im letzten Jahr eine 75-Prozent-Beteiligung vereinbart. Dagegen gab es das Volksbegehren »Gesundheit ist keine Ware«, das von Beschäftigten und der Gewerkschaft ver.di initiiert wurde. Am 29. Februar sprachen sich im Volksentscheid 77 Prozent der Wähler gegen einen Mehrheitsverkauf des LBK aus. Bürgermeister Ole von Beust hatte nach den Wahlen mehrfach zugesichert, daß sich der Senat an das Votum halten werde. Doch er ließ sich stets eine Hintertür offen: Der Entscheid habe rechtlich keine Bindung, da er im Wortlaut nur eine Empfehlung bedeute. Die Information über die Entscheidung, den LBK nun doch mehrheitlich zu privatisieren, sickerte am Dienstag abend durch. Am Mittwoch lud der Bürgermeister nur die Chefredakteure der großen Hamburger Medien zu einem Gespräch in der Sache. Erst am Nachmittag informierte Gesundheitssenator Jörg Dräger (parteilos) die »restlichen« Medien auf einer Pressekonferenz.

Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose ist empört: »Es wäre fairer und demokratischer Stil gewesen, zuerst die Initiatoren des Volksentscheides über den Senatsbeschluß zu unterrichten.« Die Forderung der Gewerkschaften lautet: »Gesundheit als wichtiger Bereich der öffentlichen Daseinsfürsorge darf kommerziellen Interessen nicht untergeordnet werden«. Ob die Gewerkschaften nun tatsächlich den Weg vor das Verfassungsgericht gehen, wie ver.di-Chef Rose beim Hamburger Sozialforum ankündigte, blieb am Mittwoch jedoch unklar. Für die Personalratsvorsitzende Katharina Ries-Heidtke sind nun »alle Befürchtungen erfüllt, die die Beschäftigten mit dem Mehrheitsverkauf verbunden haben. Die Tarifverträge werden gekippt, die Arbeitsplätze sind nicht mehr gesichert.«

http://www.jungewelt.de/2004/07-08/016.php



Konferenz gegen Repression in Hamburg analysiert Terrorhysterie und Abbau von Grundrechten

Mit dem Hinweis auf den am 27. Oktober beginnenden Prozeß gegen Teilnehmer der Protestaktionen zum NATO-Gipfel in der Türkei begann am Dienstag in Hamburg eine »Konferenz gegen Repression«, die gemeinsam vom örtlichen Tayad-Komitee und der Hamburger »Angehörigeninfo« organisiert wurde. Das Komitee möchte eine Delegation aus Deutschland entsenden, die den Prozeß beobachtet, denn den 67 Beschuldigten solle unter »Nutzung gefälschter Unterlagen« die Unterstützung einer »terroristischen Organisation« nachgewiesen werden.

Ein Vertreter des örtlichen Tayad-Komitees machte zu Beginn der Konferenz auf die seit mehreren Jahren stattfindenden Hungerstreiks von politischen Gefangenen in der Türkei aufmerksam, mit dem sie sich gegen die Einführung von Isolationszellen wehren. Der Hungerstreik, an dem sich gegenwärtig vor allem Angehörige der DHKP/C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei/ Front) beteiligen, soll, wie ein Vertreter des Komitees betonte, trotz der inzwischen 107 Todesopfer fortgesetzt werden.

Zunehmende Repression und Terrorhysterie – das war auch das Thema des Hamburger Strafverteidigers Dr. Heinz-Jürgen Schneider, der sich mit den Veränderungen in Deutschland und der EU seit dem 11. September 2001 befaßte. Mit dem von der EU-Kommission ausgearbeiteten »Rahmenplan zur Bekämpfung des Terrorismus« sei seinerzeit ein Paket geschnürt worden, das der politischen Willkür Tür und Tor öffne. Beispielhaft nannte Schneider die »EU-Terrorliste«, die in keiner Weise in ein juristisch überprüfbares Verfahren eingebettet sei, für die betroffenen Gruppen und Einzelpersonen aber schwerwiegende Konsequenzen habe und sie darüber hinaus – wie die kurdische KADEP – grundsätzlich vom politischen Dialog ausschließe. Auch der im September 2002 neu in das Strafgesetzbuch eingeführte Paragraph 129b, mit dem der Bundestag die Möglichkeit zur Strafverfolgung der sogenannten Unterstützung und Werbung für »terroristische« Organisationen auf das Ausland ausweitete, sei durch »juristische Grauzonen« gekennzeichnet, bei dem die Eindeutigkeit eines Straftatbestandes in einer »schwammigen Masse« verlorengehe. Im Gesetz heißt es, allein das Bundesjustizministerium entscheide, ob die Ermächtigung zur Strafverfolgung erfolgt. Dabei sei »in Betracht zu ziehen, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen«. Schneider sieht das eigentliche Ziel des Gesetzes in der Kriminalisierung und Gefährdung internationaler Solidaritätsarbeit.

In einem Dossier hatte sich Schneider bereits vor der Konferenz scharf gegen die Terrorhysterie gewandt, mit der ein »gesellschaftliches Klima für Ängstlichkeit« geschaffen und Rassismus befördert werde. Im Mißverhältnis zwischen der Zahl der Ermittlungsverfahren nach Paragraph 129a einerseits (Unterstützung einer terroristischen Vereinigung) und tatsächlichen Verurteilungen, die bei lediglich drei Prozent aller Fälle liegen, sieht Schneider die These gestützt, daß es sich dabei vor allem um einen »Ausforschungsparagraphen« für den Staatsschutz handele, bei dem mit Hausdurchsuchungen und Telefonüberwachungen zusätzliche Informationen gewonnen werden können.

Schließlich warnte Schneider vor einem bevorstehenden Umbau von Europol zu einer »Art europäischem FBI« und stellte fest, daß die Konzentration von Erkenntnissen aller europäischen Geheimdienste an einer einzigen Stelle, wie sie durch die Konferenz der Innenminister im April beschlossen wurde, ein weiteres und gefährliches Repressionspotential bilde. Anwalt Schneider forderte eine stärkere Vernetzung demokratischer Kräfte auch im Rahmen der Europäischen Union. Kooperationen von Bürgerrechtsorganisationen oder von Anwälten seien dringend notwendig.

Die Erfahrungen zweier Jugendlicher aus Magdeburg, die im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten für einen »Autonomen Zusammenschluß« im Dezember 2003 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden (jW berichtete), belegten diese Ausführungen. Auch sie sahen, wie sie jetzt in Hamburg berichteten, in der »Durchleuchtung und Zerschlagung« politischer Strukturen das eigentliche Ziel, weshalb sie angeklagt und verurteilt wurden. Selbstbewußt forderten sie für die Revisionsverhandlung eine Entschädigung für ihre Haftzeit, den Freispruch aller Angeklagten sowie die Rückgabe enteigneter Räume.

http://www.jungewelt.de/2004/07-08/012.php