Im September 2001 wird in Hamburg gewählt. Doch der Wahlkampf hat bereits begonnen: Am rechten Rand gründete der als „Richter Gnadenlos“ bekanntgewordene Hamburger Richter Ronald Barnabas Schill am 13. Juli eine neue Partei.

Bis zu 30 Prozent will er erreichen. Führende CDU-Politiker in der Hansestadt reagieren nervös. So fordert der einflussreiche Harburger Kreisvorsitzende Andreas Kühn inzwischen offen, dass die CDU das „Asyl“ und das „Kriminalitätsthema“ mit „deutlicheren Konturen“ besetzen müsse. Ein verschärfter „Law-and-order“-Wahlkampf kündigt sich an. Doch auch die Linke macht mobil. Der am 15. Juli neu gewählte PDS-Landesvorstand will ein „öffentliches Plenum der linken Kräfte“, um sich dort „über ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen“.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde die neue Rechtspartei gegründet. Doch ihr Name ist Programm: „PRO“, die „Partei der Rechtsstaatlichen Offensive“. Das klingt irgendwie aufgeräumt. „Aufräumen“ wollen sie in der Tat und sie haben ein Hauptthema: Innere Sicherheit. Sie fordern „Konsequentes Handeln gegen Kriminelle“, und meinen damit arbeitslose und gestrauchelte Jugendliche. Ihre Lösungen: Heimunterbringung mit „unwirtlichen Einzelzellen“.

Sind es Menschen ohne deutschen Pass, dann soll abgeschoben werden, „sofort und auf der Stelle“. „In 100 Tagen“ werde seine Formation „die Verbrechen halbieren“, sagt Schill. Und bei der mächtigen Springer-Presse findet das Unterstützung. Das „Hamburger Abendblatt“ ermittelt ein Wählerpotenzial von bis zu 30 Prozent. Schill bedankt sich und sagt, er wolle insbesondere Wähler erreichen, „die von der SPD verraten und verkauft“ wurden.

Schill will nicht nur das rechtsextremistische Spektrum erreichen (immerhin verfehlte die DVU bei den letzten Bürgerschaftswahlen den Parlamentseinzug nur knapp), sondern auch „ehrbare“ Kaufleute, Angestellte und Juristen überzeugen; will Akzeptanz auch in bürgerlichen Kreisen. Das Presseecho ist enorm. Im Hamburg-Teil der „Welt“ kann sich Schill seitenlang erklären. Das Blatt berichtet über Schill mehr als über alle anderen Parteien. Die Arbeitslosen oder niedrig verdienenden Menschen in Hamm, Horn, auf der Veddel und in Wilhelmsburg können sich im örtlichen „Lokalboten“ bedienen. Seitenweise wird in dem Anzeigenblatt für Schill, für „Recht und Ordnung“ geworben. Ganze Ortsverbände der CDU haben Schill zu Vorträgen geladen: Lurup/Osdorfer Born, Niendorf, aber auch Wandsbek. Und Andreas Kuhn, Kreisvorsitzender der Harburger CDU, träumt bereits von einer Koalition mit PRO.

Hamburgs Haider

Hat Hamburg einen neuen Haider? Hoffentlich nicht! Aber der Richter will nun auch in der Politik das praktizieren, was er im Amt längst tat und was ihm selbst ein Strafverfahren einbrachte: Rechtsbeugung gegenüber Andersdenkenden. In seinem letzten spektakulären Prozess verurteilte Schill einen Mann aus dem autonomen Lager wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ ruckzuck zu 14 Monaten Haft – ohne Bewährung, versteht sich. Der Tatbestand: wildes Plakatieren (nicht irgendwo, sondern in der Hafenstraße!). Schill will das Strafmündigkeitsalter auf zwölf Jahre senken. Er fordert die Wiedereinführung der Todesstrafe. Offen sagt er, Ausländer sind „viel krimineller als Deutsche“. „Rechtsfreie Räume“, gemeint sind Kulturzentren, sollen „geräumt“ werden. Dann Schluss mit „sozialer Selbstbedienungsmentalität“ und die Atomenergie soll energisch ausgebaut werden!

Schill knüpft nicht nur an latent vorhandene ausländerfeindliche Stimmungen an, sondern er nutzt geschickt die Enttäuschung vieler Menschen über den rot-grünen Senat, der Hamburg seit 1997 regiert. Seine plumpen Parolen finden leider auch in größeren Teilen der Arbeiterschaft, der Jugend und bei älteren Menschen Gehör.

Kein Thema ist dem Richter zu schade, um es nicht demagogisch zu nutzen. Kaum hat man geschluckt bei der Forderung „Entfernung von Bettlern und Junkies“ aus dem öffentlichen Raum, kommt die nächste Keule: Front will er machen, gegen eine Schulreform, die „mittels Gleichheitsutopie, Lustprinzip und Machbarkeitswahn herkömmliche, funktionstüchtige Schule weitgehend demontiert, um via Schule zu einem Umbau der Gesellschaft ist Sinne linker Theorie zu gelangen“.

Linkes Bündnis

Henning Voscherau, bis 1997 Bürgermeister, selbst ein sich getreuer „Law-and-order“-Mann, warnt seine Partei scheinheilig davor, Schill könne „Zünglein an der Waage sein, (vielleicht sogar) einen Bundesverband (gründen), als deutsche Schwesterpartei für den Landeshauptmann aus Kärnten“. Damit dies nicht geschehe, fordert Voscherau für die SPD ein Ende der „Halbherzigkeiten“ und beschwört „Political Correctness“. Sein Rezept: ´Endlich über den eigenen Schatten springen und wirksam vorbeugen, als später die Hände in Unschuldwaschen zu müssen. „Law and order“ auf allen Seiten und in neuer Qualität. Hamburg steht ein heißer Wahlkampf bevor, der in manchem tatsächlich an österreichische Verhältnisse erinnert.

Die Linke diskutiert, wie kürzlich in der UZ berichtet, schon seit längerem, wie dem zu begegnen ist. Zudem: Gemeinsam könnte auch die Linke ins Parlament einziehen, damit ein wirksames Gegengewicht bilden. Aber eben nur gemeinsam. Jetzt war die PDS am Zug. Sie wählte auf einer gut besuchten Landesversammlung einen neuen Vorstand, denn der alte (ebenfalls linke) war, so der innerparteilich erhobene Vorwurf, zu offener Bündnispolitik (intern wie extern) nicht mehr bereit. In verschiedensten Medien wird über diesen Kurswechsel in der Hamburgischer PDS lebhaft spekuliert, wobei es mir manchmal an örtlicher Verbundenheit oder an gesicherten Kenntnissen mangelt. Bleiben wir für diese Zeitung daher bei überprüfbaren Fakten, ohne uns damit in innere Angelegenheiten der PDS einzumischen:

Der Kurswechsel wurde ausgelöst von der „Gruppe Linker Dialog“, die mit Blick auf zukünftige Wahlpolitik erklärte: „Wir wollen ein breites Bündnis linker Kräfte von Regenbogen, Sozialpolitischer Opposition, DKP, Gewerkschafter, PDS u. a.“

Auf der PDS-Landesversammlung erhielt der mit großer Unterstützung der Hamburger PDS-Mitglieder und sympathisierenden gewählte neue Landesvorstand dann am 15. Juli den Auftrag, „Gespräche zu führen mit potenziellen Bündnispartnern und dabei für unser Konzept einer wahlpolitischen Orientierung zu werben“. Dies Konzept wird erläutert: „Wir streben ein öffentliches Plenum der linken Kräfte in Hamburg an, auf dem eine breite Verständigung über ein gemeinsames Agieren hergestellt werden soll.“

Der neue PDS-Landesgeschäftsführer Roman Scharwächter hat dies inzwischen präzisiert: „Dabei geht es nicht nur um die Bürgerschaftswahlen als solche, sondern um die Möglichkeit, ein Bündnis unterschiedlicher fortschrittlicher Kräfte zu organisieren, das die weltanschaulichen und organisationspolitischen Differenzen respektiert und aus der Diskussion die Kraft zu gemeinsamen politischen Handeln gewinnt. Insbesondere vor dem Hintergrund der Formierung reaktionärer bis rechtspopulistischer Kräfte in der gerade erfolgenden Grundung-der ´Schill-and-order-Partei´ und des angekündigten Rechtsaußenwahlkampfs der CDU wird die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens der politischen Linken offenbar.“

http://www.dkp-online.de/wahlen/land/hamb01/32320403.htm



Gelingt es der Hamburger Linken im September 2001 in die Bürgerschaft einzuziehen?

Bereits am 30. Mai beschloss der Verein „Regenbogen – Für eine neue Linke“ einstimmig seine Wahlbeteiligung bei den nächsten Bürgerschaftswahlen. Regenbogen – entstanden in antimilitaristischer Abgrenzung zum oliv-grünen Kriegskurs von Bündnis 90/Die Grünen – ist schon jetzt mit einer Gruppe von fünf Abgeordneten im Hamburger Landesparlament vertreten. Darüber hinaus mit zahlreichen Fraktionen in den Bezirksparlamenten.

Am 15. Juli will nun die PDS auf einer Landesversammlung im traditionsreichen Haus für Alle (Amandastraße 58 ab 10 Uhr) nicht nur wahlpolitische Positionen beschließen, sondern auch einen neuen Landesvorstand wählen. Zusammen kommen PDS und Regenbogen – nach jüngsten Meinungsumfragen – gegenwärtig auf etwa 4,5 Prozent der Wählerstimmen!

Die Lage ist günstig

Die Situation ist so günstig wie lange nicht mehr. Erstmalig seit vielen Jahren könnte die Hamburger Linke einen Wahlkampf wieder mit parlamentarischer Präsenz und parlamentarischem Ergebnis führen! Die Sprecherin von Regenbogen, Heike Sudmann, erklärte uns hierzu: „Unser Ziel ist es, auch in Zukunft die politische Debatte in der Stadt mitzubestimmen und Kontrapunkte zur herrschenden Meinung zu setzen.“ Damit dies gelingen kann, will „Regenbogen – für eine neue Linke“ den Wahlkampf als „offenes Projekt führen, zusammen mit allen Interessierten, mit unterschiedlichen Einzelpersonen und Zusammenhängen.“ Eine Wahlplattform soll im Herbst entstehen, dann sollen die genaueren Modifikationen des Eingreifens festgelegt werden.

Es ist in der Stadt ein offenes Geheimnis: Ohne eine Allianz der Linksalternativen und -grünen mit den sozialistischen Gruppen in der Stadt ist dieses ehrgeizige Ziel, erneut ins Landesparlament einzuziehen, freilich nicht zu erreichen. Bereits im Mai bekundete „Regenbogen – für eine neue Linke“ deshalb seine Bereitschaft zu offenen Listen. Inzwischen ist diese Debatte fortgeschritten.

Etlichen Mitgliedern – unter ihnen auch Abgeordneten in der Bürgerschaft – ist vollständig klar, dass ein wahlpolitischer Erfolg nicht nur nicht in Konkurrenz zum sozialistischen Spektrum möglich ist, sondern dass es hierfür notwendig ist, gemeinsames Eingreifen den Bürgerinnen und Bürger auch über den Titel der Liste selbst kenntlich zu machen. Das wäre deutlich weniger als ein Parteienbündnis, viel mehr aber als ein reine Liste von Regenbogen mit ein paar Plätzen für andere. Zusammenarbeit ist auch deshalb notwendig, weil beide Gruppen zu unterschiedliche Bevölkerungsschichten ansprechen.

Die Diskussion bei der PDS geht inzwischen in die gleiche Richtung. In einem Interview mit der Jungen Welt erklärten Roman Scharwächer und Dirk Prösdorf von der PDS-Gruppe „Linker Dialog“: „Wir wollen ein breites Wahlbündnis linker Kräfte – Regenbogen, Sozialpolitische Opposition, DKP, Gewerkschafter, PDS u.a.“ Damit sich dies allerdings realisieren könne, sind – nach Einschätzung nicht nur des „Linken Dialog“, sondern, wie die letzte PDS-Versammlung zeigte, einer Vielzahl von PDS-Mitgliedern – auch bei der PDS Veränderungen notwendig.

Der gegenwärtig den Landesvorstand dominierenden Hochschulgruppe LINKS wird vorgeworfen, sich vehement gegen jegliche realistische Form wahlpolitischer Gemeinsamkeit bei den kommenden Wahlen ausgesprochen zu haben. Viele werfen der Gruppe, der es 1997 – nachdem viele Mitglieder der PDS nach dem Schweriner Parteitag ausgetreten wären oder sich zurückgezogen hatten – gelungen war, in stärkeren Umfang in Vorstandsfunktionen der hanseatischen PDS vorzurücken, zudem ausgrenzendes Verhalten vor. Eingefordert wird politische Wirksamkeit auch „außerhalb der Parteigeschäftsstelle“ zu entwickeln.

Wie bunt ist der Regenbogen?

Wie tief die Meinungsverschiedenheiten auch im linken Spektrum der PDS sind, wird im Antrag der Gruppe „Linker Dialog“, der von verschiedenen Parteigliederungen unterstützt wird, deutlich. Dort heißt es: „Die Versuche Bündnispolitik als Verlängerung des ideologischen Streites (in der PDS) zu führen, sind kontraproduktiv, (genauso) wie instrumentell Bündnispartner durch die völlige Ausklammerung ideologischer und politischer Differenzen mit ihnen zu Verbündeten im innerparteilichen Streit zu machen.“ Die Gruppe unterstreicht gleichzeitig die wahlpolitischen Möglichkeiten für 2001: „Es wäre möglich, gemeinsam über die momentan durch den Regenbogen realisierte parlamentarische Vertretung hinaus – sich das ´Spielbein´ für die Linke in dieser Stadt mit einer dauerhaften Perspektive zurückzuerobern.“ Natürlich will man dafür eigene Themenbereiche einbringen, noch wichtiger sei aber, auch auf das zurückzugreifen, was es in der außerparlamentarischen Bewegung – so zum Beispiel im Hamburger Forum, in der Sozialpolitischen Opposition oder in der Antifa-Bewegung – schon gibt.

Wie man auch immer den Streit der mehrheitlich links stehenden Mitglieder und Sympathisierenden der Hamburger PDS bewerten mag, so bleibt doch festzuhalten, dass die am 17. Juni stattgefundene Landesversammlung der PDS nun mit großer Mehrheit ein Verfahren beschlossen hat, um sich mit diesen Forderungen zu beschäftigen. Die Versammlung beschloss Neuwahlen für den Landesvorstand, die nun am 15. Juli stattfinden sollen und nachdem sich die PDS auf „Eckpunkte zur weiteren Arbeit, zur Landespolitik und zu den Bürgerschaftswahlen“ verständigt hat.

Und was sagt die DKP?

Die DKP hat ihre eigenes wahlpolitischen Eingreifen bei den Bürgerschaftswahlen 2001 noch nicht beschlossen. Viele GenossInnen wollen zunächst den weiteren Klärungsprozess in der Hamburger PDS abwarten. In jedem Fall, so die übereinstimmende Position bei einer kürzlich stattgefundenen Aktivtagung zur Auswertung des Parteitages, will die Partei aber mit eigenen inhaltlichen Positionen eingreifen.

Die Handlungsorientierung unseres jüngsten Parteitages hat erneut darauf verwiesen, dass wir als Kommunistinnen und Kommunisten alles in unseres Kräften Stehende dafür aufbringen sollten, dass gemeinsamer Widerstand aller linken und demokratischen Kräfte im Kampf gegen die gesellschaftliche Rechtsentwicklung möglich wird. In Hamburg fährt die rot-grüne Koalition eine gnadenlose Sparpolitik, mit der selbst Ansprüche aus der Sozialhilfe in Frage gestellt sind. Sozialdemokratische und grüne Senatoren ermöglichen es, dass in unserer Stadt neofaschistische Gruppen aufmarschieren. Bildung wird zunehmend privatisiert. Im Echo dieser Politik formiert sich auch rechts eine neue Wahlformation: Richter „Gnadenlos“ Ronald Schill will mit einer eigenen Partei antreten, denn die hanseatische CDU ist ihm „zu links“. In Umfragen ist diesem Haider-Verschnitt ein Erfolg von bis zu acht Prozent der Stimmen vorausgesagt.

In dieser Situation sind alle Linken in unserer Stadt gefordert, auch im parlamentarischen Eingreifen, das zu realisieren, was wir außerparlamentarisch längst tun: Gemeinsam zu handeln! Die Chancen hierzu stehen so gut wie lange nicht mehr.

http://www.dkp-online.de/wahlen/land/hamb01/32290602.htm